c. Die konkrete Entwicklung der dramatischen Poesie und ihrer Arten

 

ββ) Komisch nämlich, wie wir sahen, ist überhaupt die Subjektivität, die ihr Handeln durch sich selber in Widerspruch bringt und auflöst, dabei aber ebenso ruhig und ihrer selbst gewiß bleibt. Die Komödie hat daher das zu ihrer Grundlage und ihrem Ausgangspunkte, womit die Tragödie schließen kann: das in sich absolut versöhnte, heitere Gemüt, das, wenn es auch sein Wollen durch seine eigenen Mittel zerstört und an sich selber zuschanden wird, weil es aus sich selbst das Gegenteil seines Zwecks hervorgebracht hat, darum doch nicht seine Wohlgemutheit verliert. Diese Sicherheit des Subjekts aber ist andererseits nur dadurch möglich, daß die Zwecke und damit auch die Charaktere entweder an und für sich nichts Substantielles enthalten oder, haben sie an und für sich Wesentlichkeit, dennoch in einer ihrer Wahrheit nach schlechthin entgegengesetzten und deshalb substanzlosen Gestalt zum Zweck gemacht und durchgeführt werden, so daß in dieser Rücksicht also immer nur das an sich selber Nichtige und Gleichgültige zugrunde geht und das Subjekt ungestört aufrecht stehenbleibt.

