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I. [Das Zweckhandeln als bewußte Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt]

 

Das ist nun nicht so gemeint, als ob der eigentliche Zweck jedes Zweckhandelns im handelnden Subjekt selbst liegen müßte, als ob der Grund, um dessentwillen irgendein Objektives verwirklicht wird, immer in dem Gefühle bestünde, das es rückwirkend in uns erregt. Wenn dies in den eigentlich egoistischen Handlungen stattfindet, stehen daneben doch unzählige, in denen jene Inhaltsgleichheit zwischen Motiv und Erfolg nur den Erfolg im Sinne des Objekts, des außer-subjektiven Geschehens betrifft; unzählige Male nimmt die innere Energie, aus der unser Handeln hervorgeht, ihrer Bewußtseinsseite nach nur ihren sachlichen Erfolg in sich auf und läßt die auf uns selbst zurückkehrende Weiterwirkung desselben ganz außerhalb des teleologischen Prozesses. Zwar, wenn nicht der Erfolg unseres Tuns schließlich ein Gefühl in uns auslöste, so würde von seiner Vorstellung nicht die bewegende Kraft ausgehen, die ihn zu verwirklichen strebt. Allein dieses unentbehrliche Endglied des Handelns ist darum noch nicht sein Endzweck; unser teleologisch bestimmtes Wollen macht vielmehr sehr oft an seinem sachlichen Erfolge halt und fragt bewußt nicht über diesen hinaus. Suchen wir also die Formel des Zweckprozesses in seinem Gegensatz zu dem kausal-triebhaften - wobei dahingestellt bleibt, ob dieser Gegensatz etwa nur ein solcher der Betrachtungsweise, sozusagen ein methodologischer ist - so ist es die, daß das Zweckhandeln die bewußte Verflechtung unserer subjektiven Energien mit einem objektiven Dasein bedeutet, und daß diese Verflechtung in einem doppelten Ausgreifen der Wirklichkeit in das Subjekt hinein besteht: einmal in der Antizipation ihres Inhaltes in der Form der subjektiven Absicht und zweitens in der Rückwirksamkeit ihrer Realisierung in der Form eines subjektiven Gefühls. Aus diesen Bestimmungen entwickelt sich die Rolle des Zweckes im Lebenssystem.

Es geht zunächst daraus hervor, daß sogenannte unmittelbare Zwecke einen Widerspruch gegen den Begriff des Zweckes selbst bedeuten. Wenn der Zweck eine Modifikation innerhalb des objektiven Seins bedeutet, so kann dieselbe doch nur durch ein Tun realisiert werden, welches die innere Zwecksetzung mit dem ihr äußeren Dasein vermittelt; unser Handeln ist die Brücke, über welche der Zweckinhalt aus seiner psychischen Form in die Wirklichkeitsform übergeht. Der Zweck ist seinem Wesen nach an die Tatsache des Mittels gebunden. Hierdurch unterscheidet er sich einerseits vom bloßen Mechanismus - und seinem psychischen Korrelat, dem Trieb -, in dem die Energien jedes Momentes sich in dem unmittelbar folgenden vollständig entladen, ohne über diesen hinaus auf einen nächsten zu weisen; welcher nächste vielmehr nur von dem unmittelbar vorhergehenden ressortiert. Die Formel des Zweckes ist dreigliedrig, die des Mechanismus nur zweigliedrig. Andrerseits unterscheidet sich der Zweck durch sein Angewiesensein auf das Mittel auch von demjenigen Handeln, das man sich als das göttliche denken mag. Für die Macht eines Gottes kann unmöglich ein zeitliches oder sachliches Intervall zwischen dem Willensgedanken und seiner Verwirklichung bestehen. Das menschliche Handeln, zwischen diese beiden Momente eingeschoben, ist nichts als das Überwinden von Hemmungen, die für einen Gott nicht bestehen können; wenn wir ihn nicht nach dem Bilde irdischer Unvollkommenheit denken, so muß sein Wille unmittelbar als solcher schon Realität des Gewollten sein. Von einem Endzweck, den Gott mit der Welt hätte, kann man nur in einem sehr modifizierten Sinne reden, nämlich als dem zeitlich letzten Zustand, der ihre Schicksale abschließt. Verhielte sich aber für den göttlichen Ratschluß jener zu diesen vorhergehenden, wie sich ein menschlicher Zweck zu seinen Mitteln verhält: nämlich als das allein Wertvolle und Gewollte - so wäre nicht abzusehen, weshalb Gott ihn nicht unmittelbar und mit Übergehung jener wertlosen und hemmenden Zwischenstadien sollte herbeigeführt haben; denn er bedarf doch nicht der technischen Mittel, wie wir, die wir der selbständigen Welt mit sehr beschränkten, auf Kompromisse mit ihren Hemmungen und auf Allmählichkeit des Durchsetzens angewiesenen Kräften gegenüberstehen. Oder anders ausgedrückt: für Gott kann es keinen Zweck geben, weil es für ihn keine Mittel gibt.

Aus dieser Gegenüberstellung wird die eigentliche Bedeutung des oben Betonten ersichtlich, daß der Zweckprozeß eine Wechselwirkung zwischen dem persönlich wollenden Ich und der ihm äußeren Natur bedeutet. Der Mechanismus, der zwischen dem Willen und seiner Befriedigung steht, ist einerseits Verbindung, andrerseits aber auch Trennung beider. Er bedeutet die Unmöglichkeit für den Willen, aus sich selbst heraus zu seiner Befriedigung zu gelangen, er stellt die Hemmung dar, die er überwindet. Zweckmäßigkeit ist also ihrem Wesen nach ein relativer Begriff, weil sie immer das an sich Zweckfremde voraussetzt, in dessen Umformung sie besteht. Wenn es dieser letzteren nicht bedürfte, der Wille vielmehr als solcher schon seine Erfüllung in sich trüge, so käme es gar nicht zu einer Zwecksetzung. Das eigene Tun, in das der zweckbestimmte Wille sich fortsetzt, ist der erste Fall, an dem wir dieses Doppelcharakters des Mittels inne werden: an ihm fühlen wir ganz nahe den Widerstand des äußerseelischen Seins unser selbst und die dirigierende Energie, die ihn überwindet - eines am anderen bewußtwerdend und sein spezifisches Wesen gewinnend. Wenn nun das Tun den äußeren Gegenstand des Zweckes nicht unmittelbar erzeugen kann, sondern dazu erst ein anderes äußeres Ereignis einleiten muß, das seinerseits das erwünschte Resultat bewirkt, so ist das dazwischengeschobene Geschehen unserem eigenen Handeln hier wesensgleich: beides ist gleichmäßig Mechanismus, aber beides auch gleichmäßig vom Geist zum Geiste führender Mechanismus; beides setzt sich kontinuierlich aneinander an, um die Kurve zu bilden, deren Anfangs- und Endpunkte in der Seele liegen; die durchschnittliche Gliederzahl dieser Kurve innerhalb eines bestimmten Lebensstiles zeigt nun die Kenntnis und Beherrschung der Natur wie die Weite und Verfeinerung der Lebensführung an. Und hier setzen die gesellschaftlichen Komplikationen an, die in der Schaffung des Geldes gipfeln.

 


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