Verdünnung; Verjüngung. (Baukunst) Es ist eine von alten und neuen Baumeistern angenommene Regel, dass die Säulen nicht durchaus gleich dike, sondern gegen das obere Ende zu etwas verdünnet sein sollen. Der Ursprung dieser Regel ist in der ältesten Bauart zu suchen, da man die Säulen von unbearbeiteten Stämmen der Bäume gemacht hat, die allemal in der Höhe etwas dünner sind als an dem Boden. Da man aber bemerkt hat, dass die Verdünnung der Säule etwas Annehmlichkeit gibt, hat man sie zur Regel gemacht. Diese Vermutung von dem Ursprung der Verdünnung wird noch dadurch bestätiget, dass man sie nicht bis auf die Wandpfeiler erstreckt hat. Diese wurden aus bearbeiteten Baumstämmen gemacht, die vierkantig gezimmert und dadurch überall gleich dick wurden.
Es ist vielleicht kein anderer Grund als dieses ungefähr davon anzugeben, dass die Pfeiler nicht verdünnet werden. Denn in dem Gefühl der Schönheit kann dieser Unterschied schwerlich gegründet sein, da er vielmehr eine widrige Wirkung hervorbringt. Wer ein mit einer Säulenlaube versehenes Gebäude gerade von vorne ansieht, dem muss der Übelstand, der daher entsteht, in die Augen fallen, da die Stämme der den Säulen entgegenstehenden Pilaster oben über die Säulenstämme heraustreten.
In der Art der Verdünnung kommen die Baumeister gar nicht mit einander überein. Einige dorische Säulen aus der ältesten Zeit und verschiedene Ägyptische von Granit, sind gleich vom Fuß an verdünnet, und Kegelförmig; die meisten Baumeister aber machen die Säule bis auf den dritten Teil ihrer Höhe gleich dik; einige Neuere haben ihnen eine doppelte Verdünnung oder Bauchung gegeben, wodurch sie auf dem dritten Teil der Höhe am diksten werden, von da aber, sowohl nach oben, als nach unten zu, sich verdünnen.
Vitruvius ist ungemein ängstlich in Angebung der Regeln der Verdünnung und führt fünferlei Maßen davon an, nach Verschiedenheit der Säulenweiten, und der Höhen. Scammozzi hat das Herz gehabt zu sagen, dass dieses Kleinigkeiten seien, die eine so ängstliche Beobachtung der Regeln nicht verdienen und darin stimmt ihm auch Goldmann bei. Die Art dieses Baumeisters ist diese, dass er den Stamm bis auf den dritten Teil der Höhe gleich dick macht, von da ihn so abnehmen lässt, dass das Verhältnis der untern Dicke zu der oberen in den niedrigen Ordnungen, wie 5 zu 4, in den Höhen wie 6 zu 5 wird. Die meisten neueren Baumeister nehmen dieses letztere Verhältnis für gar alle Säulen an.
Die Art der Verdünnung, welche fast durchgehends angenommen ist und die den Säulen eine schöne Form gibt, besteht darin, dass sie nicht nach einer geraden, sondern krummen Linie geschieht, deren Zeichnung nach den Regeln verschiedener Baumeister mehr oder weniger mühesam ist.