Perspektive. (Zeichnende Künste) Wie in der Malerei die Farben nach den Graden der Stärke des darauf fallenden Lichtes, sich verändern, ob sie gleich dieselben Namen behalten, so verändern sich auch in den Zeichnungen die Formen der Gegenstände, so bald das Auge eine andere Lage annimmt oder in eine andere Stellung kommt. Man stelle sich vor, es sei auf diesem Blatt ein Viereck, von der Art, die man Quadrate nennt, gezeichnet. Soll dieses Vierek, so wie es wirklich ist, mit vier gleichen Seiten und vier gleichen Winkeln ins Auge fallen, so muss notwendig das Auge so stehen, dass die Linie, die aus der Mitte des Auges mitten auf das Vierek gezogen wird, einen rechten Winkel mit der Fläche des Vierekes ausmacht. Nur in dieser Stellung des Auges erscheint das Vierek ihm in seiner wahren Gestalt und nur mit dem Unterschied dass es größer oder kleiner scheint, nach dem die Entfernung geringer oder beträchtlicher ist: jede andere Lage des Auges stellt das Vierek in einer ganz anderen Gestalt vor und verursacht, dass weder seine vier Seiten, noch seine vier Winkel, einander gleich scheinen. Eben diese Beschaffenheit hat es auch mit anderen Figuren, folglich auch mit der Lag und Stellung verschiedener Gegenstände, die auf einer Fläche oder auf einem Boden stehen. Wenn eine Anzahl Personen in einem Zirkel herumstehen, so er scheint diese Stellung immer anders, nach dem die Linie, die aus dem Auge in den Mittelpunkt des Zirkels gezogen wird, mit seiner Fläche einen anderen Winkel macht.
Der Maler muss zu richtiger Zeichnung des Gemäldes, diese Veränderungen, die von der Lage des Auges herrühren, genau zu bestimmen wissen, damit er in jedem Falle richtig zeichne: und dazu hat er eine besondere Wissenschaft nötig, die man die Perspektive nennt. Wenn gleich der Maler nach der Natur oder nach dem Leben zeichnet; so kann er diese Wissenschaft nicht wohl missen. Denn es ist eine sehr unsichere Sache um das Augenmaß, das durch die Einbildung gar oft verfälscht wird. Obgleich, zum Beispiel, wenn wir einen Menschen vor uns stehen sehen, die Hand, die unserem Auge am nächsten liegt, größer scheint als die andere, die weiter weg ist, so bemerkt das Auge des Malers dieses nicht allemal klar genug und wenn er die Perspektive dabei vergisst, so wird er durch die Einbildung immer verleitet, beide Hände gleich groß zu zeichnen. Also ist die Kenntnis der Perspektive in jedem Falle dem Zeichner nötig; in gar viel Fällen aber, besonders wenn er ein historisches Stück aus der Phantasie zeichnet, wird er in der Stellung der Figuren, in den Formen und in den Schlagschatten gewiss schwere Fehler begehen, wenn er nicht genau nach den Regeln der Perspektive ver fährt.
Es ist hier der Ort nicht diese Materie ganz abzuhandeln. Ich werde mich begnügen die Fundamentalbegriffe der Perspektive deutlich vorzutragen und danach in einer Probe die Anwendung derselben zu zeigen. Man stelle sich vor A B C D sei ein ebener Boden, wie der Fußboden eines Zimmers und auf diesem Boden oder dieser Grundfläche, sei eine Figur e f g h gezeichnet, welche von einem in i stehenden Auge gesehen wird. Ferner bilde man sich ein o p q r sei eine Tafel, welche perpendicular sowohl auf der Grundfläche als auf der Linie s i, nach welcher das Auge hin sieht, steht. Endlich stelle man sich vor, dass von den vier Ekpunkten e, f. g, h, des auf dem Boden gezeichneten Vierekes die geraden Linien e i, f i, gi, hi, gezogen werden, dass diese in den Punkten k, l, m, n, durch die Tafel gehen und dass endlich die Linien k l, l m, m n, n k, auf der Tafel sichtbar gezogen werden, so wird man sehr leicht begreifen, dass die Figur n k l m gerade so in das Auge falle als die Figur e f g h in dasselbe fallen würde, wenn die Tafel nicht da wäre. Deswegen ist für diese Lage des Auges und der übrigen Dinge die Figur n k l m die richtige perspektivische Zeichnung des Viereks e f g h.
Wären auf der Grundfläche noch mehr Figuren, so würde jede auf eine ähnliche Weise ihre besondere Lage und ihre besondere Figur auf der Tafel bekommen. Eben dieselbe Beschaffenheit hat es mit solchen Gegenständen, die auf der Grundfläche in die Höhe stehen, deren Lage, Größe und Figur auf der Tafel so können gezeichnet werden, dass sie von der Tafel aus, so in das Auge fallen, wie man sie ohne die Tafel auf dem Grund würde gesehen haben.
