Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit
und zur Religion und Philosophie
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 Weiter »
Indem wir aus der Einleitung in die wissenschaftliche Betrachtung unseres Gegenstandes hineintreten, ist es vorerst die allgemeine Stellung des Kunstschönen im Gebiete der Wirklichkeit überhaupt sowie der Ästhetik im Verhältnis zu anderen philosophischen Disziplinen, welche wir kurz zu bezeichnen haben, um den Punkt auszumachen, von welchem eine wahre Wissenschaft des Schönen ausgehen müsse.
Da könnte es zweckmäßig scheinen, zunächst von den verschiedenen Versuchen, das Schöne denkend zu fassen, eine Erzählung zu geben und diese Versuche zu zergliedern und zu beurteilen. Doch ist dies teils in der Einleitung bereits geschehen, teils kann es überhaupt einer wahrhaften Wissenschaftlichkeit nicht darauf ankommen, nur nachzusehen, was andere recht oder unrecht qemacht haben, oder von ihnen nur zu lernen. Eher schon ließe sich umgekehrt noch einmal darüber ein Wort vorausschicken, daß viele der Meinung sind, das Schöne ließe sich überhaupt, eben darum, weil es das Schöne sei, nicht in Begriffe fassen und bleibe daher für das Denken ein unbegreiflicher Gegenstand. Auf solche Behauptung ist an dieser Stelle kurz zu erwidern, daß, wenn auch heutigentags alles Wahre für unbegreiflich und nur die Endlichkeit der Erscheinung und die zeitliche Zufälligkeit für begreiflich ausgegeben wird, gerade das Wahre allein schlechthin begreiflich ist, weil es den absoluten Begriff und näher die Idee zu seiner Grundlage hat. Die Schönheit aber ist nur eine bestimmte Weise der Äußerung und Darstellung des Wahren und steht deshalb dem begreifenden Denken, wenn es wirklich mit der Macht des Begriffes ausgerüstet ist, durchaus nach allen Seiten hin offen. Freilich ist es in neuerer Zeit keinem Begriffe schlechter gegangen als dem Begriffe selber, dem Begriffe an und für sich, denn unter Begriff pflegt man gewöhnlich eine abstrakte Bestimmtheit und Einseitigkeit des Vorstellens oder des verständigen Denkens zu verstehen, mit welcher natürlich weder die Totalität des Wahren noch die in sich konkrete Schönheit denkend kann zum Bewußtsein gebracht werden. Denn die Schönheit, wie bereits gesagt und später noch auszuführen ist, ist nicht solche Abstraktion des Verstandes, sondern der in sich selbst konkrete absolute Begriff und, bestimmter gefaßt, die absolute Idee in ihrer sich selbst gemäßen Erscheinung.
Wenn wir, was die absolute Idee in ihrer wahrhaftigen Wirklichkeit sei, kurz bezeichnen wollen, so müssen wir sagen, sie sei Geist, und zwar nicht etwa der Geist in seiner endlichen Befangenheit und Beschränktheit, sondern der allgemeine unendliche und absolute Geist, der aus sich selber bestimmt, was wahrhaft das Wahre ist. Fragen wir nur unser gewöhnliches Bewußtsein, so drängt sich freilich vom Geist die Vorstellung auf, als ob er der Natur gegenüberstehe, der wir dann die gleiche Würde zuschreiben. Doch in diesem Nebeneinander und Bezogensein der Natur und des Geistes als gleich wesentlicher Gebiete ist der Geist nur in seiner Endlichkeit und Schranke, nicht in seiner Unendlichkeit und Wahrheit betrachtet. Dem absoluten Geiste nämlich steht die Natur weder als von gleichem Werte noch als Grenze gegenüber, sondern erhält die Stellung, durch ihn gesetzt zu sein, wodurch sie ein Produkt wird, dem die Macht einer Grenze und Schranke genommen ist. Zugleich ist der absolute Geist nur als absolute Tätigkeit und damit als absolute Unterscheidung seiner in sich selbst zu fassen. Dies Andere nun, als das er sich von sich unterscheidet, ist einerseits eben die Natur, und der Geist [ist] die Güte, diesem Anderen seiner selbst die ganze Fülle seines eigenen Wesens zu geben. Die