c. Die Begeisterung
Die Tätigkeit der Phantasie und technischen Ausführung nun, als Zustand im Künstler für sich betrachtet, ist das, was man drittens Begeisterung zu nennen gewohnt ist.
α) In betreff auf sie fragt es sich zunächst nach der Art ihrer Entstehung, rücksichtlich welcher die verschiedenartigsten Vorstellungen verbreitet sind.
αα) Insofern das Genie überhaupt im engsten Zusammenhange des Geistigen und Natürlichen steht, hat man geglaubt, daß die Begeisterung vornehmlich durch sinnliche Anregung könne zuwege gebracht werden. Aber die Wärme des Bluts macht's nicht allein, Champagner gibt noch keine Poesie; wie Marmontel z. B. erzählt, er habe in der Champagne in einem Keller bei sechstausend Flaschen vor sich gehabt, und es sei ihm doch nichts Poetisches zugeflossen. Ebenso kann sich das beste Genie oft genug morgens und abends beim frischen Wehen der Lüfte ins grüne Gras legen und in den Himmel sehen und wird doch von keiner sanften Begeisterung angehaucht werden.
ββ) Umgekehrt läßt sich die Begeisterung ebensowenig durch die bloß geistige Absicht zur Produktion hervorrufen. Wer sich bloß vornimmt, begeistert zu sein, um ein Gedicht zu machen oder ein Bild zu malen und eine Melodie zu erfinden, ohne irgendeinen Gehalt schon zu lebendiger Anregung in sich zu tragen, und nun erst hier und dort nach einem Stoffe umhersuchen muß, der wird aus dieser bloßen Absicht heraus, alles Talentes unerachtet, noch keine schöne Konzeption zu fassen oder ein gediegenes Kunstwerk hervorzubringen imstande sein. Weder jene nur sinnliche Anregung noch der bloße Wille und Entschluß verschafft echte Begeisterung, und solche Mittel anzuwenden beweist nur, daß das Gemüt und die Phantasie noch kein wahrhaftes Interesse in sich gefaßt haben. Ist dagegen der künstlerische Trieb rechter Art, so hat sich dies Interesse schon im voraus auf einen bestimmten Gegenstand und Gehalt geworfen und ihn festgehalten.
γγ) Die wahre Begeisterung deshalb entzündet sich an irgendeinem bestimmten Inhalt, den die Phantasie, um ihn künstlerisch auszudrücken, ergreift, und ist der Zustand dieses tätigen Ausgestaltens selbst - sowohl im subjektiven Innern als auch in der objektiven Ausführung des Kunstwerks; denn für diese gedoppelte Tätigkeit ist Begeisterung notwendig. Da läßt sich nun wieder die Frage aufwerfen, in welcher Weise solch ein Stoff an den Künstler kommen müsse. Auch in dieser Beziehung gibt es mehrfache Ansichten. Wie oft hört man nicht die Forderung aufstellen, der Künstler habe seinen Stoff nur aus sich selber zu schöpfen. Allerdings kann dies der Fall sein, wenn z. B. der Dichter »wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet«. Der eigene Frohsinn ist dann der Anlaß, der auch zugleich aus dem Innern heraus sich selbst als Stoff und Inhalt darbieten kann, indem er zum künstlerischen Genuß der eigenen Heiterkeit treibt. Dann ist auch »das Lied, das aus der Kehle dringt, ein Lohn, der reichlich lohnet«. Auf der anderen Seite jedoch sind oft die größten Kunstwerke auf eine ganz äußerliche Veranlassung geschaffen worden. Die Preisgesänge Pindars z. B. sind häufig aus Aufträgen entstanden, ebenso ist den Künstlern für Gebäude und Gemälde der Zweck und Gegenstand unzähligemal aufgegeben worden, und sie haben sich doch dafür zu begeistern vermocht. Ja, es ist sogar eine vielfach zu vernehmende Klage der Künstler, daß es ihnen an Stoffen fehle, die sie bearbeiten könnten. Eine solche Äußerlichkeit und deren Anstoß zur Produktion ist hier das Moment der Natürlichkeit und Unmittelbarkeit, welche zum Begriff des Talents gehört und sich in Rücksicht auf den Beginn der Begeisterung daher gleichfalls hervorzutun hat. Die Stellung des Künstlers ist nach dieser Seite hin von der Art, daß er eben als natürliches Talent in Verhältnis zu einem vorgefundenen gegebenen Stoffe tritt, indem er sich durch einen äußeren Anlaß, durch ein Begebnis, oder wie Shakespeare z. B. durch Sagen, alte Balladen, Novellen, Chroniken in sich aufgefordert findet, diesen Stoff zu gestalten und sich überhaupt darauf zu äußern. Die Veranlassung also zur Produktion kann ganz von außen kommen, und das einzig wichtige Erfordernis ist nur, daß der Künstler ein wesentliches Interesse fasse und den Gegenstand in sich lebendig werden lasse. Dann kommt die Begeisterung des Genies von selbst. Und ein echt lebendiger Künstler findet eben durch diese Lebendigkeit tausend Veranlassungen zur Tätigkeit und Begeisterung - Veranlassungen, an welchen andere, ohne davon berührt zu werden, vorübergehen.
β) Fragen wir weiter, worin die künstlerische Begeisterung bestehe, so ist sie nichts anderes, als von der Sache ganz erfüllt zu werden, ganz in der Sache gegenwärtig zu sein und nicht eher zu ruhen, als bis die Kunstgestalt ausgeprägt und in sich abgerundet ist.
γ) Wenn nun aber der Künstler in dieser Weise den Gegenstand ganz zu dem seinigen hat werden lassen, muß er umgekehrt seine subjektive Besonderheit und deren zufällige Partikularitäten zu vergessen wissen und sich seinerseits ganz in den Stoff versenken, so daß er als Subjekt nur gleichsam die Form ist für das Formieren des Inhaltes, der ihn ergriffen hat. Eine Begeisterung, in welcher sich das Subjekt als Subjekt aufspreizt und geltend macht, statt das Organ und die lebendige Tätigkeit der Sache selber zu sein, ist eine schlechte Begeisterung. - Dieser Punkt führt uns zu der sogenannten Objektivität künstlerischer Hervorbringungen hinüber.