Dieses ist die Art der Zeichnung, die die Perspektive lehrt. Die Zeichner sind gewohnt, wenn sie viele auf einer Grundfläche neben und hintereinander stehende Gegenstände perspektivisch zeichnen wollen, zuerst einen Grundriss davon zu entwerfen, der den eigentlichen Ort eines jeden auf dem Grunde und die Figur die jeder Gegenstand auf demselben durch seine aufstehende Fläche zeichnet, enthält und aus diesem Grundrisse zeichnen sie denn, nach den Regeln der Perspektive den Aufriss. Dieses Verfahren ist mühesam und Hr. Lambert hat gezeigt, dass der Grundriss allenfalls, wenigstens in sehr viel Fällen entbehrlich sei. Er hat in einem sehr gründlichen Werk, das unter dem Titel die freie Perspektive herausgekommen1 sehr sinnreiche dabei doch leichte Regeln für diese perspektivische Zeichnungen ohne Grundriss gegeben. Und hiervon will ich hier einen Begriff geben, nachdem ich vorher die Hauptbegriffe, worauf es bei der Perspektive überhaupt ankommt, werde deutlich erklärt haben.
Aus dem was kurz vorher von der perspektivischen Zeichnung überhaupt gesagt worden, kann jeder leicht sehen, dass sie allemal anders ausfallen und sowohl in der Größe als der Figur der Gegenstände sich verändern müsse, wenn in der Lage des Auges oder in der Stellung der Tafel etwas geändert wird. Deswegen müssen diese Dinge für jede Zeichnung allemal zuerst genau bestimmt werden.
Man stelle sich vor, dass aus dem Punkt i wo das Auge steht, eine senkelrechte Linie i x auf die Grundfläche und eine andere is perpendicular auf die Fläche der Tafel gezogen werde; ferner dass auf der Tafel von dem Punkt s, die Linie s a perpendicular auf die Grundlinie, von x aber die Linie x a gezogen werde; endlich dass durch den Punkt s, die Linie t s u, mit der Linie o p, auf der die Tafel auf der Grundfläche senkrecht steht, parallel gezogen sei und bemerke dann folgende Benennungen.
Die Linie o p heißt die Fundamental- oder Grundlinie; tu die Horizontallinie oder der Horizont ; i x die Höhe des Auges über der Grundfläche; i s die Entfernung des Auges von der Tafel, auch die Richtung des Auges; der Punkt s, wird der Augenpunkt genannt; die Fläche a x i s, unendlich verlängert, heißt die Verticalfläche; der gerade Boden aber oder der Grund worauf alles steht, die Grundfläche.
Wir wollen nun vorerst setzen, man habe auf der Tafel o p q r nichts abzuzeichnen als Linien, die auf der Grundfläche A B C D gezogen sind; von der Zeichnung dessen, das in die Höhe steht, wollen wir danach sprechen.
Hierbei kommt es also auf zwei Hauptpunkte an; erstlich darauf, dass jede Linie in ihrer wahren perspektivischen Lage gezogen werde und zweitens, dass sie ihre wahre perspektivische Größe habe.
I. Gesetzt also man wolle zuerst wissen, wie die Seite g h des auf der Grundfläche gezeichneten Quadrats in ihrer perspektivischen Lage auf die Tafel könne gezeichnet werden.
Man stelle sich vor, diese Linie werde auf der Grundfläche verlängert, bis sie in a an die Grundlinie der Tafel stößt. Nun ist sehr offenbar, dass der Anfang der Linie h g a oder der Punkt a auf der Tafel in eben diesem Punkt a würde gesehen werden und dass die gerade Linie a i, der Lichtstrahl ist, der von dem Punkt a ins Auge fällt, so wie die Linien g i und h i die Strahlen vorstellen, die von den Punkten g und h ins Auge fallen. Ferner ist offenbar, dass der Winkel a i x den der einfallende Lichtstrahl mit der senkrechten Linie i x macht, immer größer wird, folglich, die Linie a i, sich der oberen Horizontalfläche i s u immer mehr nähert, je weiter sich der Punkt aus dem sie kommt, von der Tafel nach g h entfernt. Setzt man nun, dass er sich bis ins Unendliche entferne, so wird endlich dieser Lichtstrahl wirklich in die obere Horizontalfläche fallen und das unendlich entfernte Ende der Linie a g h, muss irgend in einem Punkt des Horizonts t s u gesehen werden.
Dieser Punkt ist auch leicht zu finden; denn so weit die Linie h a auf der Grundfläche von der Linie x a f abweicht, so weit muss auch der Strahl aus ihrem äußersten Punkt, auf der oberen Horizontalfläche von der Linie i s abweichen. Wenn man also die Linie i u so ziehet, dass der Winkel s i u dem Abweichungswinkel f a g gleich ist; so ist u der Punkt des Horizonts, in welchem das äußerste Ende, der bis ins Unendliche verlängerten Linie a h g gesehen wird. Ziehet man nun die Linie u a auf der Tafel, so ist diese das Bild oder die perspektivische Zeichnung der ganzen Linie a g h, bis ins Unendliche fortgesetzt. Hieraus ist klar, wie jede Linie der Grundfläche, deren Verlängerung auf die Fundamentallinie o p stossen würde, bis ins Unendliche fortgesetzt auf der Tafel zu zeichnen sei. Man sieht auch ohne Mühe, dass, falls eine Linie mit der Fundamentallinie parallel läuft, wie hier f g und e h, ihr Bild auf der Tafel ebenfalls mit der Grundlinie o p parallel laufen müsse.
Man stelle sich nun vor, dass auch die Linie e f die der Linie h g hier parallel gesetzt wird, von f nach bis an die Fundamentallinie verlängert werde, an der anderen Seite aber auch bis ins Unendliche fortlaufe; so lässt sich leicht begreifen, dass die Linie b u auf der Tafel das Bild dieser Linie sei. Denn da sie mit a h parallel läuft, so weicht sie eben so viel als jene von der Fundamentallinie ab, folglich ist s i u auch der Winkel, in dem ihr äußerstes End, ins Auge fällt.
