Zweites Buch.
Phaethon

 

Jupiters Sohn, wie man glaubt, war Epaphus, welchen ihm Io

Fern in Ägyptus gebar: wo, der Mutter gesellt, er in Städten

Tempel beherrscht'. Ihm war gleichalterig, gleich an Gesinnung,

Phaethon, stammend von Sol. Als der mit prahlender Rede

Trotz ihm bot, hochmütig des Vaters Phöbus sich rühmend,

Trug's nicht Inachus Enkel: Du glaubst doch, sprach er, der Mutter

Alles, o Tor; und blähst dich vom Schein des falschen Erzeugers.

 

Phaethon glüht' im Gesicht; doch hemmte den Zorn die Beschämung;

Und zur Klymene flog er, des Epaphus Lästerung meldend.

Daß du, o Mutter, es fühlst; sieh, redet er, ich Ungebundener,

Ich Auffahrender schwieg! Es beschämt, daß solcherlei Schmähung

Einer wie wir anhören, und nicht abfertigen konnte!

Doch du, wenn ich gewiß aus himmlischem Samen gezeugt bin,

Gib mir Beweis so hohen Geschlechts, und erhalt' mich dem Himmel!

 

Phaethon sprach's, und umschlang der Gebärerin Hals mit den Armen;

Und bei dem eigenen Haupt, und des Merops Haupt, und der Schwestern

Hochzeitfackel beschwur er, ihm wahr zu bezeichnen den Vater.

 

Klymene weniger nicht von Phaethons Flehn, wie vom Zorne

Aufgeregt der gehörten Beschuldigung, streckte die Arme

Beide zum Himmel empor; und das Licht der Sonne betrachtend,

Sagte sie: Ja bei dem Glanze der schimmernden Herrlichkeit oben

Schwör' ich dir, trautester Sohn, die uns anhöret und siehet:

Er dort welchen du schaust, er dort, der Ordner des Kreislaufs,

Zeugte dich, Sol! Ist Erdichtung mein Wort, dann weigere jener

Selbst sich mir; dann tag' es zuletzt heut unseren Augen!

Auch nicht lang ist die Mühe, den Vaterpalast zu erforschen;

Nahe grenzet das Haus, wo er aufsteigt unserem Lande.

Wenn ja das Herz dir gebeut; geh hin, und erkund' es von jenem!

 

Schleunig hüpft er empor, da der Zeugerin Red' er vernommen,

Phaethon, fröhliches Sinns, und faßt den Äther im Geiste.

Äthiopen, sein Volk, und von näheren Sternen entbrannte

Indier, strebt er hindurch, und ereilt Sols östliche Wohnung.

 

Königlich ragt' auf Säulen die Burg des Sonnenbeherrschers,

Hell von schimmerndem Gold' und feuerrotem Pyropus.

Elfenbein umhüllte mit Glanz den oberen Giebel;

Silbernes Licht entstrahlte des Eingangs doppelten Flügeln.

Aber den Stoff besiegte die Kunst. Denn Mulciber hatte

Dort des Ozeanus Gurt um den Rand der Erde gemeißelt,

Auch der Lande Bezirk, und das Dach des gewölbeten Himmels.

Rings hat bläuliche Götter die Flut: den ertönenden Triton,

Proteus Wechselgestalt, und Ägäon, welcher dem Walfisch

Drückt mit Riesenarmen den ungeheueren Rücken;

Doris auch, und die Töchter, die teils wie schwimmend erscheinen,

Teils auf dem Riffe gesetzt, und grünliche Haare sich trocknend,

Teils auch vom Fische geführt: nicht gleich ist allen, noch ungleich,

Ihre Gestalt, nein ähnlich, wie leiblichen Schwestern es ansteht.

Männer trägt und Städte die Erd', auch Wälder und Bergwild,

Ströme zugleich, und Nymphen, und andere Mächte des Feldes.

Oben herum erhebt sich das Bild des leuchtenden Himmels:

Sechs der Zeichen zur Rechten, und sechs zur Linken des Eingangs.

 

Als nun der Klymene Sohn hieher auf steigendem Pfade

Ankam, und in die Burg des bezweifelten Vaters hineinging,

Wendet' er stracks die Schritte zum Angesicht des Erzeugers,

Und blieb stehen von fern: denn des näheren Lichtes Bestrahlung

Duldet' er nicht. Dort saß in umhüllendem Purpurgewande

Phöbus auf fürstlichem Thron, der leuchtete, hell von Smaragden,

Rechts ihm standen und links der Tag, und das Jahr, und der Monat;

Auch Jahrhunderte standen, und gleich geordnete Horen;

Jugendlich stand auch der Frühling, den blumigen Kranz um die Scheitel;

Auch der nackende Sommer, im Schmuck umwindender Ähren;

Auch der Herbst, mit der Kufen getretenem Moste besudelt;

Und der beeisete Winter, umstarrt von grauendem Haupthaar.

Sol in der Mitte des Raums, mit alldurchschauendem Blicke,

Sah vor der Neuheit der Dinge verzagt annahen den Jüngling.

 

Was will, sagt er, dein Gang? was suchest du hier in der Felsburg,

Phaeton? wertes Geschlecht dem nicht ableugnenden Vater!

 

Jener beginnt: O du Licht des unermeßlichen Weltalls!

