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Thron und Altar

Thron und Altar dringt als beliebte Schlagwortformel aus der Redeweise der französischen Geistlichkeit, wo sie ZfdW. 2, 311 bis 1765 hinab verfolgt worden ist, spätestens in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts ins Deutsche ein. Nach Brunetières Vermutung (Études Critiques 2, 222) entstand die Verbindung le trône et l’autel zur Zeit der Enzyklopädisten. Als ältesten deutschen Beleg habe ich bisher ZfdU. 19, 126 eine Stelle Wielands im Deutschen Merkur 1775, 1. Viertelj. S. 221 f. nachgewiesen: „In den meisten und angelegensten Fällen … sind es fremde Leidenschaften und Vorurteile, ist es der Druck oder Stoß weniger einzelner Hände … — was Tausende und Hunderttausende in Bewegung setzt, wovon sie weder die Richtung, noch die Folgen sehen, was Staaten in Verwirrung bringt, Empörungen, Spaltungen und Bürgerkriege verursacht, Tempel, Altäre und Thronen umstürzt.“

Ausführlich erörtert Herder 13, 389 f. (1785) den alten Gegensatz zwischen Thron und Altar, indem er zeigt, wie Regenten und Weise bei fortschreitender Kultur danach gestrebt hätten, die Symbole höherer Mächte immer mehr einzuschränken und an Stelle der ehemaligen Priesterherrschaft das selbstbewußte Despotentum zu setzen: „Daher der unglückliche Streit zwischen dem Thron und Altar bei allen halbkultivierten Nationen, bis man endlich beide gar zu verbinden suchte und damit das unförmliche Ding eines Altars auf dem Thron oder eines Throns auf dem Altar zur Welt brachte.“ Die Verlierenden bei dem ungleichen Kampf seien notwendig die Priester gewesen.

Vgl. ferner den bei Meyer S. 30 angeführten Beleg aus dem Jahre 1794 und Pfeffel 7, 33 (1797) … „Die Zeit verzehrt Auch Thronen und Altäre.“

Im 19. Jahrhundert häufen sich die Zeugnisse für das Fortleben des Schlagwortes derart, dass ich einerseits nur aus Löschhorns Referat in der ZfdU. 18, 520 f. verweise, andererseits namentlich an Heines giftige Polemik 3, 417 ff. (1830) erinnere, welcher höhnend von der frommen Dialektik spricht, nach der ein Gegner der sogenannten Staatsreligionen „auch ein Feind der Religion und des Staats sei, ein Feind Gottes und des Königs oder, wie die gewöhnliche Formel lautet: ein Feind des Throns und des Altars“. Dem Eingeweihten seien aber Pfaffen und Adelige gerade als die ärgsten Heuchler bekannt: „Ist doch das affektierte Interesse für Thron und Altar nur ein Possenspiel, das dem Volk vorgegaukelt wird!“

Dass in Zeiten politischer und religiöser Erregung die Resonanz der Wendung sich bedeutend steigern musste, ist einleuchtend. So geschah es in den vierziger Jahren, und ähnlich wird in jüngster Zeit das Schlagwort mit besonderem Nachdruck gegen die umstürzlerischen Bestrebungen der Sozialdemokratie gewendet.