II. Nun kommt es noch auf die Bestimmung der Größe jeder auf der Grundfläche gezogenen Linie an. Man setze, dass die perspektivische Größe der Linie e f auf der Tafel zu zeichnen sei. Da sie durch die Lage der beiden Punkte f und e bestimmt wird, so kommt es bloß darauf an, dass die perspektivische Lage dieser Punkte gefunden werde. Gesetzt also, man wolle die eigentliche Lage n des Punkts f finden. Diese wird auf der Grundfläche durch das Zusammenstoßen zweier Linien b f und a f bestimmt. Man darf also, um den Punkt auf der Tafel zu haben, nur nach Belieben von dem auf der Grundfläche liegenden Punkt zwei Linien f b und f a bis an die Grundlinie ziehen, danach beide unendlich verlängert setzen und nach dem, was kurz vorher gelehrt worden, das Bild der einen und der anderen auf der Tafel zeichnen, so wird der Punkt, wo sie sich durchschneiden, die perspektivische Lage des Punkts sein. So wird hier der Punkt n, der den Punkt f auf der Grundfläche vorstellt, durch die Stelle bestimmt, in welcher sich die Linien b u und a s C die Bilder der Linien b e und a f) durchschneiden. Hieraus lässt sich auch leicht begreifen, wie ein auf der Fläche gegebener Winkel als e f f' perspektivisch gezeichnet werde. Man verlängert f f' nach y und e f nach b; zeichnet ihre Bilder y c und b u, so ist der Winkel c n u die perspektivische Zeichnung des Winkels e f f'.
Man merke sich einige Hauptsätze, die aus den vorhergehenden Betrachtungen folgen.
1. Dass alle Linien der Grundfläche, die mit der Fundamentallinie o p parallel laufen, wie f g und e h, auch auf der Tafel mit eben dieser Linie oder, welches einerlei ist, mit dem Horizont t u, parallel laufen, wie k l und m n.
2. Dass jede, die Grundlinie o p durchschneidende Linie, unendlich fortgezogen, auf der Tafel ein Bild mache, das sich an dem Horizont t u endigt.
3. Dass folglich kein Punkt der Grundfläche, in der Tafel über dem Horizont stehen könne, folglich in der Tafel nichts über den Horizont kommen könne als was in die Höhe steht.
4. Dass die auf der Grundfläche liegenden abweichenden parallel Linien unendlich weit fortgezogen, wie b e und a h, in dem Horizont in denselbigen Punkt u treffen; dass folglich alle Linien auf der Tafel wie m l und n k, die nach demselben Punkt u des Horizonts treffen, Linien vorstellen, die auf der Grundfläche einander parallel sind.
Damit wir uns nun in eine nähere Erklärung der freien Perspektive des Hrn. Lamberts einlassen können, stelle man sich vor, i sei der Mittelpunkt eines Zirkels, i s aber dessen Radius; so ist klar, da i s auf s u perpendicular steht, dass die Linie s u die Tangente des Winkels s i u sei, der, wie vorhin erinnert worden, allemal dem Abweichungswinkel f a g gleich ist. Wenn man also von dem Punkt s, sowohl gegen u als gegen c, die Tangenten jedes Grades eines Zirkelbogens von 1 bis 90 aufträgt, so hat man so gleich, so bald man die Abweichung einer auf dem Grund gezeichneten Linie weiß, auch den Punkt des Horizonts, dahin ihr äußerstes Ende trifft. Gesetzt, die Linie g h, weiche 30 Grade rechts von der Verticalfläche ab, so nehme man auf der Linie s u den Punkt der Tangente von 30 Graden, so wird dadurch das äußerste Ende dieser Linie auf dem Horizont des Gemäldes bestimmt.
Um nun einen Begriff zu geben, wie der Zeichner jeden Winkel auf der Tafel zu zeichnen hat, wollen wir uns die Sache folgendermaßen vorstellen. Man setze dieses Blatt sei der Grund, worauf eine perspektivische Zeichnung zu machen ist. Die Linie O D sei der Horizont des Gemäldes und A der Augenpunkt. Aus A sei die Perpendicularlinie A C gezogen, die der Entfernung des Auges gleich sei, mit dem Radius C A aber, sei der vierte Teil eines Zirkels A B beschrieben. Dieser Bogen A B sei in Grade eingeteilt und endlich seien durch gerade Linien, die aus dem Mittelpunkt C durch die Teilungspunkte gezogen worden, die Punkte 10, 20, 30 u.s.w. auf der Linie O D angemerkt worden; so stellen die Linien A 10, A 20 u.s.w. die man rechts und links gleich setzt, die Tangenten der Winkel von 10, 20 Graden u.s.w. vor.
