II. [Das psychologische Auswachsen der Mittel zu Zwecken; das Geld als extremstes Beispiel]
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Nun ist aber weiterhin klar, daß, wenn das Bewußtsein des Zweckes lebendig bleibt, es nichts rein ideelles, sondern auch seinerseits ein Prozeß ist, der organische Kraft und Bewußtseinsintensität verbraucht. Die allgemeine Lebenszweckmäßigkeit wird also dahin streben, ihn auszuschalten, da er ja zu der teleologischen Lenkung unseres Handelns prinzipiell (von allen Komplikationen und Ablenkungen abgesehen) nicht mehr nötig ist. Und dies scheint nun endlich die Erfahrungstatsache durchsichtig zu machen: daß das Endglied unserer praktischen Reihen, nur durch die Mittel realisierbar, um so sicherer von diesen hervorgebracht wird, je vollständiger unsere Kräfte auf die Hervorbringung der Mittel gerichtet und konzentriert sind. Eben diese Herstellung der Mittel ist die eigentlich praktische Aufgabe; je gründlicher sie gelöst ist, desto mehr wird der Endzweck der Willensbemühung entraten können und sich als der mechanische Erfolg des Mittels einstellen. Dadurch, daß der Endzweck immerzu im Bewußtsein ist, wird eine bestimmte Summe von Kraft verbraucht, die der Arbeit an den Mitteln entzogen wird. Das praktisch Zweckmäßigste ist also die volle Konzentrierung unserer Energien auf die nächst zu verwirklichende Stufe der Zweckreihe; d.h., man kann für den Endzweck nichts Besseres tun, als das Mittel zu ihm so zu behandeln, als wäre es er selbst. Die Verteilung der psychologischen Akzente, deren es mangels unbeschränkt verfügbarer Kräfte bedarf, folgt also durchaus nicht der logischen Gliederung: während für diese das Mittel etwas völlig Gleichgültiges ist und alle Betonung auf dem Zweck liegt, verlangt die praktische Zweckmäßigkeit die direkte psychologische Umkehrung dieses Verhältnisses. Was die Menschheit dieser scheinbar so irrationellen Tatsache verdankt, ist nicht auszusagen. Wir würden wahrscheinlich über die primitivsten Zwecksetzungen nie hinausgekommen sein, wenn unser Bewußtsein immer an diesen hängen und so für den Bau mannigfaltigerer Mittel nur unvollkommen frei sein würde; oder wir würden eine unerträgliche und lähmende Zersplitterung erfahren, wenn wir bei der Arbeit an jedem untergeordneten Mittel die ganze Reihe darüber gebauter weiterer Mittel mit dem schließlichen Endzweck fortwährend im Bewußtsein haben müßten; wir würden endlich für die Aufgabe des Augenblicks oft überhaupt weder Kraft noch Lust haben, wenn wir uns ihre Minimität gegenüber den letzten Zielen immer mit logischer Gerechtigkeit vor Augen hielten und nicht alle Kräfte, die dem Bewußtsein überhaupt entsprechen, gesammelt in den Dienst des vorläufig Notwendigen stellten. - Es liegt auf der Hand, daß diese Metempsychose des Endzwecks um so häufiger, und gründlicher stattfinden muß, je komplizierter die Technik des Lebens wird. Mit steigendem Wettbewerbe und steigender Arbeitsleistung werden die Zwecke des Lebens immer schwerer zu erreichen, d.h. es bedarf für sie eines immer höheren Unterbaues von Mitteln. Ein ungeheurer Prozentsatz der Kulturmenschen bleibt ihr Leben lang in dem Interesse an der Technik, in jedem Sinne des Wortes, befangen; die Bedingungen, die die Verwirklichung ihrer Endabsichten tragen, beanspruchen ihre Aufmerksamkeit, konzentrieren ihre Kräfte derart auf sich, daß jene wirklichen Ziele dem Bewußtsein völlig entschwinden, ja, oft genug schließlich in Abrede gestellt werden. Das wird durch den Umstand begünstigt, daß in kulturell ausgebildeten Verhältnissen das Individuum schon in ein sehr vielgliedriges teleologisches System hineingeboren wird (z.B. in Hinsicht äußerer Sitten, nach deren Ursprung als Bedingungen sozialer Zwecke niemand mehr fragt, die vielmehr als kategorische Imperative gelten), daß er in die Mitarbeit an längst feststehenden Zwecken hineinwächst, daß sogar seine individuellen Ziele ihm vielfach als selbstverständliche aus der umgebenden Atmosphäre entgegenkommen und mehr in seinem tatsächlichen Sein und Sich-Entwickeln als in deutlichem Bewußtsein zur Geltung gelangen. Alle diese Um stände helfen dazu, die Endziele nicht nur des Lebens überhaupt, sondern auch innerhalb des Lebens nur unvollständig über die Schwelle des Bewußtseins steigen zu lassen und die ganze Zuspitzung desselben auf die praktische Aufgabe, die Realisierung der Mittel, zu richten.
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