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II. [Das psychologische Auswachsen der Mittel zu Zwecken; das Geld als extremstes Beispiel]

 

[Das psychologische Auswachsen der Mittel zu Zwecken; das Geld als extremstes Beispiel. Die Abhängigkeit seines Zweckcharakters von den kulturellen Tendenzen der Epochen. Psychologische Folgen der teleologischen Stellung des Geldes: Geldgier, Geiz, Verschwendung, asketische Armut, moderner Zynismus, Blasiertheit.]

 

In dem Vorhergehenden ist eine Tatsache des Wertgefühls vorausgesetzt worden, deren Selbstverständlichkeit für uns leicht über ihre Bedeutsamkeit hinwegtäuschen kann. Das Geld ist uns wertvoll, weil es das Mittel zur Erlangung von Werten ist; aber ebenso gut könnte man doch sagen: obgleich es nur das Mittel dazu ist. Denn logisch notwendig erscheint es keineswegs, daß der Ton des Wertes, der auf den Endzwecken unseres Handelns ruht, sich auch auf die Mittel übertrage, die an sich und ohne Einstellung in die teleologische Reihe völlig wertfremd wären. Daß diese Wertübertragung, auf Grund rein äußerer Zusammenhänge, stattfindet, ordnet sich in eine sehr allgemeine Form unserer geistigen Bewegungen ein, die man die psychologische Expansion der Qualitäten benennen könnte. Wenn nämlich eine sachliche Reihe von Gegenständen, Kräften, Geschehnissen ein Glied enthält, das bestimmte subjektive Reaktionen in uns auslöst: Lust oder Unlust, Liebe oder Haß, positive oder negative Wertgefühle - so scheint uns dieser Wert nicht nur auf seinem unmittelbaren Träger zu haften, sondern wir lassen auch die anderen, an sich nicht ebenso ausgezeichneten Glieder der Reihe an ihm teilhaben: dies ist keineswegs nur bei teleologischen Reihen der Fall, deren Endglied seine Bedeutung auf alle Ursachen seiner Verwirklichung ausstrahlt, sondern auch bei anders laufenden Verknüpfungen der Elemente: alle Mitglieder einer Familie partizipieren an der Ehrung oder Degradierung eines einzelnen von ihnen; die unbedeutendsten Produkte eines großen Dichters genießen, weil andere bedeutend sind, eine ihnen an sich nicht zukommende Schätzung; Neigung oder Haß des Einzelnen, aus politischer Parteistellung entsprungen, erstreckt sich auf diejenigen Punkte der Parteiprogramme, denen an und für sich er gleichgültig oder mit entgegengesetzten Gefühlen gegenüberstehen würde; die Liebe zu einem Menschen, von dem sympathischen Gefühl für eine seiner Wesensseiten ausgehend, umfaßt schließlich seine Gesamtpersönlichkeit und damit vielerlei Eigenschaften und Äußerungen mit der gleichen Leidenschaft, auf die diese ohne solchen Zusammenhang keinen Anspruch erheben würden. Kurz, wo nur immer Mehrheiten von Menschen und Dingen sich durch irgendwelche Verknüpfung als Einheiten darbieten, fließt das Wertgefühl, das ein einzelnes Element hervorruft, gleichsam durch die zusammenhaltende Wurzel des Systems hindurch auch auf die anderen über, die an sich jenem Gefühle fremd sind. Gerade weil die Wertgefühle nichts mit der Struktur der Dinge selbst zu tun, sondern ihr unüberschreitbares Gebiet jenseits dieser haben, halten sie sich nicht streng an ihre logischen Begrenzungen, sondern entfalten sich mit einer gewissen Freiheit über die objektiv gerechtfertigten Beziehungen zu den Dingen hinaus. Wenn es an sich etwas irrationales hat, daß die relativen Höhepunkte des Seelenlebens ihre benachbarten, an sich aber nicht in jene Qualitäten hinaufreichenden Momente färben, so offenbart dies dennoch den ganzen beglückenden Reichtum der Seele, ihr von innen her bestimmtes Bedürfnis, die einmal empfundenen Bedeutsamkeiten und Werte auch nach dem vollen Maße ihrer inneren Resonanz an den Dingen auszuleben, ohne ängstlich nach dem Rechtsgrund zu fragen, nach dem jedes seinen Anteil beanspruchen könnte.

 


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