Nun soll man auf irgend eine in der Zeichnung stehende Linie D E einen gegebenen Winkel, z. B. von 30 Graden ziehen. Dieses wird auf das Leichteste also geschehen. Man verlängere, wenn es nötig ist, die Linie D E bis an den Horizont O D. Von D aus zähle man auf der Abteilung 30 Grade gegen A hin. Aus dem Punkt I, wohin von D ausgerechnet der 30 Grad fällt, ziehe man die Linie I E, so ist der Winkel I E D von 30 Graden. Eben so, wie in der vorhergehenden Figur gezeigt worden, dass der Teil c u des Horizonts die Tangente des Winkels c n u und auch des auf der Grundfläche liegenden Winkels e f f' sei. Nun ist es leicht zu sehen, wie man es machen müsste, wenn der Winkel sich nach einer anderen Seite wenden müsste, so dass F E D oder H E G diese 30 Grade haben müsste. Dieses ist aus der Geometrie bekannt. Wollte man durch einen auf dem Gemälde gegebenen Punkt N eine Linie ziehen, die mit einer gegebenen, nach dem Horizont laufenden Linie K L perspektivisch parallel wäre; so darf man nur die Linie K L bis an den Horizont ziehen und aus dem Punkt 30, wo sie auftrit, durch den gegebenen Punkt N die Linie N M ziehen. Wär aber K L mit dem Horizont parallel, so würde es auch M N sein, folglich die Aufgabe durch die gemeine Geometrie aufgelößt werden.
Weil die Zeichnung ganzer Flächen, von welcher Figur sie seien, bloß von der Zeichnung der Winkel, die ihre Seiten gegen einander machen und denn von der Größe einer einzigen Seite abhängt, deren Lage gegeben ist; so müssen wir nur noch zeigen, wie eine Linie von gegebener Größe, wenn auch ihre Lage bestimmt ist, auf dem Gemälde perspektivisch zu zeichnen sei.
Um hierzu sich den leichtesten Weg zu bahnen, muss man folgende Betrachtung anstellen.
Wie nach der Lehre der Geometrie alle Parallellinien, die zwischen zwei anderen Parallellinien liegen, einander gleich sind, so müssen auch alle zwischen zwei perspektivisch parallel gezogene perspektivische Parallellinien einander gleich sein. Wenn man also setzt: A B sei die Horizontallinie eines Gemäldes; so sind die Linien A C und A D einander perspektivisch parallel und so auch C B und E B, folglich muss C D perspektivisch so groß sein als E F und so C E so groß als D F. Das ist C D und E F, sind Bilder von Linien, die auf der Grundfläche einander gleich sind und so auch C E und D F. Dieses ist der Grundsatz worauf jede perspektivische Messung der Größen beruhet.
Hiernächst muss man auch merken, dass die Fundamental- oder Grundlinie des Gemäldes zugleich eine wahre, nicht verminderte Größe der Grundfläche vorstellt. Wenn also diese Linie nach gewöhnlichem Maße in Fuß und Zoll eingeteilt wird, so ist diese Einteilung der wahre Maßstab, nach welchem alles, was auf der Zeichnung in der Grundlinie liegt, kann ausgemessen werden. Wir wollen also setzen: A B sei die Grundlinie eines Gemäldes, C D dessen Horizont und man habe das eigentliche Maß in Fuß und Zoll auf die Grundlinie getragen. Sollte die wahre Grundlinie zu tief sein und außer das Gemälde fallen als wenn a b dessen unterste Linie wäre, so darf man nur a b so einteilen, dass Fuß und Zoll nach dem Verhältnis des geringeren Abstandes der Linie a b von dem Horizont, kleiner genommen würden. Nun sei von der auf a b stossenden Linie c f g eine Länge abzuschneiden, die eine gewisse Anzahl von Fuß und Zoll, perspektivisch genommen, habe.
Dieses würde sehr leicht sein, wenn der Winkel d c f gegeben wäre. In diesem Falle dürfte man nur nach der auf a b befindlichen Abteilung das Maß, das die Linie haben soll von c nach e tragen, damit c e eben so groß würde als c g perspektivisch sein soll: weil nun c g und c e gleich sind, so sind auch die Winkel c g e und c e g gleich und aus dem Winkel g c e bekannt. Wir wollen setzen, dieser sei 30 Grade; so ist, wie aus der Geometrie bekannt, die Summe der beiden anderen 150 Grade, folglich jeder 75 Grade. Also ziehe man die Linie e h, wie vorher gelehrt worden, so, dass der Winkel c e h von 75 Graden werde, so wird sie die Linie c g so abschneiden, dass sie perspektivisch so groß ist als c e wirklich ist.
Man merke hier den Umstand an, dass auf der Scale der Tangenten, P h immer halb so viel Grade anzeigen wird als der gegebene Winkel e c g hat. Dieses zu begreifen ziehe man die Linie P c. So ist Winkel P c b von 90 Graden. Nun sind die beiden gleichen Winkel c g e und c e g; zusammen zweimahl neunzig Grade, weniger die Grade des Winkels g c e: das ist, jeder ist neunzig Grade weniger die Hälfte dieses Winkels g c e. Woraus erhellt, dass P h halb so viel Grade haben müsse als der Winkel g c e.
Hieraus lässt sich nun eine allgemeine Methode angeben, das Maß einer jeden auf dem Gemälde gegebenen Linie zu bestimmen.
Die gegebene Linie sei c g. Man verlängere sie bis an die Horizontallinie C D, wo sie den 60 Grad durchschneidet. Hieraus erhellt, dass ihr Abweichungswinkel b c g 30 Grade sei. Man nehme davon die Hälfte oder 15 Grade von P nach h und ziehe aus dem Punkt h durch g und c die Linie h g e und h c, (oder wenn der Maßstab nur auf A B ist, h g B und h c i); so ist c e oder i B, dass Maß der Linie c g.
