Siebentes Buch.
Medea
« Zurück 1 |
2 |
3 Weiter »
Schon mit der Minyerschar durchsteuerte Argo die Meerflut:
Und, der in ewiger Nacht hilflos sein Alter dahinzog,
Phineus empfing den Besuch; und des Boreas Söhne mit Flügeln
Scheuchten die Jungfrauvögel vom Mund des bekümmerten Greises;
Und viel duldeten schon mit dem Held Jason die Helden:
Bis sie zuletzt einlenkten zum Sturz des schlammigen Phasis.
Weil sie dem Könige nahn, und das Vlies verlangen des Phrixos,
Und der Beding, abschreckend durch viel Arbeiten, genannt wird,
Zündet gewaltige Flamme das Herz der äctischen Jungfrau.
Als sie lange gerungen, und nicht mit Vernunft der Betörung
Obzusiegen vermocht: Umsonst ach! kämpfst du, Medea;
Irgendein Gott, sagt jene, bestürmt. Ja wahrlich, das ist es,
Oder gewiß was Ähnliches dem, was Liebe genannt wird.
Warum scheinen mir doch zu hart die Befehle des Vaters?
Aber sie sind auch zu hart! Warum doch fürcht' ich das Unglück
Des, den ich eben gesehn? Woher so bange Besorgnis?
Schütte sie aus jungfräulicher Brust, die empfangene Flamme,
Wenn du es kannst, Elende! Ja, könnt' ich es, richtiger wär' ich!
Aber mit Zwang zieht neue Gewalt; und ein anderes rät mir
Lust, ein anderes Sinn. Das Bessere seh' ich und lob' ich,
Schlechterem folget das Herz. Für den Fremdling, Tochter des Königs,
Glühest du? Einen Gemahl aus entlegenen Landen erträumst du?
Hier auch wohnt, was Liebe verdient. Ob er leb', ob er sterbe,
Ordnen die Götter allein. Doch er leb'! und dies zu erflehn ist
Außer der Lieb' auch erlaubt. Denn was verschuldete Jason?
Welche nicht Grausame blieb' unbewegt von dem Alter Jasons,
Von dem Geschlecht und der Kraft? Wen könnte nicht, fehlt' auch das andre,
Rühren allein die Gestalt? Mich wenigstens rührte sie herzlich.
Aber, wo ich nicht helfe, der Stier' Anatmung versengt ihn;
Und mit der eigenen Saat, den erdgeborenen Feinden,
Kämpfet er, oder er fällt dem gierigen Drachen zur Beute.
Duldet' ich das, dann hätte der Tigerin Schoß mich geboren;
Dann von Felsen und Stahl ein Herz zu tragen bekennt' ich!
Warum schau' ich nicht selbst den Sterbenden? Warum entweih' ich
Nicht den betrachtenden Blick? und reize die Stier' auf den Jüngling,
Reize die Brut des Gefilds und den schlaflos spähenden Drachen?
Götter, ein Besseres gebt! Wiewohl, hier gilt's nicht zu beten,
Sondern zu tun! Was? soll ich das Reich verraten des Vaters?
Soll mein Schutz den Fremdling, ich weiß nicht welchen, erhalten?
Daß er, gerettet von mir, dann ohne mich segl' in die Winde,
Einer andren Gemahl; und der Straf' hier bleibe Medea?
Wenn er dieses vermag, und ein anderes Mädchen mir vorzieht,
Sterbe der Undankbare! Doch nicht gleicht solchem das Antlitz,
Nicht der Adel des Geistes und nicht die gefällige Bildung,
Daß ich fürchte Betrug, und Vergessenheit meines Verdienstes!
Auch gelobt er mir Treue zuvor; mitkundige Götter
Zeugen dem Bund! Was sorgst du, Gesicherte? Gürte zur Tat dich
Ohne Verzug! Dir ewig verdankt sich selber Jason!
Dir mit heiliger Fackel vermählt er sich; durch der Pelasger
Städt', als Retterin, wirst du von edelen Frauen verherrlicht!
Soll ich denn Schwester und Bruder und leiblichen Vater und Götter,
Soll ich das Land der Geburt, entrafft vom Winde, verlassen?
Traun, ein Tyrann ist der Vater, und Barbarei das Geburtsland,
Kind der Bruder annoch, und geneigt mit Wünschen die Schwester;
Und der erhabenste Gott ist in mir! Nicht Großes verlass' ich,
Großes such' ich: den Ruhm der erhaltenen Danaerjugend,
Kunde des besseren Orts, und glänzende Städte, von welchen
Hier auch die Herrlichkeit strahlt, und die Künst' und die Sitten der Männer;
Und, den nie ich mit allem, was rings einschließet der Erdkreis,
Tauschte, den Äsoniden! mit dem ich Beglückte vermählet,
Götterlieblingin heiß', und das Haupt zu den Sternen erhebe.
Wie? Man sagt ja, daß Berg', ich weiß nicht welche, zusammen-
Prallen im wogenden Meer; daß, feind den Schiffen, Charybdis
Bald einschlürfe die Flut, bald strudele; daß die versuchte
Szylla, von Hunden umtobt, aufbell' in sikulischen Wassern.
Traun, den Geliebten umarmend, im Schoß des trauten Jason,
Schweif' ich die Meere hindurch; nichts, hab' ich nur jenen, erschreckt mich!
Oder empfind' ich ja Angst, nur Angst um meinen Gemahl ist's!
Wird es Vermählung genannt? So blendenden Namen, Medea,
Leihest du deinem Vergehn zur Beschönigung? Schaue, wie großem
Frevel du nahst; und entfliehe, dieweil du es kannst, dem Verbrechen!
Jene sprach's; und es stand Jungfräulichkeit, Recht und Naturpflicht
Ihr vor dem Blick; schon wandte besiegt den Rücken Kupido.
Jetzo ging sie zum alten Altar der perseïschen Göttin
Hekate, den ein Gehölz tiefschattenden Waldes bedeckte.
Und schon war sie beherzt, und es sank das geschwächtere Feuer.
Als den Jason sie schaut, da lebt die erloschene Flamm' auf,
Und es errötet die Wang', und ganz wird glühend das Antlitz.
So wie Nahrung empfängt von wehenden Winden ein kleines,
Unter umhüllender Asche geheim verborgenes Fünklein;
Wie es erwächst, und gefacht zu den vorigen Kräften emporsteigt:
Also flammte die Liebe, die matt schon sank und verschmachtend,
Wie sie den Jüngling ersah, durch den Glanz des Nahen entzündet.
Schöner noch wie gewöhnlich erschien der Sprößling des Äson
Jenes Tags; man konnte verzeihn dem liebenden Mädchen.
Siehe, sie schaut, und am Antlitz, wie wenn's nun endlich erschiene,
Hängt ihr gehefteter Blick; und mehr als menschliche Bildung
Wähnet die Törin zu sehn, und kann nicht weichen von jenem.
Aber sobald er zu reden begann, und die Rechte der Fremdling
Sanft ihr drückt', und um Hilfe mit leiser Stimme sie ansprach,
Und zum Gemahl sich erbot; da sagte sie, fließend in Tränen:
Auch ich weiß, was ich tu'; und nicht Unkunde der Wahrheit
Täuschet mich, aber die Lieb': ein Geschenk, dich zu retten, gewähr' ich.
Doch du Geretteter sichre das Wort. - Bei den heiligen Opfern
Schwöret er, und bei dem Haine der dreigestalteten Gottheit,
Und bei des Schwähers Vater, der alles vernimmt und umschauet,
Bei dem gewünschten Erfolg, und bei so großen Gefahren.
Jetzo geglaubt, empfängt er sofort die bezauberten Kräuter,
Lernt den Gebrauch, und kehret in Fröhlichkeit unter sein Obdach.
Frühe verscheucht' Aurora die schimmernden Sterne vom Himmel;
Ringsher strömet das Volk zum heiligen Felde des Mavors;
Und sie betreten die Höh'n; der König selbst in dem Heerzug
Saß von Purpur umstrahlt, mit dem elfenbeinenen Zepter.
Sieh, aus demantenen Schnauzen entsprüht erzhufigen Stieren
Hell aufwehende Glut; und das Kraut, von der Lohe berühret,
Brennt: und laut, wie ertönt in voller Esse das Feuer,
Oder wenn Kalkgestein, im tönernen Ofen gelöset,
Fängt die gischende Glut von flüssiger Wasser Besprengung:
Also ertönt inwendig die Brust von der wirbelnden Flamme,
Und der entzündete Schlund. Doch den Schnaubenden wandelt entgegen
Äsons Sohn. Sie wandten mit Trotz auf des Nahenden Antlitz
Ihr graunvolles Gesicht und die eisenspitzigen Hörner;
Und sie zerstampften zu Staub mit gespaltener Klaue den Boden
Und erfüllten den Ort mit Gebrüll und dampfendem Aushauch.
Bang' erstarrt der Minyer Schar: nah geht er und fühlt nicht
Ihr anatmendes Feuer; ihn schützt das bezauberte Heilkraut.
Kühnlich streichelt der Held mit der Hand die hängenden Wampen,
Fügt sie unter das Joch, und heißt den lastenden Pflug sie
Ziehn, und mit Stahl aufreißen das ungewohnte Gefilde.
Staunend sehn es die Kolcher; der Minyer Jubelgeschrei tönt,
Und erhöht ihm den Mut. Dann nimmt er aus ehernem Helme
Natternzähne hervor, und bestreut die geackerten Felder.
Weich in der Furche zerquillt der mit Gift gebeizete Samen,
Keimt und sproßt, und es bilden sich jugendlich wachsende Leiber.
So wie ein Kind allmählich im fruchtenden Schoße der Mutter
Menschengestalt annimmt und jegliches Gliedchen entwickelt,
Und nicht eher, denn reif, in gemeinsame Lüfte hervorgeht:
Also, nachdem im Innern der schwangeren Erde sich völlig
Ausgebildet der Mensch, entsteigt er dem Muttergefilde;
Und, noch wunderbarer, der Steigende schüttelt die Waffen
Als sie bereit die Erwachsenen sahn, scharfspitzige Lanzen
Gegen das Haupt zu schnellen dem edlen Hämonierjüngling,
Senkten sie nieder vor Angst das Gesicht und den Mut, die Pelasger.
Auch sie selber erschrak, die ihn vor Schaden gesichert.
Und wie den Jüngling befeindet sie sah, von so vielen den einen,
Wurde sie blaß im Gesicht, und saß blutlos und erkaltet.
Daß ihm zu schwach nicht wirke das Kraut, so murmelt sie hilfreich
Zaubergetön, und ruft die geheimeren Künste zum Beistand.
Er nun schleudert den Fels, den gewaltigen, unter die Feinde,
Daß er von sich abwende den Streit auf die Kämpfenden selber.
Wunde mit Wund' erwidert die erdgeborene Sippschaft;
Alle vertilgt einheimischer Kampf. Die Achiver mit Glückwunsch
Halten den Sieger umringt, und freuen sich seiner Umarmung,
Du auch schlängest den Sieger, o Fremdlingin, gern in die Arme;
Aber dich hemmt' im Beginn Jungfräulichkeit: dennoch umschlängst du;
Aber es wehrte dem Tun ehrliebende Achtung des Leumunds.
Was dir beides vergönnt, du freuest dich heimlich und bringest
Dank dem Zaubergetön, und den waltenden Mächten des Zaubers.
Noch war einzuschläfern durch Kraut der spähende Drache,
Der dreifaches Gezüngel und Kamm und gebogene Zähne
Bot zur entsetzlichen Schau, den goldenen Widder bewachend.
Als er diesen besprengt mit Gras des lethäischen Saftes,
Dreimal Worte gesagt, die ruhige Schlummer gewähren,
Die aufrührische Meer' und reißende Strömungen hemmen,
Schleicht in die Augen gemach unkundiger Schlummer. Das Goldvlies
Nimmt der äsonische Held zum Gewinn; und stolz auf die Beute,
Auch die Begünstigerin als andere Beute sich nehmend,
Lenkt er das Schiff zum iolkischen Port, mit der Gattin der Sieger.
Für die Erhaltenen bringen zum Dank die hämonischen Mütter,
Und hochaltrige Väter Geschenk'; und gehäuft in der Flamme,
Schmelzen die Weihrauchopfer; mit Gold die Hörner umzogen,
Sinkt der gelobete Stier. Doch es fehlt den Feiernden Äson,
Näher dem Tode bereits, und matt von Jahren des Alters.
Jetzo begann Jason: Du, der ich das Heil zu verdanken
Eingesteh', o Genossin, wiewohl du mir alles geschenket,
Und sich dem Glauben entschwingt die Anzahl deiner Verdienste:
Dennoch, können sie dies, (denn was nicht können die Zauber?)
Nimm mir ab von den Jahren, und lege sie bei dem Erzeuger!
Und nicht hielt er die Tränen. Bewegt von der kindlichen Bitte,
Dachte sie, zwar unähnlich gesinnt, des verlaßnen Äetes.
Aber sie nicht bekennend, die Regungen: Welch ein Verbrechen,
Sagt sie, entfiel, o Gemahl, dem kindlichen Munde? So schein' ich
Mächtig, zu eignen den Raum von deinem Leben dem andern?
Nie gönnt Hekate das; Unbilliges suchst du! Doch mehrers,
Als du gesucht, zu gewähren, sei mein Bestreben, Jason:
Daß ich durch Kunst des Schwähers entflohenes Alter ersetze,
Nicht durch Jahre von dir; wenn die dreigestaltete Göttin
Nur, mit Hilfe genaht, zuwinkt der erhabenen Kühnheit.
« Zurück 1 |
2 |
3 Weiter »