Dreizehntes Buch.
Ajax und Ulysses
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Als sich die Fürsten gesetzt, und der Kreis des Volkes umherstand,
Hebt sich Ajax, der Held des siebenfältigen Schildes.
Und wie den Zorn sein Herz nie bändigte, wendet er düster
Auf den sigeïschen Strand, und die Flott' am Strande das Antlitz;
Dann ausstreckend die Händ'; o Jupiter, ruft er, ich streite
Hier vor den Schiffen um Recht, und mir vergleicht sich Ulysses!
Doch nicht zweifelte jener vor Hektors Flamme zu weichen,
Die ich allein aushielt, die ich von der Flotte hinwegtrieb.
Sicherer ist es demnach, in gebildeten Worten zu hadern,
Als mit der Hand zu kämpfen. Doch mir ist weder die Rede
Leicht, noch jenem die Tat. Soviel ich schaffen im Kriegsraum
Kann, und in offener Schlacht, soviel kann jener im Sprechen.
Doch nicht brauch' ich mein Tun vor euch zu erzählen, Pelasger,
Mein' ich; ihr sahet es ja: das seinige meld' uns Ulysses,
Was unbezeugt er verübt, was allein mitwissend die Nacht sieht.
Zwar ist groß, den ich fordre, der Preis; doch der neben mir fordert,
Nimmt ihm den Glanz. Nicht macht es den Ajax stolz, zu erlangen,
Sei es auch überschwenglich, was mitgehoffet Ulysses.
Jener erlangte den Preis schon jetzt in dieser Entscheidung,
Wo er, sogar auch besiegt, als mein Mitkämpfer genannt wird.
Ich indes, wenn die Tugend in mir zweideutig erschiene,
Ragete doch durch edle Geburt, von Telamon stammend,
Der die trojanische Stadt mit dem tapferen Herkules einnahm,
Und an der Kolcher Gestad' anlandete samt dem Jason.
Ihm ist Äakus Vater, der dort die schweigenden Schatten
Richtet, wo schweres Gestein den äolischen Sisyphus lastet.
Aber als Sohn erkennet den Äakus selbst der erhabne
Jupiter an: so ist der Dritte von Jupiter Ajax.
Doch nicht sollen die Ahnen den Streit mir gewinnen, Achiver;
Hab' ich sie nicht mit Achilles, dem hochbeherzten, gemeinsam.
Bruder war mir der Held: mein brüderlich Erbe verlang' ich.
Was will Sisyphus' Sohn, an Trug und Ränken ihm ähnlich,
Durch fremdartige Namen den Stamm des Äakus fälschen?
Weil ich zuerst zu den Waffen, und ohn' Anzeiger geeilt bin,
Werden mir Waffen versagt? und den Vorzug scheint zu verdienen,
Welcher zuletzt sie ergriff und lang ablehnte den Feldzug
Durch die erdichtete Wut, bis noch sinnreicher, denn jener,
Aber sich selbst unnützer, der Naupliade des Feiglings
Schlauen Betrug aufdeckt' und den Sträubenden zog zu den Waffen?
Es soll nehmen die Besten, der auch nicht einige wollte?
Ungeehrt und beraubt der blutsverwandten Geschenke,
Soll ich sein, der zuerst den Kriegsgefahren sich darbot?
Möchte doch wahr entweder der Wahnsinn oder geglaubt sein!
Wär' er doch nie ein Genoß zu der phrygischen Feste gekommen,
Er, der Frevel nur riet! Nie wärest du, Edler des Pöas,
Ausgesetzt an Lemnos' Gestad', uns allen zum Vorwurf!
Wo du jetzt, wie sie sagen, versteckt in umwaldeten Höhlen
Felsen bewegst mit Geseufz und dem Sohn des Laertes erflehest,
Was er verdient, was (Götter, o gebt's!) nicht umsonst du erflehest!
Jener nunmehr, der mit uns zu den selbigen Waffen geschworen,
Ach, der Fürsten ein Teil, dem selbst die Geschosse zum Erbe
Herkules gab: dort liegt er, geschwächt von Hunger und Krankheit,
Und umhüllt sich und nährt sich mit Luftgefieder; und Pfeile,
Troischen Herzen bestimmt, mißbrauchet er, Vögel zu fangen.
Gleichwohl lebt er annoch, weil nicht mit Ulysses er abfuhr.
Gern wär' auch Palamedes zurückgeblieben, der Arme!
Lebend wär' er; wo nicht, doch frei von Verleumdung gestorben.
Jener, zu eingedenk des übel enthülleten Wahnsinns,
Gab ihm Schuld der Achäer Verrat; und der falschen Beschuldung
Fand er Beweis, und zeigte zuvor vergrabenes Gold uns.