Eben daher kann man auch von einer auf der Zeichnung gegebenen Linie einen Teil von beliebiger perspektivischen Größe abschneiden. Wenn man von der Linie c k, ein Stück c g von beliebiger Länge abschneiden wollte, so müsste man die Linie, bis an den Horizont verlängern. Träfe sie wie hier in den 60 Grad, so sähe man daraus, dass ihre Abweichung b c g 30 Grade sei. Wenn man also die Hälfte davon von P nach h trüge und aus h erstlich die Linie h ci zöge, so dürfte man nur von c oder i, nach e oder B, so viel Fuß und Zoll auf dem Maßstab abzeichnen als die Linie c g haben soll und denn aus h durch e oder B die Linie h e B ziehen, um die Linie c g von verlangter Größe zu machen.
Was hier von Ausmessung der auf dem Grunde liegenden Linien gesagt wird, kann sehr leicht auch auf die in die Höhe stehenden angewendet werden. Wenn man z. B. aus einem Punkt der Linie n l eine in die Höhe stehende Linie l m von einer gegebenen Höhe ziehen wollte, so richtet man von dem Punkt n nach dem auf A B verzeichneten Maße die Perpendicularlinie n o von besagter Größe auf und zieht p o m so, dass sie mit n l in denselben Punkt des Horizonts trifft; so hat l m die Höhe der Linie n o.
In diesen wenigen Sätzen ist eigentlich schon die ganze Perspektive enthalten; ausgenommen die besonderen Fälle, wo die Tafel weder auf der Grundfläche, noch auf der Linie des Auges perpendicular ist; da denn noch besondere Betrachtungen hinzukommen müssen, in die wir uns hier nicht einlassen können. Denn hat Hr. Lambert auch verschiedene sehr wohl ausgedachte Vorteile angezeigt, wie man sich die Auflösung der hier angeführten Fundamentalaufgaben durch mechanisches Verfahren sehr erleichtern könne. Daher wir jedem Zeichner und Liebhaber empfehlen sich die Mühe nicht verdrießen zu lassen, sowohl dessen Perspektive als die nachher von ihm herausgegebene Beschreibung eines perspektivischen Proportionalzirkels2 mit Fleiß zu studieren; weil er gewiss beträchtliche Erleichterung der perspektivischen Kenntnisse dadurch erhalten wird.3
Ich habe mich hier deswegen in eine ziemlich umständliche Entwicklung der Lambertschen Methode eingelassen, weil eine bloß mechanische Kenntnis einer Regel, wonach die Zeichner, wenn sie ja noch methodisch verfahren und nicht bloß auf Geratewohl arbeiten, die Perspektive beobachten, keine hinlängliche Kenntnis zur Beurteilung der Zeichnungen an die Hand gibt. Diese bekommt man aber, nachdem man sich die Mühe gegeben, das von uns hier angeführte, sich genau bekannt zu machen.
Ich will deswegen die Anwendung der Theorie auf die Beurteilung der Zeichnungen, noch in einem besonderen Beispiel zeigen, nachdem ich vorher denen zu gefallen, die sich mit bloß mechanischem Verfahren behelfen, eine leichte Methode, aus dem Grundriss einen perspektivischen Riß zu machen, hier werde angeführt haben. Man stelle sich vor, der Grundriss liege hier auf diesem Blatte über der Linie H O, die Tafel aber, auf welche man zeichnen soll, sei die Fläche DOHF, so dass O H der Horizont, O der Augenpunkt sei. O D sei auf O H perpendicular und der Entfernung des Auges von der Tafel gleich: durch D ziehe man D F mit O H parallel; gradein der Mitte von D O merke man sich den Punkt B. Dieses vorausgesetzt, kann jeder Punkt des Grundrisses als C, auf folgende Weise in seinen perspektivischen Ort auf die Tafel gezeichnet werden.
Man ziehe die geraden Linien C F und C D; danach aus F durch den Punkt B die Linie F c; so wird der Punkt c, wo diese Linie A D C durchschneidet, der perspektivische Ort des Punkts C sein. Auf diese Weise wird jeder andere Punkt des Grundrisses gezeichnet; folglich auch ganze Figuren.4
Um nun die Anwendung der oben entwickelten Grundsätze zu Beurteilung perspektivischer Zeichnungen zu zeigen, nehme man die hier befindliche von Hrn. Lambert auf mein Ersuchen verfertigte in Kupfer geätzte, Zeichnung vor sich.
Das erste, worauf man bei jeder perspektivischen Zeichnung zu sehen hat, ist der Horizont. Wenn das Gemälde eine offene Landschaft ist, in welcher Stellen vorkommen, da die Luft oder der Himmel, bis an den flachen Boden herunter geht, wie hier bei dem Punkt O, bei B und bei D, so weiß man gewiss, dass dieser Punkt in dem Horizont liegt, weil der horizontale Grund, worauf alles steht, so weit man sehen kann, verlängert, an den Horizont stößt.
