- E. A. Poe
- Deutsch von T. Etzel
- Deutsch von H. Lachmann
Ulalume
The skies they were ashen and sober;
The leaves they were crisped and sere—
The leaves they were withering and sere;
It was night in the lonesome October
Of my most immemorial year;
It was hard by the dim lake of Auber,
In the misty mid region of Weir—
It was down by the dank tarn of Auber,
In the ghoul-haunted woodland of Weir.
Here once, through an alley Titantic,
Of cypress, I roamed with my Soul—
Of cypress, with Psyche, my Soul.
These were days when my heart was volcanic
As the scoriac rivers that roll—
As the lavas that restlessly roll
Their sulphurous currents down Yaanek
In the ultimate climes of the pole—
That groan as they roll down Mount Yaanek
In the realms of the boreal pole.
Our talk had been serious and sober,
But our thoughts they were palsied and sere—
Our memories were treacherous and sere—
For we knew not the month was October,
And we marked not the night of the year—
(Ah, night of all nights in the year!)
We noted not the dim lake of Auber—
(Though once we had journeyed down here)—
Remembered not the dank tarn of Auber,
Nor the ghoul-haunted woodland of Weir.
And now, as the night was senescent
And star-dials pointed to morn—
As the star-dials hinted of morn—
At the end of our path a liquescent
And nebulous lustre was born,
Out of which a miraculous crescent
Arose with a duplicate horn—
Astarte’s bediamonded crescent
Distinct with its duplicate horn.
And I said—"She is warmer than Dian:
She rolls through an ether of sighs—
She revels in a region of sighs:
She has seen that the tears are not dry on
These cheeks, where the worm never dies,
And has come past the stars of the Lion
To point us the path to the skies—
To the Lethean peace of the skies—
Come up, in despite of the Lion,
To shine on us with her bright eyes—
Come up through the lair of the Lion,
With love in her luminous eyes."
But Psyche, uplifting her finger,
Said—"Sadly this star I mistrust—
Her pallor I strangely mistrust: —
Oh, hasten!—oh, let us not linger!
Oh, fly!—let us fly!—for we must."
In terror she spoke, letting sink her
Wings until they trailed in the dust—
In agony sobbed, letting sink her
Plumes till they trailed in the dust—
Till they sorrowfully trailed in the dust.
I replied—"This is nothing but dreaming:
Let us on by this tremulous light!
Let us bathe in this crystalline light!
Its Sybilic splendor is beaming
With Hope and in Beauty to-night:—
See!—it flickers up the sky through the night!
Ah, we safely may trust to its gleaming,
And be sure it will lead us aright—
We safely may trust to a gleaming
That cannot but guide us aright,
Since it flickers up to Heaven through the night."
Thus I pacified Psyche and kissed her,
And tempted her out of her gloom—
And conquered her scruples and gloom;
And we passed to the end of the vista,
But were stopped by the door of a tomb—
By the door of a legended tomb;
And I said—"What is written, sweet sister,
On the door of this legended tomb?"
She replied—"Ulalume—Ulalume—
’Tis the vault of thy lost Ulalume!"
Then my heart it grew ashen and sober
As the leaves that were crisped and sere—
As the leaves that were withering and sere,
And I cried—"It was surely October
On this very night of last year
That I journeyed—I journeyed down here—
That I brought a dread burden down here—
On this night of all nights in the year,
Ah, what demon has tempted me here?
Well I know, now, this dim lake of Auber—
This misty mid region of Weir—
Well I know, now, this dank tarn of Auber,
This ghoul-hannted woodland of Weir."
Ulalume
Der Himmel war düster umwoben;
Verflammt war der Bäume Zier –
Verdorrt war der Bäume Zier;
Es war Nacht im entlegnen Oktober
Eines Jahrs, das vermodert in mir;
War beim düsteren See von Auber,
In den nebligen Gründen von Weir –
War beim dunstigen Sumpf von Auber,
In dem spukhaften Waldland von Weir.
Durch Zypressenallee, die titanisch,
Bin ich mit meiner Seele gegangen –
Bin hier einst mit Psyche gegangen –
Zur Zeit, da mein Herz war vulkanisch
Wie die schlackigen Ströme, die langen,
Wie die Lavabäche, die langen,
Die rastlos und schweflig den Yaanek
Hinab bis zum Pole gelangen –
Die rollend hinab den Berg Yaanek
Zum nördlichen Pole gelangen.