Vater Phöbus, wofern du des Namens Gebrauch mir vergönnest,

Und nicht Klymene Schuld in gefabelte Täuschungen einhüllt:

Gib mir, Erzeuger, ein Pfand, daß man für dein wahres Geschlecht mich

Anerkenn', und vertilg' aus unserem Herzen den Irrtum!

 

Phaethon sprach's, und der Vater enthüllte sich aller Bestrahlung,

Welche sein Haupt umglänzt', und gebot ihm, näher zu treten.

Dann in die Arm' ihn schließend: Nicht du bist meiner Verkennung

Würdig, und Klymene hat dir wahr verkündet den Ursprung.

Daß dir schwinde der Zweifel; so fordere, was du auch wünschest,

Und ich gewähre den Wunsch: Sei Styx mir Zeugin des Wortes,

Furchtbar dem schwörenden Gott, und unseren Augen ein Abscheu!

 

Kaum war alles gesagt; da wünscht' er den Wagen des Vaters

Einen Tag, und die Lenkung der fußgeflügelten Rosse.

 

Phöbus bereute den Schwur, und schüttelte dreimal und viermal

Sein mildleuchtendes Haupt: Unbedachtsam, rief er, und Leichtsinn

Ward mein Wort durch das deine! Gestatte mir, Sohn, die Verheißung

Nicht zu verleihn! Ich bekenne, dies einzige möcht' ich dir weigern.

Aber ich darf abraten. Gefahrvoll ist, was du wünschest!

Viel zu Großes begehrst du, ein Amt, das solcherlei Kräften,

Phaethon, wenig geziemt, noch so unmännlichem Alter.

Dir ward sterbliches Los; doch sterblich ist nicht dein Bestreben.

Höher sogar, als Ewigen selbst zu gelangen vergönnt ist,

Trachtest du ohne Bedacht. Es gefalle sich jeder nach Willkür:

Doch zu stehen vermag auf der glutbelasteten Achse

Keiner, denn ich! Ja selber der Fürst des weiten Olympus,

Der aus schrecklicher Hand fernschmetternde Leuchtungen sendet,

Lenkt nicht dieses Gespann: und wer mißt Jupiters Allmacht?

Steil ist der Weg im Beginn, wo kaum noch frisch mir die Rosse

Frühe hinaufarbeiten. Dann schreckt die Höhe des Mittags,

Wo mir selbst, tief unten das Meer und die Lande zu schauen,

Oftmals graut, und das Herz aufbebt vor banger Besorgnis.

Jäh ist endlich der Weg, und bedarf der sichersten Lenkung.

Jene sogar, die drunten, die Arm' ausbreitend, mich aufnimmt,

Tethys pflegt, daß im Sturz ich enttaumele, nun zu befürchten.

Denke dazu, daß, gerafft von beständigem Schwunge, der Himmel

Hohe Gestirn' hinzieht, und in hurtigem Wirbel herumdreht.

Ich nur streb' anwärts; und dem Sturm, der alles besieget,

Trotz' ich allein, und fahre der raffenden Kreisung entgegen.

Sei dir der Wagen gewährt; was meinest du? Kannst du hinangehn

Wider den rollenden Pol, unentführt von der reißenden Achse?

Ja wer weiß, auch Haine sogar und Städte der Götter

Träumt sich dein Herz dort oben, und prangende Tempel mit Reichtum?

Schau', Nachstellungen drohn auf der Fahrt, und Gestalten des Wildes!

Ob du die Bahn auch hältst, und nie ausbeugend verirrest;

Dennoch mußt du hindurch am Gehörn des begegnenden Stieres,

An des Hämoners Geschoß, und dem Rachen des grausamen Löwen,

Auch an dem Skorpion, der die Klau'n in entsetzlichem Umfang

Krümmt, und dem gräßlichen Krebs, der sie krümmt in anderer Windung!

Wähn' auch nicht, daß die Rosse, von Mut beseelet und Feuer,

Welches ihr Busen verschließt, und aus Maul und Nase hervorhaucht,

Leicht dir zu bändigen sein! Kaum dulden sie mich, wann entflammter

Ihnen der Mut aufglüht; und es sträubt sich der Nacken den Zügeln.

Laß doch nicht von mir selber ein trauriges Ehrengeschenk dir

Kommen, o Sohn; und verbeßre den Wunsch, da die Zeit es gestattet!

Siehe, damit man erzeugt aus unserem Blute dich glaube,

Willst du ein sicheres Pfand: ich gebe das Pfand durch Besorgnis!

Wohl beweis' ich den Vater, mich väterlich ängstend! O schau doch,

Schau mein Gesicht! Und o möchtest du auch in das innerste Herz mir

Senken den Blick, und drinnen die Vatersorgen erkennen!

Endlich betracht' umher, was die Welt einschließet an Reichtum:

Aus so vielen und großen, der Erd' und des Meers und des Himmels,

Fodre dir einiges Gut; nicht Weigerung soll dich betrüben!

Diesem nur, fleh' ich, entsage: was richtiger Strafe, denn Ehre,

Würde genannt! Ach, Strafe, mein Phaethon, soll dir Geschenk sein!

Was umschlingst du den Hals, Unweiser, mit schmeichelnden Armen?

Zweifele nicht, du erlangst (bei den stygischen Fluten beschwur ich's!),

Was du auch immer gewünscht; doch laß verständig den Wunsch sein!

 


 © textlog.de 2004 • 03.12.2024 19:00:48 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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