Johannistrieb
Johannistrieb, diese botanische Bezeichnung erneuter Vegetationstätigkeit im Sommer wurde wohl durch Paul Lindaus vieraktiges Schauspiel Johannistrieb weiteren Kreisen geläufig und entwickelte sich rasch zum ironisch-scherzhaften Stichwort für späte Liebesregungen. In dem 1878 erschienenen Stück selbst wird das Wort ohne jede spöttische Schattierung angewendet. Der Johannistrieb der Liebe wird dem jungen Märztrieb als etwas ungemein Poetisches und Trostreiches gegenübergestellt. S. 99 wird die Übertragung mit den Worten begründet: „Johannistrieb nennt man den zweiten Austrieb der Bäume und Pflanzen, der oft um die Zeit des Johannistags auftritt, besonders wenn die Bäume im Frühjahre durch Frost oder andere feindliche Einwirkungen ihren ersten Blätterschmuck eingebüßt haben, und sich dann nach warmer Witterung wieder Regen einstellt …. Dann erwacht der Baum, dessen Leben erloschen schien, gleichsam zu einem zweiten Frühling, schmückt sich mit einer neuen Laubkrone, und die treibende Gewalt, die dieses etwas späte, aber darum nicht minder heitere und schöne Wiedergrünen verursacht, nennt man den Johannistrieb.“
Natürlich ist das Wort, aber auch die bildliche Verwendung schon älter, wie Sanders, Ergb. S. 577 lehrt. Vgl. u. a. bei Rückert, Ges. Ged. 6, 302 (1838) ein Mailied, welches betitelt ist „Die Johannistriebe“. Davon lautet die erste Strophe:
"Ihr späten Triebe, die ihr jetzt
Die frühverdorbenen schön ersetzt,
Euch, ihr Johannistriebe,
Vergleich ich meine Liebe.“
Doch scheint eben erst Lindau dem Ausdruck seine Schlagkraft verschafft zu haben. Bierbaum, Pankr. (1896) S. 243 und 245 wettert: „Da ist dieses verfluchte Wort: Johannistrieb.“