Unser Wort war von Dunkel umwoben,
Der Gedanke verdorrt und stier –
Das Gedenken verdorrt und stier;
Denn wir wußten nicht, daß es Oktober,
Und der Jahrnacht vergaßen wir –
Der Nacht aller Jahrnächte wir!
Wir vergaßen des Sees von Auber
(Obgleich wir gewandert einst hier),
Des dunstigen Sumpfs von Auber
Und des spukhaften Waldlands von Weir.
Und nun, da in alternder Nacht
Die Sternuhr gen Morgen sich schob –
Da die Sternuhr gen Morgen sich schob –
Ward am End unsres Pfades entfacht
Ein Schimmern, das Nebel umwob,
Aus dem mit wachsender Pracht
Ein Halbmond sein Doppelhorn hob –
Astartes demantene Pracht
Deutlich ihr Doppelhorn hob.
“Sie ist wärmer”, so sagte ich,
“Als Diana: sie schwärmt durch ein Meer
Von Seufzern – ein Seufzermeer;
Sie sah es: die Träne wich
Von diesen Wangen nicht mehr,
Und vorbei am Löwenbild strich
Als Lenker zum Himmel sie her,
Als Leiter zu Lethe sie her;
Trotz des Löwen getraute sie sich,
Uns zu leuchten so hell und so hehr –
Durch sein Lager hindurch wagte sich
Ihre Liebe, so licht und so hehr.”
Doch Psyche hob warnend die Hand:
“Fürwahr, ich mißtraue dem Schein
Dieses Sterns – seinem bleichen Schein.
O fliehe! o halte nicht stand!
Laß uns fliegen – denn oh! es muß sein!”
Sprach’s entsetzt, und es sanken gebannt
Ihre Schwingen in schluchzender Pein –
Ihre Schwingen schleiften gebannt
Die Federn in Staub und Stein –
Voll Kummer in Staub und Stein.
Ich erwiderte: “Traum ist dies Grauen!
Laß uns weiter in Lichtes Pracht –
Laß uns baden in seiner Pracht!
Es läßt mich die Hoffnung erschauen
In kristallener Schönheit heut nacht –
Sieh! es flackert gen Himmel durch Nacht!
Oh! man darf seinem Schimmern vertrauen,
Es führt uns mit weisem Bedacht –
Oh! man muß seinem Schimmern vertrauen,
Es lenkt uns mit treuem Bedacht,
Da es flackert gen Himmel durch Nacht!”
Ich beruhigte Psyche und gab
Ihr Küsse und lockte sie vor –
Aus Bedenken und Dunkel hervor;
Und wir schritten den Baumgang hinab,
Bis am Ende uns anhielt das Tor
Einer Gruft – ein märchenhaft Grab.
“Schwester”, sprach ich, “was schrieb man aufs Grab –
An das Tor von dem Wundertume?”
“Ulalume!” sprach sie; “in dem Grab
Ruht verloren für dich Ulalume!”
Und mein Herz wurde düster umwoben,
Wurde dürr wie der Bäume Zier –
Wurde welk wie der Bäume Zier;
Und ich schrie: “Es war sicher Oktober
In der nämlichen Nacht, da ich hier
Im Vorjahr gewandert – und hier
Eine Last hertrug, fürchterlich mir!
Diese Nacht aller Jahrnächte mir,
Welcher Dämon verführte mich hier?
Gut kenn ich den See jetzt von Auber –
Diese nebligen Gründe von Weir –
Gut kenn ich den Dunstsumpf von Auber –
Dieses spukhafte Waldland von Weir.”
Ulalume
Die Wolken thürmten sich mächtig,
Die Blätter waren verdorrt,
Sie waren kraus und verdorrt,
Es war Oktober und nächtig
An einem unseligen Ort.
Es war nahe dem bleiernen Wasser,
Das da so verschlafen steht,
Am Hain, wo des Nachts sich ein blasser,
Hohläugiger Schwarm ergeht.