Giebt das Gemälde keine Gelegenheit, den Horizont auf diese Weise zu entdecken; so sind andere Mittel dazu vorhanden. Man weiß aus dem vorhergehenden, dass alle Linien, die auf der Grundfläche untereinander parallel sind, wenn sie nur nicht mit der Grundlinie oder dem untern Rand des Gemäldes selbst parallel laufen, notwendig in der Zeichnung auf dem Horizont zusammen treffen. Darum sucht man in dem Gemälde Gegenstände auf, an denen solche Paralellinien anzutreffen sind, z. B. Gebäude, gerade Alleen u. d. gl. In unserer Zeichnung finden sich verschiedene Gegenstände, die gewiss Parallellinien zeigen als der Garten, der verschiedene Gänge hat, davon einige, wie man mit ziemlicher Gewissheit sehen kann, parallel neben ein ander laufen. Setzt man ein Lineal nach der Richtung zwei solcher Gänge an, so findet man, dass diese Richtungen in einen Punkt zusammen laufen. Auf diese Weise wären hier, wenn auch die Luft nirgend bis an den Horizont ginge, die zwei Punkte des Horizonts B und D folglich die gerade Linie B D oder der Horizont selbst zu finden.
Nun ist auch nötig, dass man den Augenpunkt in dem Horizont entdecke. Gemeiniglich wird er mitten in dem Horizont, von beiden Seiten des Gemäldes gleich weit entfernt genommen.5 Doch ist er in unserer Zeichnung nicht in der Mitte zwischen A und B den äußersten Enden der Zeichnung. Um ihn zu entde ken, bedenke man, dass, nach den obigen Regeln, jede Linie, die die Grundlinie des Gemäldes im rechten Winkel durchschneidet, wenn sie unendlich verlängert wird, in den Augenpunkt trifft. Es kommt also darauf an, dass man in dem Gemälde eine solche Linie entdecke. In unserer Zeichnung gibt der Thurm E sie an. Es ist leicht zu sehen, dass seine vordere Seite der Grundlinie parallel laufe. Da er nun viereckigt ist und ohne Bedenken angenommen werden kann, dass die Seitenmauern mit der Vorderseite rechte Winkel machen; so wird die Richtung der schattierten Seite des Thurmes auf der Grundlinie perpendicular stehen; folglich, wenn man sie verlängert in den Augenpunkt treffen, der also hier im Punkt O ist.
Hätte hier der Thurm zur Bestimmung des Augenpunkts gefehlt, so hätte man auch die hinter dem Thurm in der Ferne stehenden Häuser zu demselben Endzweck brauchen können.
Nachdem man den Horizont und den Augenpunkt darin gefunden hat, ist nun drittens auch die Entfernung des Auges von der Tafel ausfindig zu machen. Das Auge steht dem Punkt O gegen über, dass die aus dem Auge nach O gezogene gerade Linie perpendicular auf der Fläche des Gemäldes steht; wenn man demnach aus dem Punkt O die Linie O P perpendicular auf den Horizont zieht, so ist sie die Linie der Richtung des Auges und irgend ein Punkt in dieser Linie muss die Entfernung des Auges anzeigen.
Um nun diesen Punkt P für unsere Zeichnung zu finden, müssen wir uns erinnern, dass wenn die beiden Schenkel eines perspektivischen Winkels bis an den Horizont verlängert werden, die beiden Punkte, wo sie den Horizont durchschneiden in dem wahren Winkel ins Auge fallen, der das Maß des perspektivischen Winkels ist. Nun haben wir vorher gesehen, dass die Vorder- und Seitenwand des Hauses C in einem rechten Winkel auf einander treffen. Da nun diese Seiten bis an den Horizont gezogen, diesen in den Punkten D und B durchschneiden; so muss das Auge notwendig so gesetzt werden, dass die von diesen beiden Punkten ins Auge gezogenen geraden Linien im Auge in einem rechten Winkel auf einander stoßen. Und eben dieses muss auch unten auf der Grundfläche geschehen. Deswegen muss der Punkt P so genommen werden, dass die Linien D P und B P in P senkrecht auf einander treffen. Um also den Punkt P zu finden, teile man die Linie D B in zwei gleiche Teile und aus dem Punkt R, der von D und B gleich weit absteht, beschreibe man herunterwärts mit dem Radius R B oder R D einen halben Zirkel. Da wo dieser die Linie O P durchschneidet, muss der Punkt P stehen, der auf der Grundstäche perpendicular unter dem liegt. Mithin wird O P die wahre Entfernung des Auges sein. Denn es ist aus der Geometrie bekannt, dass die auf diese Weise bestimmte Linien P B und P D in P rechtwinklicht zusammen stoßen.
Endlich ist nun noch die Höhe des Auges über die Grundfläche, das ist über den Punkt P zu finden. In unserer Zeichnung sieht man, dass der Horizont gradeunter den obersten Fenstern des Thurms, auch gerade über den Giebeln der vorderen Dachfenster des Hauses C wegläuft. Da nun das Auge in der oberen Horizontalfläche liegt, so muss seine Höhe über dem Punkt P notwendig so genommen werden, dass es mit den Giebeln gedachter Dachfenster auch mit den Bänken der obersten Fenster des Thurmes in einer Höhe liegt. Wollte man diese Höhe in einem absoluten Maße haben, so müsste man wissen, wie hoch die Dachfenstergiebel des Hauses C über den Grund des Gartens, der hier die eigentliche Grundfläche der Landschaft ist, liege. Dieses kann nun nicht anders als durch ungefähre Schätzung herausgebracht werden. Man sieht aus der ganzen Bauart des Hauses C, dass es ein großes und schönes Wohnhaus ist; weiß auch, dass gewöhnlicher Weise in Häusern dieser Art jedes Geschoß oder Stockwerk ungefähr zwölf Fuß hoch zu sein pflegt. Also werden die drei Geschosse dieses Hauses von den Kellerfenstern bis an das Dach gerechnet, etwa 36 Fuß ausmachen. Nihmt man nun die Höhe der Kellerfenster und die Höhe der Dachfenster bis oben an die Giebel dazu; so findet man, dass die Horizontallinie ungefähr 48 bis 50 Fuß über den Grund des Gartens liege; und so groß wäre auch die Erhöhung des Auges über die Grundfläche.
