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Idylle

Das war damals, als General Noske uns das Telefon sperrte. Alle öffentlichen Einrichtungen feierten: die elektrische Straßenbahn und die Stadtbahn und die Omnibusen und jenes Telefon – nur die Wasserspülung verband uns noch mit der übrigen Menschheit. Und doch: es war eine himmlische Zeit!

Frühmorgens stand ich auf, der beblümte Schlafrock schlurchte um meine Beine, die lange Pfeife hielt ich fröhlich paffend waagerecht, und dann begoß ich meinen Gummibaum. Ein liebes Bäumchen, aus Sachsen und sanftmütig wie eine echte Balme. Kein Telefon. Ich aß Brotschnitten mit Schleichhandelsbraten drauf, stocherte etwas im Ofen, steckte die Nase in die Küche und wurde von Adelgunde wieder herausgefegt – kein Telefon. Der Postbote kam nicht – unten ging eine Postbötin und schlenkerte mit den Armen, so nach der Melodie: Der Mensch ist frei geboren, ist frei –! Und kein Telefon. Wenn es klingelte, so war es Frau Nachbar Guhlke, die sich erkundigte, ob wir auch alle Blumenvasen (sie drückte sich wuchtiger aus) voll Wasser gelassen hätten, und kein Telefon! Niemand klingelte an: Claire, das süße, wenngleich alte Mädchen nicht, nicht der Herausgeber, der aber schleu … nigst ein prima lyrisches Gedicht auf Ludendorffen erheischte – kein Telefon. Meeresstille und glückliche Fahrt!

Ich lag der Länge nach auf dem Sofa und las. Was muß in diesem gottverlassenen Steinloch geschehen, damit unsereiner Wilhelm Raabe zu sich nehmen kann? Generalstreik. Und ich las von Gedelöcke, den sie dreimal beerdigt haben, und vom ›Marsch nach Hause‹, und wie der alte schwedische Sergeant im Brandenburger Moor stecken blieb …

Hölle und Teufel –! So fluchte der Sergeant, aber so fluchte auch ich. Was war das? Ein rasselndes, rostiges Geräusch … Verdammt! »Hier Panter.« – »Großpapa! Hurra! Man kann wieder telefonieren!« Und los gings.

O schöne Zeit –! O selge Zeit –! Und ich klappte seufzend meinen Raabe zu und wartete, auf den nächsten Generalstreik.

Peter Panter
Die Weltbühne, 10.04.1919, Nr. 16, S. 424.