Religion, Hebräisch, Griechisch
Der Religionsunterricht war, obwohl der Pietismus sich eigentlich gegen dogmatische Haarspaltereien wandte, im wesentlichen doch durchaus dogmatisch. Nur eine der fünf Wochenstunden der drei unteren Kurse war der biblischen Geschichte gewidmet, die vier übrigen dienten dem Auswendiglernen des Lutherschen Katechismus und der zugehörigen Bibelsprüche. Höchstens darin machte sich der pietistische Geist geltend, dass die Lehrer überall, besonders auf den späteren Stufen, zeigen sollten, "wie alles ins Gebet zu bringen und zum Christlichen Leben und Wandel anzuwenden sey". In Tertia schloß der Unterricht für die von hier aus ins bürgerliche Leben Tretenden mit einer eingehenden Behandlung der "Heilsordnung" ab, während die übrigen auf den etwas mehr systematischen Lehrgang der beiden obersten Klassen vorbereitet wurden. Dort wurden die dogmatischen Sätze des Lehrbuchs erörtert und mit Bibelstellen "bewiesen", die, wenigstens von den künftigen Theologen, im hebräischen bzw. griechischen Urtext zu lernen waren. Danebenher ging eine genauere Einführung in die biblischen Schriften, ihre Entstehungszeit, ihren Hauptinhalt und ihre Grundlehren, unter Hervorhebung der schwierigsten Stellen. In II wurde das Neue, in I das Alte Testament behandelt; im letzteren besonders die messianischen Prophezeiungen aufgesucht.
Dem Religionsunterricht diente natürlich auch das Hebräische, dem in der dritten Klasse zwei, in den beiden oberen gar vier Wochenstunden gehörten. In Tertia wurden, neben der grammatischen Einführung, einige Kapitel des ersten Buches Mose Wort für Wort erklärt, in II kam der Rest des Buches hinzu, in I die übrigen Bücher Mose, abgesehen von einigen schwierigen Kapiteln, ferner die anderen historischen Schriften des Alten Testaments, sowie die Psalmen. Einzelne Jahrgänge sollen sogar das ganze Alte Testament durchübersetzt haben.
Aber nicht bloß das Hebräische stand im Dienste der Theologie, sondern auch — das Griechische, das auf drei (vorübergehend auch vier) Klassen in je drei bis fünf Wochenstunden gelehrt wurde. Der grammatische Stoff war nicht wesentlich anders als heute verteilt, dagegen diente als Lektüre fast ausschließlich das Neue Testament, dessen reines Griechisch wegen der Inspirationslehre als Glaubenssache galt. In Tertia wurden zur Einübung der Formenlehre — mehrere Kapitel des Johannes-Evangeliums Wort für Wort erklärt! In Sekunda las man Matthäus, Markus und einige paulinische Briefe, in Prima den Rest, der ins — Lateinische übersetzt wurde. Erst kurz vor der Entlassung wurde, falls die Zeit noch reichte, mit den Vorgeschritteneren etwas aus Gesners Chrestomathie gelesen. Von den großen Rednern, Geschichtsschreibern und Philosophen, einem Plato, Thukydides, Demosthenes, ja selbst von Homer bekamen diese bedauernswürdigen Primaner, natürlich auch in den übrigen Königsberger Gymnasien, keine Ahnung. Das hat denn auch unserem Philosophen sein Leben lang nachgehangen. In allen seinen Schriften und Briefen begegnet man keinem griechischen Satze im Urtext.