Inder
Als die Inder Sprachwissenschaft zu treiben begannen, wurden sie durch die Umstände, insbesondere durch den veralteten Zustand ihrer kirchlichen Texte, zunächst auf die Wortbildung geführt, dann erst auf den Laut- und den Bedeutungswandel. Die griechische Sprachwissenschaft folgte auf die kindliche Metaphysik der Griechen, kümmerte sich zunächst um die logischen Verhältnisse der Wortarten und schuf so die Sprachlogik, welche wir noch heute Grammatik nennen. Als in neuester Zeit die Sprachwissenschaft wieder aufgenommen wurde, lagen für die Sprache wie für andere Kulturerscheinungen schon weiter zurückreichende literarische Denkmäler vor, und die Sprachwissenschaft konnte zugleich historisch und vergleichend werden. Weil nun ein Zufall (die englische Herrschaft über indische Völker nämlich) die Aufmerksamkeit dieser historischen und vergleichenden Sprachwissenschaft auf die Sprache der Inder lenkte und so auch deren alte Grammatik ans Licht brachte, wurden die Beobachtungen des ältesten Laut- und Bedeutungswandels neu entdeckt und mit den logischen, historischen und vergleichenden Versuchen verbunden. Aus diesem Gemisch besteht die gegenwärtige Sprachwissenschaft, die so überreich ist an hübschen und überraschenden Laut- und Wortgeschichten, die aber der Beantwortung der letzten sprachlichen Fragen auch nicht um einen Schritt näher gerückt ist. Alle Versuche, die ungeheure Menge von Tatsachen für eine Erkenntnis des Ursprungs von Sprachen und Völkern zu verwenden, sind nur Belustigungen des Verstandes und des Witzes. Und die Sprachwissenschaft kann gar nichts Besseres tun, als die alten Fragestellungen entschlossen aufzugeben und sich selbst als eine Hilfsdisziplin der jüngsten aller Wissenschaften zu betrachten, als die wichtigste Quelle der kaum noch begonnenen Psychologie.
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