Das
sollte man jeder großen Schauspielerin sagen: dass sie die gefährlichste Rivalin an sich selbst hat. Der Wiener Oscar Sachs, diese letzte Nestroyfigur, hat einst folgenden Ausspruch getan: »Mir hat geträumt, dass i auf einem großen Friedhof umhergeh, und dort liegen alle, alle Komiker – und i spazier da ganz allein –!« Nur Komiker haben noch diese Naivität der Ausschließlichkeit, die sonst Frauen vorbehalten ist. Was also tut eine Schauspielerin, die es zu etwas gebracht hat –?
Sie achtet mit minutiöser Sorgfalt darauf, dass keine, keine neben ihr besteht. Sie beißt sie alle weg: die Schönen, die Begabten, die Grotesk-Komischen, die Langbeinigen, die Beliebten – Nacht muß es sein, wo Fräulein Friedlands Sterne strahlen, und so hat fast jeder weibliche Star eine Wüste um sich, darinnen sie das Oäslein. Denn dies ist der erste Regierungsakt, den sie tut: den Regisseur, den Direktor, den Geldmann zu veranlassen, im selben Stück keine Kollegin zu beschäftigen, die vielleicht auch gefallen, interessieren, Erfolg haben könnte … Sie verbietet es. Er darf es nicht. Und wir langweilen uns.
Ich sehe niemand an, denn es ist wenig unterhaltsam, in diese Schlinggewächse des Klatsches zu steigen, auch ist es gar nicht wichtig. Das Theater aber lamentiert, es werde nicht mehr so beachtet wie früher – tragen diese Frauen nicht einen Teil der Schuld, die sonst die Zeit auf sich nehmen mag –? Wollen wir den ganzen lieben langen Winter nur Frau Pietsch und noch einmal Frau Pietsch und nichts als Frau Pietsch sehen? Wie rasch nutzt sich ihr Ton ab, wie schnell wird er blechern, auch das Ohr ist eines Tages übersättigt. Qualvoll diese Augenblicke, wo der Star nicht auf der Bühne steht, nervenzerpflückend das kindische Geplapper sechster Größen, die gerade noch auftreten dürfen … Und das alles, weil SIE diese törichten Filmmanieren eingeführt hat: »Adam, Eva und die Schlange? Die Titelrollen spiele ich!« Wie schlau, wie fein kalkuliert, wie dumm!
Laß dich nicht tyrannisieren, Direktor. Bleibe hart, Regisseur! Enteile dem Schlafzimmerzauber, glaub nicht an den Kritiker im Bärtchen, gib nicht nach. Stich dem Star den Star: gib uns die fruchtbare Vielweiberei, die Vielgötterei, das Ensemble.
Peter Panter
Die Weltbühne, 15.03.1927, Nr. 11, S. 434,
wieder in: Mona Lisa.