Schlußbeweis
Endlich wenn alle Geschöpfe nur dann Empfindung besäßen,
Falls man sie auch den Atomen, daraus sie gebildet sind, gäbe,
Welche besondren bekäme das Menschengeschlecht dann zu eigen?
Offenbar würden dann diese bald schütterndes Lachen erheben,
Bald mit der Tränen Tau die Wimpern und Wangen benetzen,
Würden auch viel zu reden verstehn von der Mischung der Stoffe
Und dann weiter zu forschen nach ihren ureignen Atomen!
Denn da sie ähnlich, so wären wie sterbliche Menschen als Ganzes,
Müßten auch solche Atome nun wieder aus ändern bestehen,
Diese dann wieder aus ändern, so daß kein Ende zu sehn ist.
Daraus folgte, daß alles, was redet und lacht und Verstand hat,
Aus Atomen bestünde (so meinst du), die ebenso täten!
Aber wir sahen ja doch, dies ist blödsinniger Wahnwitz:
Lachen kann doch auch das, was aus lachendem Stoff nicht erwachsen;
Was Verstand hat und weiß mit Beweisen gelehrt zu verfahren,
Braucht nicht hervorzugehn aus beredten, verständigen Keimen.
Warum sollten demnach die sinnenbegabten Geschöpfe
Nicht aus Keimen bestehn, die völlig der Sinne entbehren?
Schließlich wir sind doch alle von himmlischem Samen entsprossen,
Und Ein Vater erzeugte uns alle. Sobald nur die Tropfen
Seines befruchtenden Regens empfängt die befruchtete Mutter
Erde, gebiert sie die schimmernde Frucht und die labenden Bäume
Und das Menschengeschlecht mit sämtlichen Sippen der Tiere.
Dann reicht Nahrung sie dar, mit der sie den Körper ernähren,
Ihres Lebens genießen und zeugend sorgen für Nachwuchs.
Darum hat sie mit Fug auch den Mutternamen erhalten.
Ebenso kehrt, was der Erde vorher entstammt ist, zur Erde
Wieder zurück, und es steigt, was aus Äthers Höhen herabkam,
Wieder empor und zurück empfängt es das Himmelsgewölbe.
Denn es vernichtet der Tod nichts derart, daß er des Stoffes
Urelemente zerstörte. Er trennt nur ihre Verbindung;
Dann verbindet er weiter das ein' und andre und wirkt so,
Daß er bei allen die Formen verkehrt und die Farben verändert,
Daß sie Empfindung erhalten und plötzlich dann wieder verlieren.
Daraus lernst du, wie wichtig es ist, mit welchen Atomen,
Ferner in welchem Gefüge die Grundelemente verkehren,
Und wie sich endlich gestalte die gegenseit'ge Bewegung.
Glaub auch ja nicht, es ruhe im Grunde der ew'gen Atome,
Was wir so hin und her auf der Oberfläche der Dinge
Flutend und bald entstehend, dann plötzlich vergehend erblicken.
Ist es doch selbst bei unserm Gedicht recht wichtig, wie jede
Letter in Reihe sich stellt und mit anderen Lettern verbindet.
Denn dieselbigen Lettern bezeichnen ja Himmel und Erde,
Meer und Ströme und Sonne, wie Korn, Obst, lebende Wesen;
Wenn auch nicht alle sich gleichen, so ist doch bei weitem die Mehrzahl
Ähnlich; erst Ordnung und Lage bewirkt die Scheidung der Sachen.
Mit den Dingen nun selbst steht's ebenso: wenn sich des Urstoffs
Ordnung, Lage, Gestaltung, Zusammenstoß und Bewegung
Ändern, dann müssen zugleich die Dinge sich selber verändern.