Dies ist nun auch im ganzen der Begriff der alten klassischen Komödie, wie sie sich für uns in den Stücken des Aristophanes erhalten hat. Man muß in dieser Rücksicht sehr wohl unterscheiden, ob die handelnden Personen für sich selbst komisch sind oder nur für die Zuschauer. Das erstere allein ist zur wahrhaften Komik zu rechnen, in welcher Aristophanes Meister war. Diesem Standpunkte gemäß stellt sich ein Individuum nur dann als lächerlich dar, wenn sich zeigt, es sei ihm in dem Ernste seines Zwecks und Willens selber nicht Ernst, so daß dieser Ernst immer für das Subjekt selbst seine eigene Zerstörung mit sich führt, weil es sich eben von Hause aus in kein höheres allgemeingültiges Interesse, das in eine wesentliche Entzweiung bringt, einlassen kann und, wenn es sich auch wirklich darauf einläßt, nur eine Natur zum Vorschein kommen läßt, die durch ihre gegenwärtige Existenz unmittelbar das schon zunichte gemacht hat, was sie scheint ins Werk richten zu wollen, so daß man sieht, es ist eigentlich gar nicht in sie eingedrungen. Das Komische spielt deshalb mehr in unteren Ständen der Gegenwart und Wirklichkeit selbst, unter Menschen, die einmal sind, wie sie eben sind, nicht anders sein können und wollen und, jedes echten Pathos unfähig, dennoch nicht den mindesten Zweifel in das setzen, was sie sind und treiben. Zugleich aber tun sie sich als höhere Naturen dadurch kund, daß sie nicht an die Endlichkeit, in welche sie sich hineinbegeben, ernstlich gebunden sind, sondern darüber erhoben und gegen Mißlingen und Verlust in sich selber fest und gesichert bleiben. Diese absolute Freiheit des Geistes, die an und für sich in allem, was der Mensch beginnt, von Anfang an getröstet ist, diese Welt der subjektiven Heiterkeit ist es, in welche uns Aristophanes einführt. Ohne ihn gelesen zu haben, läßt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann. - Die Interessen nun, in welchen diese Art der Komödie sich bewegt, brauchen nicht etwa aus den der Sittlichkeit, Religion und Kunst entgegengesetzten Gebieten hergenommen zu sein; im Gegenteil, die alte griechische Komödie hält sich gerade innerhalb dieses objektiven und substantiellen Kreises, aber es ist die subjektive Willkür, die gemeine Torheit und Verkehrtheit, wodurch die Individuen sich Handlungen, die höher hinauswollen, zunichte machen. Und hier bietet sich für Aristophanes ein reicher, glücklicher Stoff teils an den griechischen Göttern, teils an dem atheniensischen Volke dar. Denn die Gestaltung des Göttlichen zur menschlichen Individualität hat an dieser Repräsentation und deren Besonderheit, insofern dieselbe weiter gegen das Partikuläre und Menschliche hin ausgeführt wird, selbst den Gegensatz gegen die Hoheit ihrer Bedeutung und läßt sich als ein leeres Aufspreizen dieser ihr unangemessenen Subjektivität darstellen. Besonders aber liebt es Aristophanes, die Torheiten des Demos, die Tollheiten seiner Redner und Staatsmänner, die Verkehrtheit des Krieges, vor allem aber am unbarmherzigsten die neue Richtung des Euripides in der Tragödie auf die possierlichste und zugleich tiefste Weise dem Gelächter seiner Mitbürger preiszugeben. Die Personen, in denen er diesen Inhalt seiner großartigen Komik verkörpert, macht er in unerschöpflicher Laune gleich von vornherein zu Toren, so daß man sogleich sieht, daß nichts Gescheites herauskommen könne. So den Strepsiades, der zu den Philosophen gehen will, seiner Schulden ledig zu werden; so den Sokrates, der sich zum Lehrer des Strepsiades und seines Sohnes hergibt; so den Bacchus, den er in die Unterwelt hinabsteigen läßt, um wieder einen wahrhaften Tragiker hervorzuholen; ebenso den Kleon, die Weiber, die Griechen, welche die Friedensgöttin aus dem Brunnen ziehen wollen usf. Der Hauptton, der uns aus diesen Darstellungen entgegenklingt, ist das um so unverwüstbarere Zutrauen aller dieser Figuren zu sich selbst, je unfähiger sie sich zur Ausführung dessen zeigen, was sie unternehmen. Die Toren sind so unbefangene Toren, und auch die verständigeren haben gleich solch einen Anstrich des Widerspruchs mit dem, worauf sie sich einlassen, daß sie nun auch diese unbefangene Sicherheit der Subjektivität, es mag kommen und gehen, wie es will, niemals verlieren. Es ist die lachende Seligkeit der olympischen Götter, ihr unbekümmerter Gleichmut, der in die Menschen heimgekehrt und mit allem fertig ist. Dabei zeigt sich Aristophanes nie als ein kahler, schlechter Spötter, sondern er war ein Mann von geistreichster Bildung, der vortrefflichste Bürger, dem es Ernst blieb mit dem Wohle Athens und der sich durchweg als wahrer Patriot bewies. Was sich daher in seinen Komödien in voller Auflösung darstellt, ist, wie ich schon früher sagte, nicht das Göttliche und Sittliche, sondern die durchgängige Verkehrtheit, die sich zu dem Schein dieser substantiellen Mächte aufspreizt, die Gestalt und individuelle Erscheinung, in welcher die eigentliche Sache schon von Hause aus nicht mehr vorhanden ist, so daß sie dem ungeheuchelten Spiele der Subjektivität offen kann bloßgegeben werden. Indem aber Aristophanes den absoluten Widerspruch des wahren Wesens der Götter, des politischen und sittlichen Daseins und der Subjektivität der Bürger und Individuen, welche diesen Gehalt verwirklichen sollen, vorführt, liegt selber in diesem Siege der Subjektivität, aller Einsicht zum Trotz, eines der größten Symptome vom Verderben Griechenlands, und so sind diese Gebilde eines unbefangenen Grundwohlseins in der Tat die letzten großen Resultate, welche aus der Poesie des geistreichen, bildungsvollen, witzigen griechischen Volkes hervorgehen.

β) Wenden wir uns jetzt sogleich zur dramatischen Kunst der modernen Welt herüber, so will ich auch hier nur im allgemeinen noch einige Hauptunterschiede näher herausstellen, welche sowohl in bezug auf das Trauerspiel als auch auf das Schauspiel und die Komödie von Wichtigkeit sind.

αα) Die Tragödie in ihrer antiken, plastischen Hoheit bleibt noch bei der Einseitigkeit stehen, das Gelten der sittlichen Substanz und Notwendigkeit zur allein wesentlichen Basis zu machen, dagegen die individuelle und subjektive Vertiefung der handelnden Charaktere in sich unaus-gebildet zu lassen, während die Komödie zur Vervollständigung ihrerseits in umgekehrter Plastik die Subjektivität in dem freien Ergehen ihrer Verkehrtheit und deren Auflösung zur Darstellung bringt.