Natur haben wir deshalb selber als die absolute Idee in sich tragend zu begreifen, aber sie ist die Idee in der Form, durch den absoluten Geist als das Andere des Geistes gesetzt zu sein. Wir nennen sie insofern ein Geschaffenes. Ihre Wahrheit aber ist deshalb das Setzende selber, der Geist als die Idealität und Negativität, indem er sich zwar in sich besondert und negiert, aber diese Besonderung und Negation seiner als die durch ihn gesetzte ebenso aufhebt und, statt darin eine Grenze und Schranke zu haben, mit seinem Anderen sich in freier Allgemeinheit mit sich selbst zusammenschließt. Diese Idealität und unendliche Negativität macht den tiefen Begriff der Subjektivität des Geistes aus. Als Subjektivität nun aber ist der Geist zunächst nur erst an sich die Wahrheit der Natur, indem er seinen wahren Begriff noch nicht für sich selber gemacht hat. Die Natur steht ihm somit nicht als das durch ihn gesetzte Andere, in welchem er zu sich selber zurückkehrt, gegenüber, sondern als unüberwundenes, beschränkendes Anderssein, auf welches, als auf ein vorgefundenes Objekt, der Geist als das Subjektive in seiner Existenz des Wissens und Wollens bezogen bleibt und nur die andere Seite zur Natur zu bilden vermag. In diese Sphäre fällt die Endlichkeit des theoretischen sowohl als des praktischen Geistes, die Beschränktheit im Erkennen und das bloße Sollen im Realisieren des Guten. Auch hier wie in der Natur ist die Erscheinung ihrem wahrhaften Wesen ungleich, und wir erhalten noch den verwirrenden Anblick von Geschicklichkeiten, Leidenschaften, Zwecken, Ansichten und Talenten, die sich suchen und fliehen, für- und gegeneinander arbeiten und sich durchkreuzen, während sich bei ihrem Wollen und Bestreben, Meinen und Denken die mannigfaltigsten Gestalten des Zufalls fördernd oder störend einmischen. Dies ist der Standpunkt des nur endlichen, zeitlichen, widersprechenden und dadurch vergänglichen, unbefriedigten und unseligen Geistes. Denn die Befriedigungen, die diese Sphäre bietet, sind in der Gestalt ihrer Endlichkeit selbst immer noch beschränkt und verkümmert, relativ und vereinzelt. Der Blick, das Bewußtsein, Wollen und Denken erhebt sich deshalb über sie und sucht und findet seine wahre Allgemeinheit, Einheit und Befriedigung anderswo: im Unendlichen und Wahren. Diese Einheit und Befriedigung, zu welcher die treibende Vernünftigkeit des Geistes den Stoff seiner Endlichkeit hinaufhebt, ist dann erst die wahre Enthüllung dessen, was die Erscheinungswelt ihrem Begriff nach ist. Der Geist erfaßt die Endlichkeit selber als das Negative seiner und erringt sich dadurch seine Unendlichkeit. Diese Wahrheit des endlichen Geistes ist der absolute Geist. - In dieser Form nun aber wird der Geist nur wirklich als absolute Negativität; er setzt in sich selber seine Endlichkeit und hebt sie auf. Dadurch macht er sich in seinem höchsten Gebiete für sich selbst zum Gegenstande seines Wissens und Wollens. Das Absolute selber wird Objekt des Geistes, indem der Geist auf die Stufe des Bewußtseins tritt und sich in sich als Wissendes und diesem gegenüber als absoluter Gegenstand des Wissens unterscheidet. Von dem früheren Standpunkte der Endlichkeit des Geistes aus ist der Geist, der von dem Absoluten als gegenüberstehendem unendlichen Objekte weiß, dadurch als das davon unterschiedene Endliche bestimmt. In der höheren spekulativen Betrachtung aber ist es der absolute Geist selber, der, um für sich das Wissen seiner selbst zu sein, sich in sich unterscheidet und dadurch die Endlichkeit des Geistes setzt, innerhalb welcher er sich absoluter Gegenstand des Wissens seiner selber wird. So ist er absoluter Geist in seiner Gemeinde, das als Geist und Wissen seiner wirkliche Absolute.
« Zurück 1 |
2 |
3 |
4 |
5 Weiter »