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Jesuitenriecherei

Jesuitenriecherei. Nach Gomberts Nachweis in der ZfdW. 7, 5 ff. ein von Zimmermann 1788 geprägtes Schlagwort, das die Sucht, überall Umtriebe der Jesuiten zu wittern, brandmarken soll und wohl, wie vermutet wird, an das Scheltwort Kaffeeriecher oder auch Kaffeeschnüffler angelehnt ist. So nannte man während der letzten Jahrzehnte der Regierung Friedrichs des Großen die verhaßten Spürbeamten, welche besonders in Berlin zu kontrollieren hatten, dass die Bürger ohne den staatlich verlangten Brennschein keinen Kaffee brannten. Zimmermann setzte den Ausdruck in seinen „Unterredungen mit Friedrich dem Großen“ (1788) S. 87 f. sofort mit größtem Nachdruck in Kurs: „Jesuitenriecherei oder Argwohn einer unter der Herrschaft und Leitung unbekannter Obern allenthalben, unsichtbar wie die Pest, im Finsteren schleichenden Allmacht; der Argwohn eines jetzt mehr als jemals großen Kitzels zur Verbreitung des Katholizismus; der Argwohn einer, vorzüglich izt, unwiderstehlichen Begierde zum Anlocken protestantischer Fürsten unter die reizende Schürze der Römischen Kirche — dies alles ist die Erfindung eines Herrn Leuchsenring.“ Ferner S. 88: „Durch diese von scharfen und modischen Nasen nun allgemein geübte Jesuitenriecherei entstand die vermessene und schändliche Lüge, der Prinz Friedrich Ludwig Karl von Preußen, zweiter Sohn des Königs, sei bei der Koadjutorwahl in Mainz in Vorschlag gebracht! Aus dieser Jesuitenriecherei entstand die Mähre, der König in Schweden sei katholisch! Aus dieser Jesuitenriecherei entstand die schändliche Lüge, man wolle den Erbprinzen von Weimar in der katholischen Religion erziehen! Aus dieser Jesuitenriecherey entstand der Stockdumme … Schnickschnack, die Fürstinn von Dessau … habe in Zürich unter Lavaters Leitung die katholische Religion angenommen.“

Das Schlagwort fand eine ungewöhnlich große Resonanz. Besonders berüchtigt war Berlin als Sitz dieses Treibens, wo Nicolai im Verein mit den Herausgebern der Berliner Monatsschrift Gedike und Biester sich als Jesuitenriecher bekannt machte. Daraus zielt u. a. Kotzebues Pamphlet „Doktor Bahrdt mit der eisernen Stirn“ (1790) S. 88:

„Eure grossen Untersuchungen,
eure gewaltigen Aufklärungen,
die ihr ausposaunt mit mächtigen Lungen,
eure Jesuiten-Riecherey,
das ist das große Windey,
woraus ihr euch viel zu gute thut.“

Eine Flut von Nachahmungen zeigt die nachhaltige Wirkung des Ausdrucks. Schon in der Julinummer 1788 bemerkt die Berliner Monatsschrift S. 34: „Ich fürchte aber, Herr von Zimmermann sieht den Deismus, auch wo er nicht ist, welches man mit einem ihm abgeborgten Ausdruck Deistenriecherei nennen könnte.“ Dann schreibt Kästner (Ges. poet. und pros. Werke, Berlin 1841) 3, 177 im Jahre 1793: „Tätigkeit, wenn ich ein Wort nach eines berühmten Gelehrten Jesuitenriecherei bilden darf, durch Aufruhrriecherei zu zeigen.“ Gombert belegt ferner „Jakobinerriecherei“ aus dem Deutschen Merkur (1799) 2, 168.

Andererseits berichtet Lavater 2, 167 (1793) über die mannigfaltigen Angrisse, denen der duldsame katholische Theologe Jos. Mich. Sailer ausgesetzt war: „Das Absurdeste ist, dass sich die Jesuitenriecher mit diesen schändlichen Geistern verbinden, ihn, den kindlichsten aller Menschen, dem Jesuitismus und Antijesuitismus verdächtig zu machen …. O Erbärmlichkeit eines Zeitalters, wo jesuitische und jesuitenriechsame Geister zu einem so lieblosen, so schändlichen Zwecke sich vereinigen!“ „Demagogen-Riecher“ erwähnt Freih. v. Auffenberg 20, 66 (1813). Vgl. auch ZfdW. 5, 114 und Sanders 2, 753 c, sowie Ergb. S. 423.

Eine besondere Reihe Varianten regt Voß an, indem er die Berliner Konsistorialräte Hermes und Hilmers, welche zur Prüfung der Rechtgläubigkeit der Pastoren wie der hallischen Professoren gesandt wurden, als Glaubensschnüffler bezeichnete. So schrieb er am 10. Juni 1794 an seine Ernestine mit Genugtuung: „Die Studenten in Halle haben es gar trefflich gemacht. Den ersten Abend haben sie die Glaubensschniffler mit einem einfachen Pereat begrüßt.“ Gombert erinnert weiter an Jahns Vorbericht zu seiner Turnkunst, wo es heißt: „Arge Wortschnüffler und Schleichwarenriecher witterten hier gleich verbotenen Schmuggel und verdammten das echtdeutsche und turnierfähige Turnen geradezu als französisches Erzeugnis, ohne sich an seinen Sprachstempel und Urschein zu kehren.“ Weiter bemerkt Jahn 2, 811 (1837) gegen Leo: „Dergleichen Dünkriche, Gesichtleser, Seelenschnüffler und Gemütsriecher.“

Aus allen diesen Ausdrücken klingt deutlich der Unwille über mehr oder minder verwersliches Spionier- und Denunziantenwesen heraus.