Die moderne Tragödie nun nimmt in ihrem eigenen Gebiete das Prinzip der Subjektivität von Anfang an auf. Sie macht deshalb die subjektive Innerlichkeit des Charakters, der keine bloß individuelle klassische Verlebendigung sittlicher Mächte ist, zum eigentlichen Gegenstande und Inhalt und läßt in dem gleichartigen Typus die Handlungen ebenso durch den äußeren Zufall der Umstände in Kollision kommen, als die ähnliche Zufälligkeit auch über den Erfolg entscheidet oder zu entscheiden scheint. - In dieser Rücksicht sind es folgende Hauptpunkte, die wir zu besprechen haben: erstens die Natur der mannigfaltigen Zwecke, welche als Inhalt der Charaktere zur Ausführung gelangen sollen; zweitens die tragischen Charaktere selbst sowie die Kollisionen, denen sie unterworfen sind; drittens die von der antiken Tragödie unterschiedene Art des Ausgangs und der tragischen Versöhnung.

Wie sehr auch im romantischen Trauerspiel die Subjektivität der Leiden und Leidenschaften, im eigentlichen Sinne dieses Worts, den Mittelpunkt abgibt, so kann dennoch im menschlichen Handeln die Grundlage bestimmter Zwecke aus den konkreten Gebieten der Familie, des Staats, der Kirche usf. nicht ausbleiben. Denn mit dem Handeln tritt der Mensch überhaupt in den Kreis der realen Besonderheit ein. Insofern aber jetzt nicht das Substantielle als solches in diesen Sphären das Interesse der Individuen ausmacht, partikularisieren sich die Zwecke einerseits zu einer Breite und Mannigfaltigkeit sowie zu einer Spezialität, in welcher das wahrhaft Wesentliche oft nur noch in verkümmerter Weise hindurchzuscheinen vermag. Außerdem erhalten diese Zwecke eine durchaus veränderte Gestalt. In dem religiösen Kreise z. B. bleiben nicht mehr die zu Götterindividuen durch die Phantasie herausgestellten besonderen sittlichen Mächte in eigener Person oder als Pathos menschlicher Heroen der durchgreifende Inhalt, sondern die Geschichte Christi, der Heiligen usf. wird dargestellt; im Staat ist es besonders das Königtum, die Macht der Vasallen, der Streit der Dynastien oder einzelner Mitglieder ein und desselben Herrscherhauses untereinander, was in bunter Verschiedenheit zum Vorschein kommt; ja weiterhin handelt es sich auch um bürgerliche und privatrechtliche und sonstige Verhältnisse, und in der ähnlichen Art tun sich auch im Familienleben Seiten hervor, welche dem antiken Drama noch nicht zugänglich waren. Denn indem sich in den genannten Kreisen das Prinzip der Subjektivität selber sein Recht verschafft hat, treten eben hierdurch in allen Sphären neue Momente heraus, die der moderne Mensch zum Zweck und zur Richtschnur seines Handelns zu machen sich die Befugnis gibt.

