1. Persönliches


Als Vorgänger und Freund (hetairos) Demokrits nennt Aristoteles einen gewissen Leukippos, von dem wir aber sonst nichts Sicheres wissen, so dass schon von Epikur und neuerdings von Rohde seine Existenz bezweifelt worden ist. Seine Schriften sollen später unter diejenigen Demokrits gekommen sein. Die verschiedenen Angaben über seine Heimat: Abdera, Elea oder Milet scheinen mehr auf die Entstehung seiner Philosophie als auf seine wirkliche Geburtsstätte hinzuweisen. Indem wir die Persönlichkeit Leukipps dahingestellt sein lassen, behandeln wir im folgenden allein Demokrit, ohne uns um dessen vollständige oder nicht vollständige Originalität zu kümmern.

Demokrits Heimat war die damals blühende und reiche, später in den Ruf der griechischen Schildbürgerstadt (vgl. Wielands ›Abderiten‹) gekommene, von ionischen Kolonisten gegründete Handelsstadt Abdera in Thrakien. Seine Geburt fällt wahrscheinlich in die Zeit 470-460; er selbst nennt sich »jung, als Anaxagoras schon alt war« Sein bedeutendes Vermögen verwandte er auf große Forschungsreisen, besonders nach dem Morgenlande. Zurückgekehrt führte er in seiner Vaterstadt, fern von dem geräuschvollen Treiben Athens, ein stilles, besonders der mathematisch- naturwissenschaftlichen Forschung gewidmetes Gelehrtenleben. Für eine einzige »Ätiologie«, d. i. Angabe eines wissenschaftlichen Grundes, wollte er das ganze Perserreich hingeben. Von der Fülle von Sagen und Anekdoten, die das spätere Altertum an seinen, Namen heftete, scheint der Beiname des »lachenden Philosophen« auf den ernsten Gelehrten, und der Ruf der Vielwisserei auf den Mann, der sich mehr als seines Wissens der geometrischen Kunst rühmte und in der Fülle des Verstandes das einzig Erstrebenswerte sah, am wenigsten zu passen. Im hohen Alter von 90 oder 100 Jahren soll er sanft und schmerzlos aus dem Leben geschieden sein.

Mit den Systemen seiner Vorgänger war Demokrit bekannt: er erwähnt Pythagoras, Parmenides, Zeno, Anaxagoras und seinen Landsmann Protagoras, den ersten Sophisten (s. § 11). Dagegen suchte er keine Verbindung mit der attischen Philosophie seiner Zeit. Er soll in Athen gewesen sein, ohne sich Sokrates oder einem anderen der dortigen Philosophen zu erkennen zu geben. Von den Sophisten hielt ihn wohl seine Gesinnung ab: »Wer gern widerspricht und viele Worte macht, ist unfähig, etwas Rechtes zu lernenü; von Sokrates vielleicht dessen Abneigung gegen sein hauptsächlichstes Forschungsgebiet. Auffallend ist, dass Plato niemals Demokrits Namen nennt, obwohl er ihn an einigen Stellen im Auge gehabt zu haben scheint. Aristoteles dagegen erwähnt ihn nicht weniger als 78 mal und, obwohl Gegner, doch stets mit Achtung. Sein Stil wird von Cicero dem platonischen gleichgestellt. Seine schriftstellerische Tätigkeit war außerordentlich fruchtbar. Die 60 Schriften (in 15 Tetralogien), die das Altertum ihm zuschrieb, umspannten den ganzen Kreis des damaligen Wissens: Mathematik, Naturwissenschaft, Ethik, Ästhetik, Grammatik und Technik. Die verhältnismäßig spärlichen, namentlich aus seinen ethischen Schriften erhaltenen Bruchstücke lassen den Verlust des Übrigen um so bedauernswerter erscheinen. Durch Sokrates und Plato wurde die Philosophie auf andere Probleme hingelenkt. Das mag dazu beigetragen haben, dass Demokrit, der in erster Linie doch Naturphilosoph blieb, später in Vergessenheit geriet, aus der ihn erst nach zwei Jahrtausenden Baco und Gassendi wieder ans Licht zogen. Aber erst neuerdings hat man ihn ganz würdigen gelernt.


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