III. Die äußerliche Bestimmtheit des Ideals


In Beziehung auf die Bestimmtheit des Ideals betrachteten wir zuerst im allgemeinen, weshalb und in welcher Weise dasselbe überhaupt in die Form der Besonderung hineinzutreten habe. Zweitens fanden wir, das Ideal müsse in sich bewegt sein und gehe deshalb zur Differenz in sich Selbst fort, deren Totalität sich als Handlung darstellte. Durch die Handlung jedoch geht das Ideal in die äußerliche Welt hinaus, und es fragt sich deshalb drittens, wie diese letzte Seite der konkreten Wirklichkeit auf kunstgemäße Weise zu gestalten sei. Denn das Ideal ist die mit ihrer Realität identifizierte Idee. Bisher verfolgten wir diese Wirklichkeit nur bis zur menschlichen Individualität und deren Charakter. Der Mensch aber hat auch ein konkretes äußeres Dasein, aus welchem heraus er sich zwar in sich als Subjekt zusammenschließt, doch in dieser subjektiven Einheit mit sich ebensosehr auf die Äußerlichkeit bezogen bleibt. Zum wirklichen Dasein des Menschen gehört eine umgebende Welt, wie zur Bildsäule des Gottes ein Tempel. Dies ist der Grund, weshalb wir jetzt auch der vielfachen Fäden erwähnen müssen, welche das Ideal an die Äußerlichkeit knüpfen und durch sie sich hindurchziehen.

Hierdurch treten wir in eine fast unüberschauliche Breite der Verhältnisse und Verwicklung in Äußerliches und Relatives herein. Denn erstens drängt sich sogleich die äußere Natur herzu, Lokalität, Zeit, Klima, und schon in dieser Beziehung stellt sich bei jedem Tritt und Schritt ein neues und immer bestimmtes Gemälde dar. Der Mensch ferner benutzt die äußere Natur zu seinen Bedürfnissen und Zwecken, und die Art und Weise dieses Gebrauchs, die Geschicklichkeit in Erfindung und Ausstattung der Geräte und Wohnung, der Waffen, Sessel, Wagen, die Art der Bereitung der Speisen und des Essens, das ganze weite Bereich der Lebensbequemlichkeit und des Luxus usf. kommt in Betracht.

Außerdem lebt der Mensch noch in einer konkreten Wirklichkeit geistiger Verhältnisse, die sich gleichfalls alle ein äußeres Dasein geben, so daß auch die unterschiedenen Weisen des Befehlens und Gehorchens, der Familie, Verwandtschaft, des Besitzes, Landlebens, Stadtlebens, religiösen Kultus, der Kriegführung, der bürgerlichen und politischen Zustände, der Geselligkeit, überhaupt die volle Mannigfaltigkeit der Sitten und Gebräuche in allen Situationen und Handlungen zur umgebenden wirklichen Welt des menschlichen Daseins gehören.

Nach allen diesen Beziehungen greift das Ideale unmittelbar in die gewöhnliche äußerliche Realität, in das Alltägliche der Wirklichkeit und damit in die gemeine Prosa des Lebens ein. Deshalb kann es, wenn man die nebulose Vorstellung vom Idealischen neuerer Zeit festhält, den Anschein haben, als wenn die Kunst allen Zusammenhang mit dieser Welt des Relativen abschneiden müsse, indem die Seite der Äußerlichkeit das ganz Gleichgültige, ja dem Geist und seiner Innerlichkeit gegenüber das Niedrige und Unwürdige sei. In diesem Sinne ist die Kunst als geistige Macht angesehen, welche uns über die ganze Sphäre der Bedürfnisse, Not und Abhängigkeit erheben und von dem Verstand und Witze, den der Mensch in diesem Felde zu verschwenden gewohnt ist, befreien solle. Denn ohnehin sei hier überhaupt das meiste rein konventionell und durch die Gebundenheit an Zeit, Ort und Gewohnheit ein Feld bloßer Zufälligkeiten, welche die Kunst in sich aufzunehmen verschmähen müsse. Dieser Schein der Idealität jedoch ist teils nur eine vornehme Abstraktion moderner Subjektivität, welcher es an Mut gebricht, sich mit der Äußerlichkeit einzulassen, teils ist es eine Art der Gewalt, die das Subjekt sich antut, um sich über diesen Kreis durch sich selber hinauszusetzen, wenn es nicht durch Geburt, Stand und Situation schon an und für sich darüber hinweggehoben ist. Als Mittel für dieses Hinaussetzen bleibt dann auch nichts übrig als die Zurückgezogenheit in die innere Welt der Gefühle, aus welcher das Individuum nicht heraustritt und nun in dieser Unwirklichkeit sich für das Hochwissende hält, das nur sehnsüchtig in den Himmel blickt und deshalb alles Erdenwesen glaubt geringschätzen zu dürfen. Das echte Ideal aber bleibt nicht beim Unbestimmten und bloß Innerlichen stehen, sondern muß in seiner Totalität auch bis zur bestimmten Anschaulichkeit des Äußeren nach allen Seiten hin herausgehen. Denn der Mensch, dieser volle Mittelpunkt des Ideals, lebt, er ist wesentlich jetzt und hier, Gegenwart, individuelle Unendlichkeit, und zum Leben gehört der Gegensatz einer umgebenden äußeren Natur überhaupt und damit ein Zusammenhang mit ihr und eine Tätigkeit in ihr. Indem nun diese Tätigkeit nicht nur als solche, sondern in ihrer bestimmten Erscheinung durch die Kunst soll aufgefaßt werden, hat sie an und in solchem Material ins Dasein zu treten.

Wie nun aber der Mensch in sich selbst eine subjektive Totalität ist und dadurch sich gegen das ihm Äußerliche abschließt, so ist auch die äußere Welt ein in sich konsequent zusammenhängendes und abgerundetes Ganzes. In dieser Ausschließung stehen beide Welten jedoch in wesentlicher Beziehung und machen in ihrem Zusammenhange erst die konkrete Wirklichkeit aus, deren Darstellung den Inhalt des Ideals abgibt. Damit entsteht die oben erwähnte Frage, in welcher Form und Gestalt das Äußerliche innerhalb solcher Totalität durch die Kunst könne auf ideale Weise dargestellt werden.

Wir haben auch in dieser Beziehung wieder drei Seiten am Kunstwerk zu unterscheiden.

Erstlich nämlich ist es die ganz abstrakte Äußerlichkeit als solche, die Räumlichkeit, Gestalt, Zeit, Farbe, welche für sich einer kunstgemäßen Form bedarf.

Zweitens tritt das Äußere in seiner konkreten Wirklichkeit, wie wir sie soeben geschildert haben, hervor und fordert im Kunstwerk ein Zusammenstimmen mit der Subjektivität des in solche Umgebung hineingestellten menschlichen Inneren.

Drittens ist das Kunstwerk für den Genuß der Anschauung, für ein Publikum, das in dem Kunstobjekt sich selbst seinem wahrhaften Glauben, Empfinden, Vorstellen nach wiederzufinden und mit den dargestellten Gegenständen in Einklang kommen zu können den Anspruch hat.


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