Andererseits ist es das Recht der Subjektivität als solcher, die sich als alleiniger Inhalt feststellt und nun die Liebe, die persönliche Ehre usf. so sehr als ausschließlichen Zweck ergreift, daß die übrigen Verhältnisse teils nur als der äußerliche Boden erscheinen können, auf welchem sich diese modernen Interessen hinbewegen, teils für sich den Forderungen des subjektiven Gemüts konfliktvoll entgegenstehen. Vertiefter noch ist es das Unrecht und Verbrechen, das der subjektive Charakter, wenn er es sich auch nicht als Unrecht und Verbrechen selber zum Zweck macht, dennoch, um sein vorgestecktes Ziel zu erreichen, nicht scheut. Dieser Partikularisation und Subjektivität gegenüber können sich drittens die Zwecke ebensosehr wieder teils zur Allgemeinheit und umfassenden Weite des Inhalts ausdehnen, teils werden sie als in sich selber substantiell aufgefaßt und durchgeführt. In der ersten Rücksicht will ich nur an die absolute philosophische Tragödie, an Goethes Faust erinnern, in welcher einerseits die Befriedigungslosigkeit in der Wissenschaft, andererseits die Lebendigkeit des Weltlebens und irdischen Genusses, überhaupt die tragisch versuchte Vermittlung des subjektiven Wissens und Strebens mit dem Absoluten, in seinem Wesen und seiner Erscheinung, eine Weite des Inhalts gibt, wie sie in ein und demselben Werke zu umfassen zuvor kein anderer dramatischer Dichter gewagt hat. In der ähnlichen Art ist auch Schillers Karl Moor gegen die gesamte bürgerliche Ordnung und den ganzen Zustand der Welt und Menschheit seiner Zeit empört und lehnt sich in diesem allgemeinen Sinne gegen dieselbe auf. Wallenstein faßt gleichfalls einen großen allgemeinen Zweck, die Einheit und den Frieden Deutschlands, einen Zweck, den er ebensosehr durch seine Mittel, die, nur künstlich und äußerlich zusammengehalten, gerade da zerbrechen und zerfahren, wo es ihm Ernst wird, als auch durch seine Erhebung gegen die kaiserliche Autorität verfehlt, an deren Macht er mit seinem Unternehmen zerschellen muß. Dergleichen allgemeine Weltzwecke, wie sie Karl Moor und Wallenstein verfolgen, lassen sich überhaupt nicht durch ein Individuum in der Art durchführen, daß die anderen zu gehorsamen Instrumenten werden, sondern sie setzen sich durch sich selber teils mit dem Willen vieler, teils gegen und ohne ihr Bewußtsein durch. Als Beispiele einer Auffassung der Zwecke als in sich substantieller will ich nur einige Tragödien des Calderon anführen, in welchen die Liebe, Ehre usf. in Rücksicht auf ihre Rechte und Pflichten von den handelnden Individuen selbst wie nach einem Kodex für sich fester Gesetze gehandhabt wird. Auch in Schillers tragischen Figuren kommt, wenn auch auf einem ganz anderen Standpunkte, häufig das Ähnliche zunächst insofern vor, als diese Individuen ihre Zwecke zugleich im Sinne allgemeiner absoluter Menschenrechte auffassen und verfechten. So meint z. B. schon der Major Ferdinand in Kabale und Liebe die Rechte der Natur gegen die Konvenienzen der Mode zu verteidigen, und vor allem fordert Marquis Posa Gedankenfreiheit als ein unveräußerliches Gut der Menschheit.

Im allgemeinen aber ist es in der modernen Tragödie nicht das Substantielle ihres Zwecks, um dessentwillen die Individuen handeln und was sich als das Treibende in ihrer Leidenschaft bewährt, sondern die Subjektivität ihres Herzens und Gemüts oder die Besonderheit ihres Charakters dringt auf Befriedigung. Denn selbst in den eben angeführten Beispielen ist teils bei jenen spanischen Ehren- und Liebeshelden der Inhalt ihrer Zwecke an und für sich so subjektiver Art, daß die Rechte und Pflichten desselben mit den eigenen Wünschen des Herzens unmittelbar zusammenfallen können, teils erscheint in Schillers Jugendwerken das Pochen auf Natur, Menschenrechte und Weltverbesserung mehr nur als Schwärmerei eines subjektiven Enthusiasmus; und wenn Schiller in seinem späteren Alter ein reiferes Pathos geltend zu machen suchte, so geschah dies eben, weil er das Prinzip der antiken Tragödie auch in der modernen dramatischen Kunst wiederherzustellen im Sinne hatte. Um den näheren Unterschied bemerkbar zu machen, der in dieser Rücksicht zwischen der antiken und modernen Tragödie stattfindet, will ich nur auf Shakespeares Hamlet hinweisen, welchem eine ähnliche Kollision zugrunde liegt, wie sie Aischylos in den Choephoren und Sophokles in der Elektra behandelt hat. Denn auch dem Hamlet ist der Vater und König erschlagen, und die Mutter hat den Mörder geheiratet. Was aber bei den griechischen Dichtern eine sittliche Berechtigung hat, der Tod des Agamemnon, erhält dagegen bei Shakespeare die alleinige Gestalt eines verruchten Verbrechens, an welchem Hamlets Mutter unschuldig ist, so daß sich der Sohn als Rächer nur gegen den brudermörderischen König zu wenden hat und in ihm nichts vor sich sieht, was wahrhaft zu ehren wäre. Die eigentliche Kollision dreht sich deshalb auch nicht darum, daß der Sohn in seiner sittlichen Rache selbst die Sittlichkeit verletzen muß, sondern um den subjektiven Charakter Hamlets, dessen edle Seele für diese Art energischer Tätigkeit nicht geschaffen ist und, voll Ekel an der Welt und am Leben, zwischen Entschluß, Proben und Anstalten zur Ausführung umhergetrieben, durch das eigene Zaudern und die äußere Verwicklung der Umstände zugrunde geht.

 


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