In Zivil
Du gehst auf ein Amt, auf ein militärisches Amt, da üben die Offiziere ihren Dienst in Zivil aus. Ei! was kommen da für Gesichter zum Vorschein! Wie sehen die Leute auf einmal so anders aus! So – bedeutungslos; langweilige, nichtssagende, geistlose Gesichter. Zerblasen ist die Gottähnlichkeit, dies absolut sichere Gefühl, zu den ›Kerls‹ jederzeit grob werden zu können; verschwunden die olympische Würde, die lächerliche Gockelanmaßung, die hohe Nase. Hier siehst du noch die Trümmer rauchen …
War das alles? Ist mit den Achselstücken der ganze Nimbus hin? Von solchen Knaben haben sich Deutsche, Landsleute, Männer beherrschen und ducken lassen? Denn ein Tyrann ist nicht, wenn die Masse nicht geduldig stillhält.
Und wie hat sie still gehalten! Das Herz blutete einem im Leibe, wenn man die vier Jahre das mitansah: junge Herren, kaum der Schulbank entwachsen, hatten eine Art, zu ihren deutschen Kameraden zu sprechen … Kameraden? Es waren ja nur Soldaten. Ältere Herrschaften bevorzugten wieder mehr das Nerohafte: furchtbar wie ein Gewittersturm durchbrauste der Hauptmann die Kompanie. (Und es waren meist die Herren der Reserve, die sich so schändlich aufführten, wir haben alle lieber unter aktiven Offizieren gestanden.)
Dahin, dahin. Jetzt sitzen sie in Zivil trübsinnig da und verrichten trübsinnig ihre Arbeit; sie können nicht mehr brüllen, nicht mehr rasen, nicht mehr wüten: es macht ihnen keinen Spaß. Kleider haben Leute gemacht, aber keine Männer.
Soll das besser werden? Wollen wir anders werden?
An der Wand, im Amt, wo sie in Zivil hocken, hängt ein Bild: eine scheußliche Zeichnung aus den wogenden Tagen des vierzehnten Augusts. Soldaten ziehen in die Schlacht, Frauen, Girlanden … und darunter ein Text mit Musiknoten, wahrscheinlich ein Marschlied, gedichtet von einem Reklamierten für die da draußen. Und einer im Büro hat seinen Stempel auf dem Blatt probiert, und nun steht oben in der Ecke, groß und rot und deutlich:
Erledigt.
Ignaz Wrobel
Berliner Tageblatt, 05.12.1918, Nr. 623.