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Kleiner Vorschlag

Wie wäre es denn nun einmal, wenn wir uns alle nicht mehr ›Literaten‹ schimpfen wollten. Es ist die große Mode – es ist eine alberne Mode.

Seinen Ausgang hat der Unfug, dass sich Angehörige desselben Berufs ihren Beruf um die Ohren schlagen, wahrscheinlich in dem törichten Schimpfwort ›Intellektuelle‹, das die Kommunisten aufgebracht haben. Und verstärkt worden ist die Unsitte durch den falschen aufgeschminkten Ehrgeiz der Berufsgenossen, die Literatur zu verleugnen und sie an das ›reale Leben‹ zu verraten.

Wieland war kein Heringsverkäufer; er war ein Literat. Aristophanes war ein Dichter. Börne war ein Schriftsteller. Sorel war ein Schriftsteller. Spengler ist einer. Hermann Hesse ist einer. Was wollt ihr eigentlich von den Leuten –?

Die Grenze zwischen: Journalist, Schriftsteller, Dichter und Essayist ist mitunter schwer zu ziehen – darüber kann man streiten. Es ist doch aber wohl eine pfundsdicke Verlogenheit, wenn Literaten dem Literaten zum Vorwurf machen, dass er einer ist. Es gibt schlechte Literaten, verlogene, bestechliche und dumme; es gibt gute und sehr gute – es gibt von allen Sorten. Die Tatsache aber, dass einer Schriftsteller ist, kann man ihm nicht vorwerfen.

Es ist kein Ehrentitel, Schriftsteller zu sein; so wenig, wie es ein Ehrentitel ist, Richter zu sein oder Arzt. Diesen Standesunfug habe ich nie mitgemacht. Nicht die Standeszugehörigkeit legitimiert den Mann; seine Leistung legitimiert ihn.

Mir fällt aber auf, dass es in der letzten Zeit besonders unter Zeitungsangestellten üblich ist, ›Literat‹ als Schimpfwort zu gebrauchen. Ich weiß nicht, was der betreffende Schreiber ist; wahrscheinlich Schuster. Ich für mein Teil bin Schriftsteller. Ich will keine Reiche gründen, ich halte mich von Dingen fern, denen ich nicht gewachsen bin – meiner Literatur bin ich gewachsen. Und die Literatur hat in den sechstausend Jahren Menschheitsgeschichte immer nur eine, nämlich ihre Aufgabe gehabt: Geist in Form von geschriebenen oder gedruckten Zeilen zu verbreiten. War der Literat neben seiner literarischen Leistung mehr, so war das meistens Literatur, wie der kluge Jules Renard angemerkt hat.

Ich arbeite an dieser Zeitschrift und an Zeitungen; es wäre also ein Wahnwitz, wenn ich andern Schriftstellern einen Strick daraus drehte, dass sie desgleichen tun. Anzunehmen, es sei die Tätigkeit an einer politischen Zeitung eine Arbeit ›am praktischen Leben‹ – im Gegensatz zur ›reinen‹ Literatur, ist eine blanke Schmockerei. Die Herren sollten sich ihre Energie für ihren Verleger aufsparen und dem nicht in den Hintern kriechen, statt uns anzuflegeln. Es ist auch eine maßlose Überschätzung jenes ›praktischen Lebens‹, wenn einer die Literatur gegen das Leben ausspielt. Das sind keine Gegensätze, solange die Literatur kräftig und sauber und wirksam bleibt. Der Geist ist ein Bestandteil des Lebens – nicht sein Gegensatz.

Literat ist kein Ehrentitel. Ein Literat aber, der einen Literaten Literaten schimpft, ist ein Kommis des Geistes.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 06.01.1931, Nr. 1, S. 33.