Phaethon

 

Also endigte Sol die Ermahnungen. Jener verschmäht sie,

Hält den beschlossenen Zweck, und glüht in Begierde des Wagens.

Als nun, was er gekonnt, Sol zauderte, führt' er den Jüngling

Hin zu dem hohen Geschirr, dem vulkanischen Ehrengeschenke.

Lauteres Gold war die Achs', und Gold die Deichsel, und Gold auch

Üben dem Rade der Kranz; die geordneten Speichen von Silber.

Chrysolith' um das Joch, und funkelnde Stein in der Ordnung,

Spiegelten hell den Phöbus in widerstrahlender Klarheit.

Während Phaethon dies voll Mut anstaunt', und die Arbeit

Musterte; siehe, da öffnet', erwacht im rötlichen Aufgang,

Schon Aurora das purpurne Tor, und den rosenbestreuten

Vorhof. Schleunig entfliehn die Gestirn', und es treibet den Heerzug

Lucifer, welcher zuletzt abzieht von der Wache des Himmels.

 

Aber sobald der Vater die Erd' und den Himmel erröten

Sah, und schwinden am Rand die erblassenden Hörner der Luna;

Schnell zu schirren die Rosse gebot nun Titan den Horen.

Schnell ist vollbracht das Gebot: die feuerschnaubenden Renner,

Mit Ambrosiasaft an erhabenen Krippen gesättigt,

Führen die Göttinnen her, und legen die klirrenden Zäum' an.

 

Jetzo berührt der Vater mit heiliger Salbe das Antlitz

Seines Sohns, und stärkt es, die reißende Flamme zu dulden.

Hierauf krönt er mit Strahlen sein Haar, und aus innerstem Herzen

Bang' aufziehend des Grams vorahnende Seufzer, beginnt er:

 

Magst du, wenigstens hier, die Ermahnungen hören des Vaters;

Meid', o Knabe, den Sporn, und kräftiger brauche die Zügel!

Selbst schon eilen sie fort: sie im Flug zu hemmen ist Arbeit.

Auch nicht wähle die Bahn durch fünf gradlaufende Gürtel.

Schlängelnd windet sich schräg ein breitgebogener Querweg,

Welcher, auf drei der Zonen den Lauf einschränkend, die Kreisung

Meidet des südlichen Pols, und der nördlich stürmenden Bärin:

Dort sei die Fahrt; du erkennst die deutlichen Spuren des Rades!

Und daß Himmel und Land gleichmäßige Wärme gewinnen,

Senke du weder den Wagen, noch schwing ihn empor in den Äther.

Allzu hoch verbrennst du der Himmlischen wölbende Wohnung,

Aber zu tief die Länder; am sichersten gehst du im Mittel.

Daß dir weder zur Rechten, wo weit die Schlange sich windet,

Noch linksab zum gesenkten Altar ausbeuge der Wagen,

Halt' durch beide den Strich. Des übrigen walte Fortuna,

Die mit besserem Rat, als du, dir helfe: das wünsch' ich!

Während ich rede, berührt am hesperischen Ufer die Säulen

Schon die Leuchtende Nacht, und verbeut uns längere Säumnis.

Auf denn, es gilt! Dort strahlt aus zerstreuetem Dunkel Aurora!

Fass' in die Hand das Geriem! Doch falls du lenkbaren Herzens

Bleibst, nimm unseres Rates, und nicht des Wagens, Gebrauch an:

Weil du es kannst, und fest auf gediegenem Boden noch dastehst,

Eh' du, nach törichtem Wunsch, auf der Achs', Unkundiger, schwebest!

Anschaun magst du es sicher, doch mich laß leuchten dem Erdkreis!

 

Aber im Sprunge besteigt den ätherischen Wagen der Jüngling,

Steht nun empor, und berührt mit der Hand die gegebenen Zügel

Fröhlich, und dankt von oben dem ungern schenkenden Vater.

Doch die geflügelten Rosse, der Pyroïs, und der Eous,

Äthon zugleich, und Phlegon, erfüllen die Luft mit Gewieher

Flammenden Hauchs, und schlagen die Huf' an die hemmenden Barren.

 

Als nun zurück die Barren, das Los mißkennend des Enkels,

Tethys drängt', und der Raum unermeßlicher Himmel sich auftat,

Raffen sie schleunig den Weg, und die Luft mit den Füßen durchstampfend,

Spalten sie dick vorstehend Gedünst, und auf hebenden Flügeln

Rennen sie mutig voran dem zugleich ausstürmenden Ostwind.

Doch leicht war das Gewicht, und ganz unkennbar dem edlen

Sonnengespann; es gebrach an gewohnter Schwere des Joches.

Wie der gebogene Kiel hinschwankt mit dürftiger Ladung,

Und von zu leichtem Gewicht unstet durch die Wellen umhertreibt:

Also, der vorigen Last entlediget, sprang in die Luft nun

Hüpfend in Stößen empor, wie mit eiteler Leere, der Wagen.

