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Liberal

Liberal, ein aus dem Spanischen nicht lange nach den deutschen Freiheitskriegen in der modernen Bedeutung entlehntes politisches Schlagwort. Es bezeichnet als solches die im staatlichen oder im bürgerlichen Leben betätigte freiheitliche und fortschrittliche Gesinnung. Das Wort selbst war freilich im Deutschen schon beträchtlich länger vorstanden.

Obwohl nun Littré 2, 1:293 den spezifisch politischen Sinn bereits bei Chateaubriand (1802) und bei Madame de Stael (1807) nachweist, so ist doch der Ausdruck als bestimmter Parteiname erst 1812 von den spanischen Konstitutionellen ausgeprägt worden. Deswegen rühmt Börne 5, 352 mit gutem Grund: „Die europäische Menschheit wird einst Spanien Vieles zu verdanken haben, und käme zu der alten Schuld auch Nichts hinzu, und hätte sie ihm auch Nichts zu verdanken, als das Wort liberal, das 1812 in den Cortes aufgekommen: ein Wort, das den Geist der Zeit verkörpert hat".

Doch dringt dies Schlagwort erst im dritten Jahrzehnt im Deutschen wirklich durch. Vgl. Meyer S. 38 f., sowie Görres 4, 263 (1821): „Die Entzweiung der Servilen und Liberalen, wie man sie zu nennen pflegt, .. Die Ersten lassen überall die Pflicht, als das absolut Bedingende, das Recht und die Autorität, die da gebietet, jede persönliche Freiheit, die gegenwirken will, ausheben und vernichten.“ Derselbe Schriftsteller spricht auch mehrfach vom Liberalismus, z. B. 5, 135 und 137 (1822—23).

Aus dem nächsten Jahrzehnt notiere ich beispielshalber Laube, Das neue Jahrhundert 2, 1 (1833): „Liberal bin ich, aber zu den Leuten, die sich die Liberalen nennen, will und werde ich nie gehören.“ Um dieselbe Zeit äußert sich Mundt, Moderne Lebenswirren (1834) S. 29: „Es gibt in allen Perioden gewisse Individuen, die man vorzugsweise Zeitindividuen nennen könnte. sie müssen reden, singen, tanzen, jubeln und sich auf den Kopf stellen, damit man weit und breit erfährt, dass große Ereignisse zur Welt kommen. Sie sind die kapitolinischen Gänse, die das Vaterland durch Geschrei retten; sie sind, mit einem Wort, Zeitindividuen, sie sind Liberale.“

Auch bei den deutschen Verfassuugskämpfen kommt der sogenannten liberalen Partei eine besondere Bedeutung zu. Als sie sich dann 1848 zum größten Teil zur demokratischen entwickelte, bezeichnete sich die gemäßigte Fraktion speziell als altliberale Partei. Auch die im Jahre 1866 gebildete nationalliberale Partei adoptierte wieder das alte Stichwort, nur dass sie es entsprechend modernisierte.

Die Schlagkraft des Wortes ist noch heute durchaus lebendig und bewährt sich täglich aufs neue in immer weiterer und freierer Verwendung. Von modernen Zeugnissen sei nur an einen Ausspruch Bismarcks, polit. Reden 5, 382 (1873) erinnert: „Der Herr Vorredner hat sich darüber beklagt, dass der „Liberalismus“ — ich bediene mich der Kürze wegen seines Ausdrucks — in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat. Ja, meine Herren, ich habe Ihnen das im vorigen Jahr … vorhergesagt, dass dies wahrscheinlich der Fall sein werde; es ist auch möglich, dass er noch mehr Fortschritte macht.“