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II. [Die Abhängigkeit seines Zweckcharakters von den kulturellen Tendenzen der Epochen]

 

Wenngleich es nun keine Zeit gegeben hat, in der die Individuen nicht gierig nach Geld gewesen wären, so kann man doch wohl sagen, daß die maximale Zuspitzung und Ausbreitung dieses Verlangens in die Zeiten fällt, in denen ebenso die anspruchslosere Befriedigung an den einzelnen Lebensinteressen wie die Erhebung zu dein Religiös-Absoluten, als dem Endzweck des Daseins, ihre Kraft verloren hat; denn weit über die innere Verfassung des Einzelnen hinaus ist in der Gegenwart wie in der Verfallszeit Griechenlands und Roms - der Gesamtaspekt des Lebens, die Beziehungen der Menschen untereinander, die objektive Kultur durch das Geldinteresse gefärbt. Es kann als eine Ironie der historischen Entwicklung erscheinen, daß in dem Augenblick, wo die inhaltlich befriedigenden und abschließenden Lebenszwecke atrophisch werden, gerade derjenige Wert, der ausschließlich ein Mittel und weiter nichts ist, in ihre Stelle hineinwächst und sich mit ihrer Form bekleidet. Allein in Wirklichkeit hat das Geld, als das absolute Mittel und dadurch als der Einheitspunkt unzähliger Zweckreihen, in seiner psychologischen Form bedeutsame Beziehungen gerade zu der Gottesvorstellung, die freilich die Psychologie nur aufdecken kann, weil es ihr Privilegium ist, keine Blasphemien begehen zu können. Der Gottesgedanke hat sein tieferes Wesen darin, daß alle Mannigfaltigkeiten und Gegensätze der Welt in ihm zur Einheit gelangen, daß er nach dem schönen Worte des Nikolaus von Kusa die Coincidentia oppositorum ist. Aus dieser Idee, daß alle Fremdheiten und Unversöhntheiten des Seins in ihm ihre Einheit und Ausgleichung finden, stammt der Friede, die Sicherheit, der allumfassende Reichtum des Gefühls, das mit der Vorstellung Gottes und daß wir ihn haben, mitschwebt. Unzweifelhaft haben die Empfindungen, die das Geld erregt, auf ihrem Gebiete eine psychologische Ähnlichkeit mit diesen. Indem das Geld immer mehr zum absolut zureichenden Ausdruck und Äquivalent aller Werte wird, erhebt es sich in abstrakter Höhe über die ganze weite Mannigfaltigkeit der Objekte, es wird zu dem Zentrum, in dem die entgegengesetztesten, fremdesten, fernsten Dinge ihr Gemeinsames finden und sich berühren; damit gewährt tatsächlich auch das Geld jene Erhebung über das Einzelne, jenes Zutrauen in seine Allmacht wie in die eines höchsten Prinzips, uns dieses Einzelne und Niedrigere in jedem Augenblick gewähren, sich gleichsam wieder in dieses umsetzen zu können. Hat man doch die besondere Eignung, und das Interesse der Juden für das Geldwesen in Beziehung zu ihrer »monotheistischen Schulung« gesetzt; ein Volksnaturell, seit Jahrtausenden daran gewöhnt, zu einem einheitlichen höchsten Wesen aufzublicken, an ihm - insbesondere, da es nur eine sehr relative Transzendenz besaß - den Ziel- und Schnittpunkt aller einzelnen Interessen zu haben, müsse auch auf dem wirtschaftlichen Gebiete sich vorzugsweise dem Wert hingeben, der sich als die zusammenfassende Einheit und der Punkt gemeinsamer Zuspitzung aller Zweckreihen darbietet. Auch widerspricht die wilde Jagd nach dem Gelde, die Leidenschaftlichkeit, die es im Unterschied gegen andere zentrale Werte, z.B. den Grundbesitz, dem wirtschaftlichen, ja dem Leben überhaupt mitteilt, durchaus nicht der abschließenden Beruhigung, in der die Wirkung des Geldes sich der religiösen Stimmung nähert. Denn nicht nur, daß die ganze Aufregung und Anspannung im Kampfe um das Geld die Bedingung für die selige Ruhe im Besitz des Erkämpften bildet; sondern jene Meeresstille der Seele, die die religiösen Güter gewähren, jenes Gefühl, im Einheitspunkte