Die Gegend schroff und titanisch,
Durchstreift’ ich mit Psyche allein,
Meiner Seele, Psyche, allein,
Zur Zeit, da mein Herz noch vulkanisch,
Wie die Berge, die rastlos spei’n,
Die Feuerströme ausspei’n,
Wie der Berg am Nordpol, der kreißend
Ein flammendes Meer gebiert,
Das sich gewaltsam und reißend
Hinunterstürzt und verliert,
Hinunterwälzt und verliert.
Unsre Rede war ernst und gemessen,
Die Gedanken welk und verdorrt,
Die Gedanken lahm und verdorrt.
Das Gedächtniß war pflichtvergessen,
Denn es mahnte uns nicht an den Ort,
An die Zeit nicht, und nicht an den Ort.
Wir ahnten nicht Ort und nicht Stunde
Und nicht den Monat im Jahr,
Den unsel’gen Monat im Jahr,
Daß es nahe dem heimlichen Grunde
Und dem bleiernen Wasser war.
Und da nun die Nacht sich neigte
Und der Zeiger der Sternenuhr,
Der himmlischen Sternenuhr
Dem Tag zustrebte, da zeigte
Sich ein nebliger Schein am Azur.
Und diesem weißlichen, zarten
Duftschleier entschwebte zuletzt
Das Diadem von Astarten
Mit Diamanten besetzt.
Und ich sprach: Sie ist wärmer und milder
Als die keusche Schwester Apoll’s,
Die flinke Schwester Apoll’s.
Diana ist feuriger, wilder,
Doch innerlich kühl und stolz.
Sie aber wandelt durch Sphären
Von Seufzern und wirft ihr Licht,
Ihr sanftes, freundliches Licht
Auf die nimmer trocknenden Zähren
Im gramvollen Erdengesicht.
Und kommt durch das Sternbild des Löwen
Und weist uns den Weg zum Glück,
Den Weg durch Lethe zum Glück
Und kommt durch die Höhle des Löwen,
Erwärmt uns mit Ihrem Blick,
Mit ihrem liebenden Blick.
Da sah ich Psyche erschaudern.
Sie sprach: Ich trau’ ihr nicht,
Ich trau’ dieser Blässe nicht.
O komm, o laß’ uns nicht zaudern,
Ich fürchte dies weiße Licht,
Dies weiße, flackernde Licht.
Eine Angst, unbeschreiblich, unsäglich
Durchbebte sie, während sie sprach,
Während so hastig sie sprach,
Sie schluchzte und schleppte kläglich
Ihre Schwingen am Boden nach,
Die Schwingen im Staube nach.
Ich erwiderte: Du siehst Gespenster,
Laß uns tauchen in dieses Meer,
Dies krystallene, leuchtende Meer,
Sein Raum ist ein unbegrenzter,
Sieh nur, hin wogt es und her,
Es zittert und wogt hin und her,
Es strahlt und fluthet im Blauen
Mit wahrhaft sybillischer Pracht,
Glaub’ nur, wir dürfen ihm trauen,
Es leuchtet uns durch die Nacht,
Wir dürfen dem Wegweiser trauen,
Denn er leuchtet zu Gott durch die Nacht.
So suchte ich sie zu beschwicht’gen
Und küßte sie brüderlich warm,
Ich küßte sie zärtlich und warm,
Und ich sah ihre Angst sich verflücht’gen
Und wir eilten voran Arm in Arm.
Durch dunkle Cypressenalleeen
Und athmeten ihren Duft –
Da blieben wir plötzlich stehen
Vor der Thüre zu einer Gruft,
Zu einer mystischen Gruft.
Und ich sprach: Was sagt dieser stumme,
Bedeutsame Mund von Stein?
Da erwiderte sie: Ulalume –
Hier ruht Ulalumens Gebein,
Deiner Ulalume Gebein. –
Da ward stumpf mein Herz und ohnmächtig,
Und wie die Blätter verdorrt,
Wie die Blätter welk und verdorrt.
Ja, Oktober war es und nächtig,
Rief ich aus und an diesem Ort,
Ich erkenne deutlich den Ort.
Am Teich erging sich ein blasser,
Hohläugiger, grinsender Schwarm,
Und ich irrte an diesem Wasser
Eine schaurige Bürde im Arm,
Ein kalte Bürde im Arm. –
Die Wolken thürmten sich mächtig,
Die Blätter waren verdorrt.
Es war Oktober und nächtig
An einem unseligen Ort.