Triebe, Affekte und Leidenschaften
e) Traurigkeit
Die Traurigkeit. Stets fröhlich zu sein und selbst bei Schicksalen und Widerwärtigkeiten sich nicht zu sehr zu betrüben, philosophisch darüber zu denken und sich bald zu beruhigen, das ist im Leben eine herrliche Sache; denn die Traurigkeit gehört zu den Dingen, welche die Lebenskraft untergraben und Krankheiten an Seele und Körper erregen. Ein vernünftiger Mensch betrübt sich nicht zu sehr über Dinge, die sich nicht ändern lassen. — Die Freude ist in ihrer Wirkung der Trauer entgegengesetzt; sie befördert die Tätigkeit des Herzens, des ganzen Blutsystems, die Wärme, die unmerkliche Ausdünstung, regt die Lebenskraft an und kann somit im Übermaß durch heftige Erschütterung der edelsten Organs plötzlich töten. Die Trauer dagegen vermindert die Lebenskraft, macht schwach an Nerven, erregt Verdauungsschwäche, Bleichsucht, Abzehrung, Trägheit an Geist und Körper, Melancholie u. s. w. Wer sich daher zu sehr und zu lange über irgend einen Gegenstand, z. B. über den Verlust geliebter Personen, betrübt, ist ein feiner Selbstmörder. Er ruiniert dadurch sein eignes Leben und der Verlust bleibt dennoch derselbe. Ein gar zu heftiger und hoher Grad von Traurigkeit erregt Erstarrung, macht stumm, taub und gefühllos, die Seele hört auf, frei zu handeln, der Körper verfällt in Katalepsie, die entweder plötzlich tötet oder in eine heftige Epilepsie übergeht, wie ich mehrere Beispiele der Art erlebt habe.