Sprachwissenschaft und Logik
Wir nennen diese Erscheinungen, über welche uns die neue Sprachwissenschaft aufgeklärt hat, gern unlogisch. In Wirklichkeit ist aber unsere Logik stehen geblieben, während unsere Sprachkenntnis durch Sprachvergleichung unbefangener geworden ist. Wollen wir den Fehler vermeiden, die Begriffe einer veralteten Logik irrtümlich in eine neuere Sprachwissenschaft hineinzutragen, so müssen wir uns bemühen, auch die Denkgewohnheiten der verschiedensten Völker miteinander zu vergleichen. Und die Sprachwissenschaft könnte sich gar kein höheres Ziel setzen als den Versuch, eine vergleichende Logik aus sich selbst herauszubilden, die verschiedene Art möglichst genau zu beschreiben, in welcher sich die gleichen Gedanken bei weit entlegenen Völkern assoziieren. Freilich würde sich bei diesem Versuche sofort herausstellen, wie armselig unsere Kenntnis von dem Wortschatze und der Grammatik der meisten Sprachen noch ist. Das Ideal einer vergleichenden Logik wäre eine geordnete Sammlung derjenigen Gehirngewohnheiten, in welchen die verschiedenen Sprachen die Erinnerungen der Menschen und Völker festhalten und zur Reproduzierung bereit legen. Es ist mir fraglich, ob ein einzelnes Menschengehirn imstande wäre, diese Arbeit zu leisten. Ist es schon schwer, außer in seiner Muttersprache noch in einer Sprache mit ähnlicher Logik denken zu lernen, so ist es vielleicht unausführbar, sich die Denkgewohnheiten etwa der Chinesen oder der Indianer wirklich bis zur Gebrauchsfähigkeit anzueignen. Wahrscheinlich müßten dazu für jede Sprache andere Nervenbahnen (ganz abgesehen von dem verschiedenen Sprachmaterial) eingeübt werden. Wenn aber auch die Wissenschaft der vergleichenden Logik es niemals über kümmerliche Anfangsgründe hinausbringen sollte, so kann doch nicht mehr bezweifelt werden, dass unsere, auf dem Satzgebilde der indoeuropäischen Sprachen aufgebaute Logik nicht die einzig mögliche Logik ist.
* * *