Die Reportahsche
Einmal hieß alles, was da kreucht und fleucht, ›nervös‹, dann ›fin de siècle‹, dann ›Übermensch‹, dann hatten sie es mit den ›Hemmungen‹ und heute haben sie es mit der Reportahsche, als welches Wort man immer so schreiben sollte. Lieber Egon Erwin Kisch, was haben Sie da angerichtet! Sie sind wenigstens ein Reporter und ein sehr guter dazu – aber was nennt sich heute nur alles »Reportage«. Es ist völlig lächerlich.
Es gibt von allen Arten. Es gibt ›soziale Reportagen‹ und einer trägt eine ›Reportage‹ vor, und Paul Fechter, der Klopf-Fechter der ›Deutschen Allgemeinen‹, macht ›Versuche einer Rollen-Reportage‹, die denn auch so ausgefallen sind, dass man sich verwundert fragt, wie einer das schreiben kann, ohne dabei einzuschlafen. Dafür tuts denn der Leser. Und dann gibt es ›Reportagen-Romane‹, und das sind die allerschlimmsten.
Der richtige Reportage-Roman ist im Präsens geschrieben und so lang wie ein mittelkräftiger Bandwurm. Der romancierende Reporter nimmt sich ein Milijöh vor, und das bearbeitet er. Das kann man nun endlos variieren, aber es ist immer dasselbe Buch. Nicht die Spur einer Vertiefung, nichts, was man nicht schon wüßte, bevor man das Buch angeblättert hat, keine Bewegung, keine Farbe – nichts. Aber Reportage. Was einen höchst mäßigen Essay abgäbe, das gibt noch lange keinen Roman. Wie überhaupt bei uns jede kleine Geschichte gern ›Roman‹ genannt wird – die Kerle sind ja größenwahnsinnig. ›Krieg und Frieden‹ ist ein Roman. Das da sind keine.
Sie kommen sich so wirklichkeitsnah vor, die Affen – und dabei haben sie nichts reportiert, wenn sie nach Hause kommen. Nur ein paar Notizen, die sie auswalzen. Reportahsche … Reportahsche …
Auf dieses Wort gibt es einen Reim: deshalb schreibe ich es so.
Vor dem Kriege hat einmal die Kaffee-Firma Tengelmann ein Preisausschreiben in die Zeitungen gesetzt; sie wollte ein kurzes Gedicht für ihre Reklamen haben: die Firma sollte darin genannt sein, die Vorzüglichkeit ihrer Produkte, ihre Tee- und Kaffeeplantagen und das alles in gefälliger, gereimter Form.
Der große Schauspieler Victor Arnold gewann zwar den Preis nicht – aber er hatte einen der schönsten Verse gefunden. Und der hieß so:
Mein lieber guter Tengelmann!
Was geht denn mich dein Kaffee an
und deine Teeplantage –
Ach … !
Na, dann reportiert man.
Peter Panter
Die Weltbühne, 27.01.1931, Nr. 4, S. 151.