des Daseins zu stehen, erreicht doch seinen höchsten Bewußtseinswert erst als Preis des Suchens und Ringens nach Gott. Und wenn Augustin vom Geschäftsleben sagt: Merito dictum negotium, quia negat otium, quod malum est neque quaerit veram quietem quae est Deus - so gilt dies mit Recht von der Geschäftigkeit, die, Erwerbsmittel an Erwerbsmittel knüpfend, zu dem Endziel des Geldgewinnes aufsteigt; es gilt aber nicht von diesem Endziel selbst, das eben nicht mehr negotium, sondern die Mündung desselben ist. Die Feindseligkeit, mit der die religiöse und kirchliche Gesinnung oft dem Geldwesen gegenübersteht, mag auch auf den Instinkt für diese psychologische Formähnlichkeit zwischen der höchsten wirtschaftlichen und der höchsten kosmischen Einheit zurückgehen und auf die erfahrene Gefährlichkeit der Konkurrenz, die gerade das Geldinteresse dem religiösen Interesse bereitet - eine Gefährlichkeit, die sich nicht nur, wo die Substanz des Lebens eine ökonomische, sondern auch wo sie eine religiöse ist, gezeigt hat. In der kanonistischen Verwerfung des Zinses spricht sich die Perhorreszierung des Geldes überhaupt aus, denn der Zins macht das Geldgeschäft in seiner abstrakten Reinheit aus. Das Zinsprinzip als solches enthält für sich noch nicht das volle Maß der Sündhaftigkeit - hat man diese doch im Mittelalter vielfach zu vermeiden geglaubt, wenn man den Zins in Waren statt in Geld abstatten ließ - sondern daß es der Zins des Geldes und in Geld war, so daß man mit der Abschaffung jenes das Geldwesen überhaupt an seiner Wurzel zu treffen meinte. Das Geld tut sich eben gar zu leicht als Endzweck auf, es schließt bei gar zu vielen die teleologischen Reihen endgültig ab und leistet ihnen ein Maß von einheitlichem Zusammenschluß der Interessen, von abstrakter Höhe, von Souveränität über den Einzelheiten des Lebens, das ihnen das Bedürfnis abschwächt, die Steigerung eben dieser Genugtuungen in der religiösen Instanz zu suchen. Aus all diesen Zusammenhängen heraus sind also doch mehr als die auf der Hand liegenden Vergleichungspunkte wirksam, wenn Hans Sachs schon einen Vertreter der allgemeinen Meinung den Schluß ziehen läßt: Gelt ist auff erden der irdisch got. Der ganze Umfang derselben geht auf das Grundmotiv für die Stellung des Geldes zurück: daß es das absolute Mittel ist, das eben dadurch zu der psychologischen Bedeutung eines absoluten Zweckes aufsteigt. Man hat, mit einer freilich nicht völlig konsequenten Formulierung, gesagt, das einzig Absolute sei die Relativität der Dinge; und dafür allerdings ist das Geld das stärkste und unmittelbarste Symbol. Denn es ist die Relativität der Wirtschaftswerte in Substanz, es ist die Bedeutung jedes einzelnen, die es als Mittel für den Erwerb eines anderen hat - aber wirklich diese bloße Bedeutung als Mittel, losgelöst von ihrem singulären konkreten Träger. Aber eben deshalb kann es psychologisch zu einem absoluten Werte werden, weil es nicht die Auflösung in Relatives zu fürchten hat, derentwegen so viele, von vornherein substanzielle Werte den Anspruch auf Absolutheit nicht aufrechterhalten konnten. In dem Maße, in dem das Absolute des Daseins (von dem ideellen Sinn der Dinge rede ich hier nicht) sich in Bewegung, Beziehung, Entwicklung auflöst, treten auch für unsere Wertbedürfnisse diese an die Stelle jenes. Das Gebiet der Wirtschaft hat in dem psychologisch absoluten Wertcharakter des Geldes diesen geschichtlichen Typus restlos exemplifiziert - wobei, wie populären Mißverständnissen gegenüber bemerkt werden mag, mit der formalen Gleichheit dieser Entwicklung auf allen Gebieten durchaus nicht die Gleichheit ihrer Erfreulichkeit behauptet werden soll. -

 


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