Teils demnach durch Verbannung entzog er Kraft den Achäern,
Teils durch Mord. So kämpft er und so ist furchtbar Ulysses!
Hätt' er an Rede sogar vor dem biederen Nestor den Vorzug,
Dennoch beredet' er nie, daß mir der verlassene Nestor
Nicht ein Verbrecher erscheine. Da laut den Ulysses er anrief,
Durch das verwundete Roß und ermüdendes Alter gehemmet,
Ward ihm Verräter der Freund. Daß nicht die Beschuldigung falsch sei,
Weiß gar wohl der Tydide, der oft ihn namentlich rufend
Tadelte, der vorrückte die ängstliche Flucht dem Genossen.
Ja, mit Gerechtigkeit schaun auf menschliche Dinge die Götter.
Siehe, es bedarf Beistand, der ihn weigerte; und ein Verlaßner
Sollt' er sein, der verließ; dies Urteil sprach er sich selber.
Aber er ruft den Freunden; ich komm', und den Bebenden seh' ich,
Blaß vor Angst im Gesicht und erschreckt vom nahenden Tode.
Vor ihn setzt' ich des Schilds Bollwerk, und den Liegenden deckt' ich,
Und erhielt ihm die Seel' (o klein ist der Ruhm!) dem Verzagten.
Wenn du bestehst auf den Streit, so laß dorthin uns zurückgehn.
Stelle den Feind und dich selber mit Wund' und gewöhnlicher Zagheit;
Schmiege dich unter den Schild: dort eifre mit mir um den Vorrang!
Als ich ihn jetzo entrafft; o schau, dem die Wunde zum Stehen
Kraft nicht ließ, wie gehemmt von keiner Wunde, so floh er.
Hektor erscheint und führt in den Kampf mitfolgende Götter;
Und wo er stürzt, da entbebst nicht du allein ihm, Ulysses,
Sondern die Tapferen auch: so viel trägt jener des Schreckens!
Den hab' ich, wie er stolz des blutigen Mordes einherschritt,
Fern auf den Rücken gestreckt mit der Last des gewaltigen Felsens.
Dem hab' ich, da er einen zum Kampf ausfordert', allein mich
Dargestellt: ihr weihtet mein Los mit Flehen, Achiver;
Und nicht umsonst war euer Gebet. Wenn ihr etwa das Schicksal
Dieses Kampfes erforscht: nicht ward ich besieget von jenem!
Siehe, mit Eisen, mit Glut, mit Jupiter stürmen die Troer
Gegen der Danaer Flotte! Wo nun der Redner Ulysses?
Ich mit der Brust bedeckte die tausend Schiffe, die Hoffnung
Euerer Wiederkehr! Für die Tausende gebt mir die Waffen.
Wenn mir Wahres zu reden vergönnt wird, größere Ehr' ist
Jenen beschieden, denn mir; und beider Ruhm ist vereinigt.
Ajax wird für die Wehr, nicht Wehr gesuchet für Ajax.
Stell' uns den Rhesus dagegen der Ithaker, und den entnervten
Dolon und Helenus auf, den er fing mit der heiligen Pallas!
Nichts ward bei Tage vollbracht, nichts ohne den Held Diomedes.
Wollt ihr einmal die Waffen verleihn so geringem Verdienste:
Teilet sie! und es empfahe den größeren Teil Diomedes!
Doch wie dem Ithaker sie? der heimlich immer und wehrlos
Kriegt und mit schleichendem Trug' unachtsame Feinde belistet!
Selbst der Schimmer des Helmes, der goldene Strahlen umherwirft,
Klärt Nachstellungen auf und verrät den duckenden Laurer.
Doch das dulichische Haupt wird unter dem Helm des Achilles
Solch ein Gewicht nie tragen; und nie unbelastend und unschwer
Kann die pelische Lanz' unkriegrischen Armen erscheinen;
Auch nie möchte der Schild, wie ein wölbender Himmel gemeißelt,
Fugsam sein der scheuen und Heimlichkeit übenden Linken.
Was doch begehrst du, Kecker, ein dich nur schwächendes Kleinod?
Wenn es dir mißurteilend das Volk der Achiver verleihn wird,
Trägst du zum Raub es hinfort und nicht zum Schrecken dem Feinde;
Und, wodurch du allein, Freiherziger alle besiegest,
Langsam wird dir die Flucht, wo die mächtige Tracht du umherschleppst.
Füge dazu, daß der Schild, der dem Kriegssturm selten sich ausstellt,
Dir unverletzt noch ist; und dem meinigen, den die Geschosse
Rings durchbohrt und gekerbt, ein jüngerer Folger gebühret.
Endlich wozu der Worte noch viel? Man zeige sich handelnd!
Unter die Feind' entsendet die Wehr des tapferen Mannes,
Daß wir sie dort abholen; und schmückt mit Gebrachtem den Bringer!
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