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Lombrosso und der Irrsinn

Die Liederlichkeit Lombrosos wird höchstens noch übertroffen von der seines Übersetzers A. Courts, der am Ende von "Genie und Irrsinn" ganz naiv hinzufügt, der gebildete Leser möge die Ungenauigkeiten im Text selbst verbessern. Man müßte das schreckliche Buch noch einmal schreiben, wollte man dieser freundlichen Aufforderung nachkommen. Tief lächerlich ist es, wenn Lombroso, weil der Ausbruch von Geisteskrankheiten häufig in die heißen Monate fällt, nun auch nachzuweisen sucht, daß Genieausbrüche regelmäßig in den Sommer fallen. Lombroso gibt z. B. vor zu wissen, Goethe habe den Plan zu seinem Faust im Sommer gefaßt. Seine Quelle verrät er nicht. Ähnlichen Unsinn erzählt er von Michelangelo, von Dante und von Milton. Noch komischer ist es, wenn Lombroso erzählt, Schiaparelli habe seine Entdeckung bezüglich der Sternschnuppen in einem Augustmonat gemacht; es lassen sich nämlich im August Sternschnuppen gut beobachten.

In einem anderen Kapitel, wo der Einfluß der Rasse auf Genie und Irrsinn behandelt werden soll, überschlägt sich Lombroso in Albernheiten. Er schmeichelt der jüdischen Rasse bald, indem er ihre kleinsten Talente neben Spinoza und Heine als Genies aufführt, bald indem er arisches Vollblut, wie Gutzkow, ohne Angabe der Gründe für Juden erklärt. In demselben Kapitel sagt er einmal, geniale Männer seien meistens unfruchtbar, das andere Mal, das Genie sei erblich; in der Familie Bach allein zähle man nicht weniger als 57 "hervorragende" Musiker.

Man glaube ja nicht, daß so törichte Notizen in. Lombrosos Buche erst aufgesucht werden müßten; man braucht nur irgend eine Seite aufzuschlagen, um darauf zu stoßen. Ja er ist ein so wesentlich unwissenschaftlicher Kopf, daß seine Versuche, scharfsinnig zu sein, jedesmal noch dümmer ausfallen als seine glatten Abschreibereien. So hat er seinem Buche die Entdeckung nachhinken lassen, Dante sei epileptisch gewesen; und er sucht diese Behauptung damit zu erweisen, daß Dante an einigen dramatischeren Stellen seiner Divina Comedia vor Schrecken hinfällt.

Die tatsächliche Ähnlichkeit zwischen Genie und Wahnsinn wird niemand leugnen wollen; wir haben gesehen, daß diese Ähnlichkeit zwischen dem gesunden und dem kranken Zustande ihre guten Gründe hat, wie denn auch die gesunde Röte der Wangen und die Fieberröte einander ähnlich sind aus physiologischen Gründen. So wenig aber als man da von einer Verwandtschaft zwischen Fieber und Gesundheit reden dürfte, so wenig jede Riesenhaftigkeit des Leibes zugleich Krankheit des Knochenbaus voraussetzt, so wenig man also jeden Riesen für eine pathologische Erscheinung erklären dürfte, so wenig sollte man dem Schwätzer Lombroso seine unklaren Sätze nachsprechen.