 

Aber sobald dies merkte das Viergespann, da entstürzt es

Wild dem gebahneten Raum, nicht laufend in voriger Ordnung.

Jener erschrickt, ratlos die gewirreten Zügel zu lenken,

Und unkundig des Wegs, und kennt' er ihn, doch des Befehles.

Jetzo zuerst erwärmten die frostigen Stiere des Wagens,

Und versuchten umsonst in verbotene Flut sich zu tauchen.

Auch die Schlange, die dicht am beeiseten Pole sich lagert,

Träg' in der Kälte zuvor, harmlos, und fürchterlich keinem,

Ward nun erwärmt, und schwoll zu neuem Zorn in der Glut auf.

Du auch, melden sie, flohst in zerrüttender Angst, o Bootes,

Langsam, wie du auch warst; dein Wagen nur zwang dich zu bleiben.

 

Doch als Phaethon jetzt, der Elende, hoch aus dem Äther

Niederschaut' auf die Lande, die tief, tief unten sich streckten,

Blaß nun ward sein Gesicht, und ihm zitterten plötzlich die Kniee;

Und in des Urlichts Glanz umzog ihm Dunkel die Augen.

Hätt' er doch nie, so wünscht er, des Vaters Rosse berühret!

Hätt' er doch nie erkannt sein Geschlecht, noch gewagt die Erkundung!

Merops Sohn zu heißen genügt! Es entrafft die Gewalt ihn,

So wie die Bark' hinstürmet der Boreas, wann sie entzügelt

Treiben ihr Steuerer läßt und Göttern vertraut und Gelübden.

Was zu tun? Viel hat er zurückgelassen des Himmels,

Doch vor den Augen ist mehr: sein Herz mißt dieses und jenes.

Vorwärts bald, wohin sein Schicksal verbeut zu gelangen,

Schaut er zum Untergang, bald rückwärts schaut er zum Aufgang.

Sonder Entschluß nun stutzt er, und senkt so wenig die Zügel,

Als er sie strengt; auch die Namen der fliegenden Rosse vergaß er.

Jetzt am gesprenkelten Himmel umhergestreuete Wunder

Schaut er voll Angst, und Gestalten des ungeheuren Gewildes.

Dort auch krümmt zwei Arme der Skorpion in geschweiften

Windungen: hinten ein Schwanz, und vorn ausstreckend die Scheren,

Füllet er ganz mit dem Leibe den Raum zwei himmlischer Zeichen.

Kaum erblickte der Knabe das Scheusal, feucht von dem Schweiße

Dunkelen Gifts, und Wunden mit stechender Krümmung ihm drohend,

Sinnlos ließ er in kältender Angst hingleiten die Riemen.

Als die gesunkenen nun des Rückens Fläche berührten;

Schweifen die Rosse dahin und gehn, da keiner sie hemmet,

Durch einöde Bezirke der Luft: wie das wilde Gelust führt,

Stürzen sie ohne Gesetz; schon sprengen sie hoch in den Äther

Zwischen geheftete Stern', und es rollt das Geschirr in die Wildnis.

Bald durchfliegen sie Höh'n, und bald abschüssige Strecken,

Niedergestürzt, und durchjagen die Gegenden nahe der Erde.

Luna sieht mit Erstaunen, wie unter dem ihrigen jetzo

Läuft des Bruders Gespann, und es dampfen gesengt die Gewölke.

 

Feuer ergreift nacheinander die ragenden Höhen der Erde;

Tief zerspaltet das Land, und die nährenden Säfte versiegen;

Falb verwelket das Gras, und es knattert der Baum mit den Blättern;

Und sich selbst ist die trockene Saat ein verwüstender Zunder.

Kleines annoch! Es vergehn hochtürmende Städte mit Mauern;

Ganze Völker sogar mit Stämmen zugleich und Geschlechtern

Wandelt in Asche der Brand; und Waldungen glühn mit Gebirgen.

Athos brennt, und Taurus, es brennt der Tmolus, und Oeta,

Auch, nun trocken, zuvor voll strömender Quellen, der Ida;

Helikons Jungfrauhöh', und der künftig öagrische Hämos.

Ätna brennt, unermeßlich die Feuersbrünste verdoppelnd,

Eryx, und Cynthos, und Othrys, und, zwiefaches Haupts, der Parnassus,

Rhodope auch, nun endlich des Schnees entbehrend, und Mimas;

Dindyma brennt, und mit Mykale brennt der umschwärmte Cithäron.

Nicht auch rettet der Frost dich, Szythia: Kaukasus brennet;

Ossa zugleich mit Pindus, und, hoch vor beiden, Olympus;

Luft'ge Alpen zugleich, und der wolkige Apenninus.

 


 © textlog.de 2004 • 04.12.2024 10:02:21 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright