Hyacinthus


Wie in Adlergestalt der Donnerer dich, Ganymedes,

Einst vom Ida geraubt, ihm einzuschenken den Nektar:

So auch hätte dich Phöbus verherrlichet, Sohn des Amyklas,

Hätte das Trauergeschick zur Verherrlichung Zeit ihm gegönnet.

Wie es vergönnt, so dauerst du fort. Wann den Winter der Frühling

Scheucht, und dem wässernden Fisch nachfolgt der heitere Widder;

Steigst du immer empor, und blühst im lebenden Rasen.

 

Dich vor allen erwählte der Gott zum Liebling; und Delphos,

Mitten im Kreise der Welt, ermangelte schweigend der Obhut:

Weil des Eurotas Gestad' und die unbefestigte Sparta

Jener umirrt, nicht achtend der hellen Gitarr' und des Bogens.

Selbst vergißt er den Gott, nicht Garn zu tragen verschmähend,

Nicht Jagdhunde zu halten und nicht durch rauhere Berghöh'n

Mitzugehn; und er nähret die Glut durch lange Gewöhnung.

 

Fast war Sol zu der Mitte der kommenden und der vollbrachten

Nacht gelangt, und er stand gleich weit vor den Enden entfernet:

Jetzo enthüllt der Gewand', und gesalbt mit dem Fette des Ölbaums,

Schimmern sie beid', und beginnen den Kampf der gerundeten Scheibe.

Diese zuerst aufwägend entsandt' in die wehenden Lüfte

Phöbus, und warf mit der Last die hemmende Wolk' auseinander.

Auf den gediegenen Boden zurück nach langer Verweilung

Sank das Gewicht und zeigte die Kunst mit der Stärke vereinigt.

Unvorsichtig sofort, und entflammt von Begierde des Spieles,

Eilt der tänarische Knabe den Kreis zu erheben; doch jenen

Warf der gehärtete Grund mit prallendem Schwung in die Höhe,

Grad ins Gesicht, Hyacinthus, dir selbst. Da erblaßte mit einmal,

So wie der Knabe, der Gott. Die wankenden Glieder empfängt er;

Und bald wärmet er dich, und trocknet die klägliche Wunde,

Bald dann leget er Kraut, die entziehende Seele zu halten.

Nichts, ach! frommet die Kunst; unheilbar blutet die Wunde.

Wie wann einer Violen und Mohn im gewässerten Garten,

Oder die Lilie knickt auf hellgrün prangendem Stengel;

Wie dann plötzlich verwelkt ihr lastendes Haupt sie herabneigt,

Und nicht länger sich hält und erdwärts schaut mit dem Wipfel:

Also hängt das Gesicht, das sterbende; welk und entkräftet,

Ist sich selbst der Nacken zur Last, und ruht auf der Achsel.

 

Öbalide, du sinkst, getäuscht um die blühende Jugend,

Saget der Gott; und ich sehe die Wund', ach! meines Verbrechens!

Du mein Schmerz, mein hartes Vergehn! Mein eigener Arm schuf

Dir frühzeitigen Tod; ich stiftete dir das Begräbnis!

Doch was trag' ich für Schuld? Es müßte denn Spielen sogar nun

Schuld genannt, es müßte denn Schuld auch Lieben genannt sein!

Und, oh! wär' es erlaubt, für dich mein Leben zu lassen,

Oder mit dir! Doch weil ja des Schicksals Wille mich bindet,

Sei du beständig mit mir und schweb' im Herzen und Munde!

Dich tön' unser Gesang, dich stets die geschlagene Leier!

Du als Blume bezeichne mit Schrift des Liebenden Wehmut!

Einst wird kommen die Zeit, da der tapferste Held der Achäer

Sich der Blume gesellt, auf ähnlichem Blatte geziffert!

 

Also ruft Apollo mit wahrheitredendem Munde.

Siehe, das Blut, das strömend des Erdreichs Kräuter geflecket,

Endiget Blut zu sein; voll Glanz, wie tyrischer Purpur,

Hebt sich die Blum' und empfänget Gestalt gleich Lilien, wenn nicht

Rötelnde Bläue die ein', und die anderen Silber gefärbet.

Nicht genügt es dem Phöbus; denn der war Stifter der Ehre:

Selbst mit eigenem Wehe beschreibt er die Blätter; und AI AI

Sagt dem Griechen die Schrift; und es klagt auf der Blume der Buchstab'.

 

Auch nicht schämte sich Sparta des Sohns Hyacinthus; es dauert

Noch die Ehre bis heut; und, gefei'rt nach der Sitte der Alten,

Kehren mit vorgetragnem Gepräng' Hyacinthien jährlich.


 © textlog.de 2004 • 07.11.2024 05:32:35 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright