Pomona und Vertumnus


Nie war eine vordem der latinischen Hamadryaden

Emsiger, als Pomona, in blühender Gärten Bestellung,

Nie geschäftiger eine für saftige Früchte des Baumes.

Davon ward sie benamt. Nicht Waldungen liebt sie, noch Flüsse;

Aber die Flur, und Äste mit glücklichem Obste belastet;

Und für den Wurfspieß trägt sie die mondliche Hipp' in der Rechten,

Die bald üppigen Wuchs ihr bändiget, und die verwildert

Schweifenden Arme bezähmt, und bald in gespaltene Rinde

Pfropfet das Reis, und Säfte dem kindlichen Fremdlinge darbeut.

Nichts auch läßt sie verschmachten vor Durst, und der schlürfenden Wurzel

Zackige Fäserchen tränkt sie mit sanft umgleitender Welle.

Das ist Lust und Geschäft! Auch der Cypria achtet sie gar nicht.

Scheuend indes die Gewalt der Ländlichen, schließt sie den Obsthain

Drinnen, und sorgsam wehrt und meidet sie männlichen Zugang.

 

Was nicht alles ersann die im Tanz aufhüpfende Jugend,

Satyre! und, um die Hörner gekränzt mit der Fichte, die Panen;

Auch Silvanus der Greis, stets jugendlich über sein Alter;

Und der Gott, der den Dieb mit Pfahl und Hippe verscheuchet:

Ihrer Umarmung zu nahn! Selbst diesen auch strebte Vertumnus

Liebend zuvor; allein nicht glücklicher war er, denn jene.

 

O wie trug er so oft in der Tracht des gehärteten Schnitters

Ähren im Korb, und war ein wirklicher Schnitter von Ansehn!

Oft, wann er zierlich die Schläfe mit frischem Heu sich umwickelt,

Schien's, als hätt' er des Grases gemähete Schwade gewendet.

Oft auch trug er den Stachel in starrender Rechte; da schwur man,

Daß er nur eben vom Joch die ermüdeten Farren gelöset.

Nahm er die Hippe, so schor er dir Laub, und schneitelte Reben;

Hatt' er die Leiter gefaßt, er schien Obst pflücken zu wollen;

Kriegsmann war er mit Schwert, mit Rohr in den Händen ein Fischer.

So durch viele Gestalten eröffnete jener sich häufig

Zugang, um zu genießen die Lust der betrachteten Schönheit.

 

Dieser anjetzt, die Schläfen mit bunter Mütze verhüllend,

Ging am Stabe gestützt, grauschimmerndes Haar um die Schläfen,

Einem Mütterchen gleich, und trat in den zierlichen Garten.

Drinnen das Obst anstaunend: O ganz Glückselige! sprach er;

Dann die Gelobete küßt' er mit wenigen Küssen; doch niemals

Gab sie ein Mütterchen so; und gekrümmt auf die Scholle sich setzend,

Schaut' er empor zu den Ästen, die schwer vom Herbste sich bogen.

 

Gegen ihm stand ein Ulm mit schwellenden Trauben gebreitet.

Als er jenen gerühmt, und zugleich die gesellete Rebe:

Stände nun, sagt' er, der Stamm ehlos, ungepaart mit dem Weinschoß,

Nichts wär' außer dem Laube, was ihn zu besuchen uns reizte.

Auch die verbundene Rebe, die sanft ausruhet im Ulmbaum,

Wäre sie nicht vermählt, sie läge gestreckt auf der Erde.

Doch du bleibst ungerührt von des Baums so lehrendem Beispiel,

Fliehst das ehliche Lager, und denkst an keine Vermählung!

Aber, o wolltest du nur! Nicht Helena hätten so viele

Freier gedrängt, noch jene, die Kampf den Lapithen erreget,

Noch des Ulysses Gemahlin, des Trotzigen gegen Verzagte!

Jetzo sogar, wie sehr du die Liebenden fliehst und verabscheust,

Drängen sich tausend Bewerber um dich, Halbgötter und Götter,

Und was immer für Mächt' albanische Berge bewohnen.

Doch wenn du klug bist, Kind, wenn du wohl heiraten, und hören

Dieses Mütterchen willst, das mehr als alle die andern,

Mehr wie du glaubst, dich liebt, so verwirf alltägliche Freier,

Und den Vertumnus erwähle zum Bräutigam! Für den Vertumnus

Setz' ich zum Pfande mich dir! denn er kennt sich selber nicht besser,

Als ich ihn! Nicht schweift er, umher stets irrend, die Welt durch;

Hier nur treibt er Verkehr. Auch nicht, wie die Menge der Freier,

Macht, was er sah, ihn verliebt; du wirst ihm zuerst, und zuletzt ihm,

Rühren das Herz; dir allein wird ganz sein Leben geweiht sein.

Hiernächst ist er ein Jüngling, und angebotene Zierde

Ward ihm verliehn; auch nimmt er mit Anstand jede Gestalt an,

Und was du immer verlangst, verlang' auch alles, das wird er.

Einerlei liebt ihr beide: denn jegliches Obst, das du aufziehst,

Hat er zuerst, und hält dein Geschenk in fröhlicher Rechte.

Doch nicht mehr von den Bäumen gesammelte Früchte begehrt er,

Noch wohlschmeckende Kräuter, die mild der Garten erzeuget:

Nichts mehr, außer dich selbst! O erbarm' dich des Schmachtenden; denk' ihn

Selbst den Bittenden hier, der aus meinem Munde dich anfleht!

Rächender Götter Gewalt, und Idalia, welche den Starrsinn

Züchtiget, scheue, mein Kind, und den Zorn der rhamnusischen Göttin!

Dir die Scheu zu erhöh'n (denn mancherlei Kund' hat das Alter

Mir ja gewährt), so erzähl' ich, was weit in Cyprus bekannt ist,

Schickungen, welche dein Herz leicht bändigen können und mildern.

 

Iphis, erzeugt vom Geschlechte der Niedrigen, schaute die edle

Anaxarete einst, aus dem altenden Blute des Teukros;

Und wie er schauete, fuhr durch Mark und Gebein ihm das Feuer.

Lang erst kämpft' er entgegen; allein da Vernunft ihm den Wahnsinn

Nicht zu besiegen vermocht, jetzt nahet er flehend der Schwelle.

Bald bekannt' er der Amme die sterbliche Lieb', und beschwur sie,

Ihm nicht grausam zu sein, bei der Zöglingin Hoffnungen allen;

Bald auch schmeichelt' er einer vom Schwarm der dienenden Mägde,

Um gewogene Huld mit ängstlicher Stimme sie bittend.

Oft vertrauet' er auch liebkosende Worte den Täflein.

Manchmal blumige Kränze verbreitet' er über die Pfosten,

Tränenbenetzt, und legt' auf die harte Schwelle die weiche

Seite dahin, und schmähte das leidige Schloß mit Verwünschung.

Tauber war jen' als der Sund, der sich hebt vor den sinkenden Böcklein,

Härter, wie Eisen und Stahl, das in norischer Esse geschmelzt wird,

Und wie Gestein, das lebend annoch anwurzelt dem Boden.

Vornehm höhnt sie, und lacht, und gesellt unfreundliche Taten

Trotzige Wort', und beraubt den Liebenden selber der Hoffnung.

 

Jetzo ertrug nicht länger die Qual des dauernden Schmerzes

Iphis; er sprach an der Pforte zuletzt noch dieses zum Abschied:

 

Ja du siegst, Anaxarete, siegst! nicht bring' ich hinfort dir

Neuen Verdruß zu bestehn. Du rüste nur frohe Triumphe,

Rufe den Päan laut, und winde dir festlichen Lorbeer!

Ja du siegst, und ich sterbe mit Lust! Auf, freue dich, Harte!

Etwas sollst du an mir doch wenigstens loben, für etwas

Sollst du verpflichtet mir sein, und Dank dem Verdienste bekennen!

