II. [Das psychologische Auswachsen der Mittel zu Zwecken; das Geld als extremstes Beispiel]
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 Weiter »
Die Bedeutung des Geldes, das größte und vollendetste Beispiel für die psychologische Steigerung der Mittel zu Zwecken zu sein tritt erst in ihr volles Licht, wenn das Verhältnis zwischen Mittel und Endzweck noch näher beleuchtet wird. Ich habe vorhin schon eine Reihe von Veranlassungen erwähnt, die die wirklichen Ziele unseres Handelns vor uns selbst verbergen, so daß unser Wollen in Wirklichkeit auf ganz andere hingeht, als es uns selbst scheint. Wenn es aber so durchaus legitim ist, über die Zwecke innerhalb unseres Bewußtseins hinaus nach weiteren zu fragen wo liegt die Grenze für dieses Hinaustragen? Wenn überhaupt einmal die teleologische Reihe nicht mit ihrem letzten momentan bewußten Gliede abschließt, ist dann nicht der Weg für ihren Weiterbau ins Unendliche eröffnet, ist es nicht geradezu erforderlich, uns mit keinem gegebenen Endzweck, auf den unser Handeln führe, zu begnügen, sondern für jeden eine noch weitere Begründung in einem noch darüber gelegenen zu suchen? Es tritt hinzu, daß kein erreichter Gewinn oder Zustand jene endgültige Befriedigung gewährt, die mit dem Begriff eines Endzweckes logisch verbunden ist, daß vielmehr jeder erreichte Punkt eigentlich nur als Durchgangsstadium zu einem darüber hinaus liegenden Definitivum empfunden wird im Gebiete des Sinnlichen, weil dieses in ununterbrochenem Fluß ist, der an jedes Genießen ein neues Bedürfen kontinuierlich ansetzt, im Gebiet des Idealen, weil die Forderungen desselben durch keine empirische Wirklichkeit gedeckt werden. Nimmt man dies alles zusammen, so scheint das, was wir den Endzweck nennen, über den teleologischen Reihen zu schweben, zu diesen sich verhaltend wie der Horizont zu den irdischen Wegen, die immer auf ihn zugehen, aber ihn nach der längsten Wanderung nicht näher als an ihrem Beginn vor sich haben. Denn nicht das steht in Frage, daß der Endzweck etwa nur unerreichbar, sondern daß er eine überhaupt nicht mit einem Inhalt zu erfüllende Vorstellungsform ist. Die teleologischen Reihen, soweit sie sich überhaupt auf irdisch Realisierbares richten, kommen nicht nur ihrer Verwirklichung, sondern schon ihrer inneren Struktur nach nicht zum Stehen, und statt des testen Punktes, den eine jede derselben in ihrem Endzweck zu besitzen schien, bietet sich dieser gerade nur als das heuristische, regulative Prinzip dar: daß man kein einzelnes Willensziel für das letzte ansehe, sondern jedem die Möglichkeit offen halte, die Stufe zu einem höheren zu werden. Der Endzweck ist sozusagen nur eine Funktion oder eine Forderung; als Begriff angesehen ist er nichts als die Verdichtung der Tatsache, die er zunächst gerade aufzuheben schien: daß der Weg des menschlichen Wollens und Wertens ins Unendliche führt und kein auf ihm erreichter Punkt sich dagegen wehren kann, so sehr er gleichsam von vorn gesehen als Definitivum erschien, von rückwärts gesehen, als bloßes Mittel zu gelten. Damit rückt jenes Aufsteigen der Mittel zu der Würde des Endzwecks in eine viel weniger irrationelle Kategorie. Für den einzelnen Fall zwar ist die Irrationalität nicht wegzuräumen, aber die Gesamtheit der teleologischen Reihen trägt ein anderes Wesen als die beschränkten Abschnitte: daß die Mittel zu Zwecken werden, rechtfertigt sich dadurch, daß im letzten Grunde auch die Zwecke nur Mittel sind. In den endlosen Reihen möglicher Wollungen, sich entwickelnder Handlungen und Befriedigungen ergreifen wir fast willkürlich ein Moment, um es zum Endzweck zu designieren, zu dem alles Vorhergehende nur Mittel sei, während ein objektiver Beobachter oder wir selbst später die eigentlich wirksamen und gültigen Zwecke weit darüber hinaus verlegen müssen, ohne daß auch diese gegen das gleiche Schicksal gesichert wären. An diesem Punkt der äußersten Spannung zwischen der Relativität unserer Bestrebungen und der Absolutheit der Endzweckidee tritt das Geld wieder bedeutsam und eine vorherige Andeutung weiter entwickelnd hervor. Indem es einerseits Ausdruck und Äquivalent des Wertes der Dinge ist, andrerseits aber doch reines Mittel und indifferentes Durchgangsstadium, symbolisiert es treffend das eben Ausgemachte: daß auch die erstrebten und empfundenen Werte sich schließlich als Mittel und Vorläufigkeiten enthüllen. Und indem das sublimierteste Mittel des Lebens für unendlich viele Menschen der sublimierteste Zweck des Lebens wird, bildet es den unzweideutigsten Beleg dafür, daß es nur auf den Standpunkt ankommt, ob man ein teleologisches Moment als Mittel oder als Zweck gelten lassen will - einen Beleg, dessen extreme Entschiedenheit die These mit der Restlosigkeit eines Schulbeispiels deckt.
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 Weiter »