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I. [Die Wertsteigerung des Geldes durch die Unbegrenztheit seiner Verwendungsmöglichkeiten]

 

Der Vorteil, den das Geld aus seiner Gelöstheit von allen spezifischen Inhalten und Bewegungen der Wirtschaft zieht, äußert sich noch in anderen Erscheinungsreihen, deren Typus es ist, daß bei noch so starken und ruinösen Erschütterungen der Wirtschaft die eigentlichen Geldleute unverändert, ja in erhöhtem Maße zu profitieren pflegen. So viele Zusammenbrüche und Existenzvernichtungen die Folge sowohl der Preisstürze wie der besinnungslosen Haussen auf dem Warenmarkte sein mögen - die Erfahrung hat als die Regel gezeigt, daß die großen Bankiers aus diesen entgegengesetzten Gefahren für Verkäufer oder Käufer, Gläubiger oder Schuldner ihren gleichmäßigen Gewinn ziehen. Das Geld, als das völlig indifferente Werkzeug der ökonomischen Bewegung, läßt sich seine Dienste bei jeder Richtung und jedem Tempo derselben bezahlen. Für diese Freiheit muß es freilich auch seine Steuer entrichten: die Parteilosigkeit des Geldes bewirkt, daß an den Geldgeber leicht Ansprüche von verschiedenen, einander feindseligen Seiten gestellt werden und er leichter in den Verdacht des Verrates gerät, als irgend jemand, der mit qualitativ bestimmten Werten operiert. Im Beginn der Neuzeit, als die großen Geldmächte der Fugger, der Welser, der Florentiner und Genuesen in die politischen Entscheidungen eintraten, insbesondere in den gewaltigen Kampf der habsburgischen und der französischen Macht um die europäische Hegemonie, wurden sie von jeder Partei mit stetem Mißtrauen betrachtet, selbst von derjenigen, der sie ungeheure Summen geliehen hatten. Der Geldleute war man eben nie sicher, das bloße Geldgeschäft legte sie nie auch nur für den nächsten Augenblick unzweideutig fest, und der Gegner, dessen Bekämpfung sie soeben unterstützt hatten, sah darin gar kein Hindernis, nun seinerseits mit Forderungen oder Anerbietungen an sie heranzutreten. Das Geld hat jene sehr positive Eigenschaft, die man mit dem negativen Begriffe der Charakterlosigkeit bezeichnet. Dem Menschen, den wir charakterlos nennen, ist es wesentlich, nicht durch die innere und inhaltliche Dignität von Personen, Dingen, Gedanken sich bestimmen zu lassen, sondern durch die quantitative Macht, mit der das Einzelne ihn beeindruckt, vergewaltigt zu werden. So ist es der von allen spezifischen Inhalten gelöste und in reiner Quantität bestehende Charakter des Geldes, der ihm und den nur nach ihm gravitierenden Menschen die Färbung der Charakterlosigkeit einträgt - die fast logisch notwendige Schattenseite jener Vorteile des Geldgeschäftes und der spezifischen Höherwertung des Geldes gegenüber qualitativen Werten. Dieses Übergewicht des Geldes drückt sich zunächst in der angeführten Erfahrung aus, daß der Verkäufer interessierter und beeiferter ist als der Käufer. Denn es verwirklicht sich hier eine für unser ganzes Verhalten zu den Dingen äußerst bedeutsame Form: daß von zwei Wertklassen, die einander gegenüberstehen und als Ganze betrachtet werden, die erste der zweiten entschieden überlegen ist, daß aber der einzelne Inhalt oder Exemplar der zweiten einem entsprechenden der ersten gegenüber den Vorzug hat. So würden wir, vor die Wahl zwischen der Gesamtheit aller materiellen und aller idealen Güter gestellt, uns wohl für die ersteren entscheiden müssen, weil der Verzicht auf sie das Leben überhaupt, mitsamt seinen idealen Inhalten, verneinen würde; während wir nicht schwanken mögen, jedes einzelne herausgegriffene materielle Gut für irgendein ideales dahinzugehen. So sind wir in unseren Beziehungen zu verschiedenen Menschen gar nicht im Zweifel, wieviel wertvoller und unentbehrlicher, als Ganzes empfunden, uns die eine als die andere ist; dennoch, in den einzelnen Momenten und Seiten des Verhältnisses mag uns das als Ganzes wertlosere das erfreulichere und bestechendere sein. So also verhält es sich zwischen dem Geld und den konkreten Wertobjekten: die Wahl zwischen der Gesamtheit der letzteren und der des ersteren würde sogleich dessen innere Wertlosigkeit offenbaren, da wir dann bloß ein Mittel, aber keinen Zweck, dem es diene, mehr hätten; dagegen, das einzelne Geldquantum gegen das einzelne Warenquantum gehalten, wird der Austausch des letzteren gegen das erstere in der Regel mit sehr viel größerer Intensität als der umgekehrte begehrt. Auch besteht dieses Verhältnis nicht nur zwischen den Gegenständen überhaupt und dem Gelde überhaupt, sondern auch zwischen diesem und einzelnen Warenkategorien. Die einzelne Stecknadel ist fast wertlos, Stecknadeln überhaupt aber sind fast unentbehrlich und »gar nicht mit Geld aufzuwiegen«. Unzählige Warenarten verhalten sich so: die Möglichkeit, für Geld das einzelne Exemplar ohne weiteres zu beschaffen, entwertet dasselbe prinzipiell dem Gelde gegenüber, das Geld erscheint als die herrschende Macht, die über den Gegenstand verfügt; dagegen die Warenart als Ganze ist in ihrer Bedeutung für uns mit Geld ganz inkommensurabel und hat ihm gegenüber jenen selbständigen Wert, den die leichte Wiederbeschaffbarkeit des singulären Exemplars so oft für unser Bewußtsein überdeckt. Da das praktisch ökonomische Interesse sich aber fast aus schließlich an das einzelne Stück, bzw. eine begrenzte Summe von Stücken, heftet, so hat die Geldwirtschaft es wirklich zustande gebracht, daß unser Wertgefühl den Dingen gegenüber ein Maß an ihrem Geldwert zu finden pflegt. Das aber steht ersichtlich in Wechselwirkung mit jenem überwiegenden Interesse, das Geld statt des Gegenstandes in Händen zu haben.

 


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