Doch nicht eher entschwand mir die Sehnsucht deiner, gedenk es,

Als mein Hauch; und sogleich des gedoppelten Lichtes entbehr' ich.

Auch nicht soll ein Gerücht dir die Botschaft bringen des Todes.

Selbst will ich, zweifele nicht, da sein, und dir sichtbar erscheinen:

Daß am entseeleten Leibe die grausamen Augen du weidest!

Wenn ihr jedoch, o Götter, der Sterblichen Schicksale sehet,

O so gedenkt doch mein! nichts Weiteres waget die Zunge

Noch zu flehn; laßt dauern mein Angedenken in Zukunft;

Und was dem Leben an Zeit ihr geraubt, das gebet dem Nachruhm!

 

Sprach's; und drauf zu den Pfosten, die oft mit Kränzen er schmückte,

Hub er die tränenden Augen empor, und die blasseren Arme;

Dann an die Pfort' anknüpfend den oberen Knoten des Seiles:

Solch ein Geflecht ist dir Freud', unzärtliche Quälerin! sprach er,

Und er umschlang sein Haupt, auch nun zu jener sich wendend,

Ach, und der Elende schwebt' an erdrosselter Kehle herunter.

Als von der zappelnden Füße Bewegungen lautes Getöse

Jetzo erscholl an der Pfort', und rasch sie geöffnet die Tat nun

Zeigete, huben die Knecht' ein Geschrei; und umsonst ihn enthebend,

Trugen sie (tot war der Vater) den Leib zu dem Hause der Mutter.

Jen' empfängt ihn im Schoß, und umarmt die erkälteten Glieder

Ihres Sohns; und nachdem sie die Wort' unglücklicher Mütter

All und jeglicher Tat unglücklicher Mütter vollendet,

Führte sie ganz in Tränen den Leichenzug durch die Stadt hin,

Tragend die Totengestalt auf finsterer Bahre zum Feuer.

Nahe lag an der Gasse das Haus, wo kläglich vorbeiging

Jener Zug; und es drang das Jammergetön zu der harten

Anaxarete Ohr, die der rächende Gott schon verfolgte.

Laßt uns, sprach sie gerührt, anschaun das Trauerbegängnis!

Und sie trat in das hohe Gemach mit gebreiteten Fenstern,

Kaum erkannte sie recht auf dem Totenlager den Iphis:

Plötzlich erstarrt' ihr Aug', und das warme Blut aus den Adern

Floh vor umhüllender Blässe hinweg. Sie wollte zurück nun

Heben den Fuß, fest klebt' er, sie wollt' abwenden das Antlitz,

Dies auch konnte sie nicht; und es hüllt' allmählich die Glieder,

Was in der harten Brust vorlängst schon waltete, Felsen.

 

Halte das nicht für Fabeln! denn Salamis heget das Bild noch

Ganz in Lebensgestalt; auch heißt vorschauend die Venus,

Der im Tempel es steht. Dies, Teure, bedenk', und entsage,

Fleh' ich, dem störrischen Trotz, und dem Liebenden füge dich, Nymphe!

Möge dann nie im Lenze der Trost ansetzendes Obst dir

Sengen, und nie Sturmwinde die blühenden Bäume zerschütteln!

 

Als der Gott, der umsonst in jede Gestalt sich geschmieget,

Solches gesagt, schnell ward er zum Jünglinge, und, sich entäußernd

Alles Matronengeräts, erschien er ihr herrlich von Ansehn:

So wie aus dichtem Gewölk das strahlende Bildnis der Sonne

Siegend hervor sich drängt, und ohne Verdunkelung leuchtet.

Und er bereitet Gewalt: nicht braucht er sie; in der Gestalt schon

Liebt die Nymphe den Gott, und fühlt antwortende Flammen.


 © textlog.de 2004 • 03.12.2024 18:45:49 •
Seite zuletzt aktualisiert: 05.12.2006 
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