Man kann hier noch auf eine andere Art sich der Richtigkeit dieser Schätzung versichern. An der Voderseite des Thurmes steht man eine Tür und Fenster, die eben so hoch als diese Tür sind. Es lässt sich vermuten, dass diese Tür und diese Fenster die gewöhnliche Höhe etwa 8 Fuß haben. Also werden die vier übereinanderstehenden Fenster nebst der Tür und den fünf Brüstungen eine Höhe von etwa 48 bis 50 Fuß ausmachen, welches mit der vorigen Schätzung übereinstimmt.
Auf diese Weise nun hätte man in unserer Zeichnung die vier wesentlichen Stücke, den Horizont, den Augenpunkt, den Abstand des Auges von der Tafel und seine Höhe über die Grundfläche entdeckt. Und aus dem angeführten lässt sich abnehmen, wie man auch in anderen Fällen zu verfahren hätte, um diese Dinge zu entdecken; welches freilich nicht allemal von allen angeht. Doch wird es selten fehlen, wenn nur die Zeichnung wirklich genau nach den perspektivischen Regeln gemacht worden. Von dieser Entdeckung gedachter vier wesentlichen Stücke kann man nun noch den Vorteil ziehen, die in dem Gemälde vorkommenden Winkel und Größen auszumessen. Dieses wollen wir noch kürzlich zeigen.
In Ansehung der Ausmessung der Winkel, erinnere man sich, was oben von der Auftragung der Tangenten aller Winkel auf den Horizont gesagt worden. Daraus wird man sehen, dass der Teil des Horizonts O B die Tangente des Winkels O P B sei. Nun ziehe man durch P die Linie Q S mit dem Horizont parallel und beschreibe mit einem beliebigen Radius P Q einen halben Zirkel über die Linie Q S. Von dem Punkt o, wo O P den Zirkel durchschneidet, teile man, wie die Figur zeigt, die Bogen O S und o Q jeden in 90 Grade. Ziehet man nun aus dem Punkt P durch die Teilungspunkte gerade Linien bis an den Horizont, so ist dieser dadurch in seine Grade geteilt, so wie oben in der zweiten Figur. Will man nun einen Winkel auf der Fläche des Gemäldes messen, so darf man nur seine beiden Schenkel bis an den Horizont verlängern und dort die Grade zählen, die zwischen beiden Punkten liegen. So wird man z.B. hier finden, dass die Voderseite des Hauses C in dem Punkt D, die andere Seite in B trifft; dass O B die Tangente von 52, O D aber die Tangente von 38 Graden ist, folglich D B, mithin auch der Winkel des Hauses 90 Grade hat.
Wollte man den Winkel VTX messen, den die Voder- und Seitenmauer, die den Platz, wo der Thurm steht, umgeben, ausmessen, so erforderte dieses etwas mehr Umstände, weil die Linie T V von dem Horizont immer weiter abgeht. Man verlängere darum die Seite VT auf die andere Seite, bis an den Horizont. Da trifft sie in den Punkt B. Die Seite T X aber trifft in dem Punkt D. Also ist der Winkel X T Z von 90 Graden, folglich hat V T X eben so viel. Dieses kann man auch noch so finden. Man ziehe aus T die Linie TY mit dem Horizont parallel. Weil nun T X bis an den Horizont verlängert in D fällt, wo von O aus der 38 Grad trifft, so sind von D gegen A hin gerechnet, noch 52 Grade für die Tangente des Winkels Y T X; folglich hat dieser Winkel 52 Grade. Verlängert man auf der anderen Seite V T Z bis an den Horizont, so trifft sie in den Punkt B, welcher in den 52 Grad von O aus gerechnet fällt. Mithin bleiben für die Tangente des Winkels Z T z oder, welches einerlei ist, des Winkels V T Y, noch 38 Grade. Darum ist der ganze Winkel V T X von 90 Graden. Dieses ist nun leicht auf jeden anderen Winkel anzuwenden.
Also bleibt uns noch die Schätzung der Größen in Fußen übrig. Wir haben gesehen, dass an dem Thurm die Höhe a b 50 Fuß hoch kann geschätzt werden und dass das Haus C vom Grund des Gartens bis an die Giebel der Dachfenster eben so hoch ist. Ferner, da die Häuser, welche rechts und links des Thurmes stehen, auf demselben Grund, worauf der Thurm und das Haus C stehen, sich befinden; so ist an dem Hause linker Hand die Höhe vom Boden bis an die drei obersten Fenster und an dem Haus rechter Hand die Höhe vom Boden bis mitten in das Giebelfenster, ebenfalls 50 Fuß. Wenn man also diese vier verschiedene Höhen nimmt und jede in 50 gleiche Teile einteilt, so dienen sie, jede in der Entfernung, in welcher diese Höhen genommen worden sind, zum Maßstab der Höhen und auch der mit dem Horizont parallel laufenden Linien. So findet sich z.B. dass der nicht weit von B stehende mit C bezeichnete Baum eben so weit gegen den Horizont entfernt liegt als die vorderste Ecke des Hauses F neben dem Thurm. Deswegen muss die Höhe dieses Baumes nach dem Maßstab gemessen werden, den die Höhe dieses Hauses an die Hand gibt. Nämlich, man teilt die Höhe vom Boden bis mitten in das Giebelfenster in 50 Teile oder Fuße. Misst man nun die Höhe des Baumes C damit, so findet man sie von etwa 32 Fuß.
Überhaupt also findet man das Maß der Höhen aller Gegenstände, die auf dem eigentlichen Boden dieser Zeichnung, nehmlich auf der horizontalen Fläche des Gartens vor dem Hause C stehen, wenn man die Perpendicularlinie von dem Punkt, wo sie aufstehen, bis an den Horizont in 50 Teile teilt. So viel solcher Teile ein Baum oder ein Haus hat, so viel Fuß hoch ist es auch. Auf diese Weise findet man, dass die Mauer, die den Thurm umgibt, ungefähr 13 Fuß hoch ist.
Und hieraus kann der Zeichner auch leicht die Proportion finden, die er den Figuren, womit er seine Landschaft ausstaffiren will, in jeder Entfernung zu geben hat.
Diese Messung geht, wie man sieht, nur auf Linien, die perpendicular auf der Horizontalfläche stehen oder auf dieser Fläche mit dem Horizont parallel laufen. Umständlicher wird die Ausmessung der Linien, die sich von vorne gegen den Horizont hinziehen, wie z. B. die Länge der Mauern um den Garten. Diese müssen notwendig nach ungleich eingeteilten Maßstäben gemessen werden; weil eine Rute vorne an der Gartenmauer größer ist als wenn man an der hintern Ecke eine Rute nehmen wollte. Die Methode, solche Linien nach ihrem wahren Maße einzuteilen, soll hier noch angezeigt werden.
Man stelle sich irgend eine in der Zeichnung nach dem Horizont laufende Linie I H D vor, welche perspektivisch durch eingesteckte Pfähle wirklich von 10 zu 10 Fuß eingeteilt sei. Da diese Linie in eben den Punkt D geht, dahin auch P D geht, so ist sie mit dieser perspektivisch parallel. Nun nehme man auf dieser Linie irgend einen Punkt H und ziehe durch denselben die Linie H K mit P D nicht perspektivisch, sondern wirklich parallel, so stellt diese die Linie I D, in ihrer wahren Lage auf dem Grundriss vor.
Der Maßstab auf dem Grundriss zur Ausmessung der Linie H K würde nun eben der sein, den man brauchen müsste, um in der Entfernung des Punkts H aufrecht stehende oder mit dem Horizont parallel laufende Linien auszumessen. Weil nun in der Zeichnung von H bis an den Horizont 50 Fuß sind, so wird diese Höhe in 50 Teile geteilt und zum Maßstab der Linie H K gebraucht, welche hier wirklich von 10 zu 10 Fuß nach diesem Maße eingeteilt ist.
Wäre nun die Linie I H D oder die perspektivische Zeichnung der Linie H K noch nicht eingeteilt, so brauchte man, um dieses zu verrichten, nur aus den Teilungspunkten der Linie H K gerade Linien nach P zu ziehen, wie es bei I i P geschehen ist. Diese Linien nun würden auch die Linie I H D perspektivisch einteilen. Dieses ist daher klar, dass die Winkel bei P, z.B. o P I im Grundriss und der perspektivischen Zeichnung gleich groß sind, folglich gleich große Teile der wirklichen Linie i H und ihres Bildes i H abschneiden.
Auf eben diese Weise verfährt man mit jeder anderen Linie, die man so wie I H D einzuteilen und auszumessen verlangt. Hat man aber dieses mit einer getan, so kann ihre Einteilung auch zur Ausmessung aller mit ihr parallellaufenden Linien gebraucht werden. Wir wollen z.B. setzen, man wolle die Voderseite des Hauses C messen. Weil diese ebenfalls in den Punkt D läuft, so ist sie mit I H D parallel. Wenn man also aus B durch die beiden Punkte d und e an den beiden vorderen Ecken des Hauses gerade Linien zieht, (oder auch nur ein Lineal ansetzt oder einen Faden spannt) so schneiden diese von der Linie I H D ein Stück, dessen Maß und Einteilung auch dass Maß und die Einteilung der Voderseite des Hauses C gibt. So findet man hier, wenn man die Einteilung der Linie I H D weiter fortsetzte, dass die Linie B d auf I H D in den 60 Fuß, B e aber, auf den 140 Fuß trifft. Deswegen ist die Breite des Hauses oder d e 140, weniger 60, das ist 80 Fuß.
Dieses kann hinlänglich sein, jedem Liebhaber, der die wahren Grundsätze der Perspektive gefasst hat, deren Anwendung auf die Beurteilung der Gemälde und Zeichnungen zu zeigen.
Hat der Künstler die Regeln der Perspektive nicht beobachtet, sondern gegen sie gefehlet, so lassen sich auch seine Vergehungen durch ein ähnliches Verfahren der Beurteilung entdecken. Aber schlaue Künstler, die sich ihrer Schwäche in der Perspektive bewußt sind, hüten sich sehr, regulaire Gegenstände, aus denen Parallellinien und gewisse Winkel könnten erkennt werden, in ihre Zeichnungen zu bringen; weil man dadurch am leichtesten ihre Fehler entdecken würde.
Wir können diesen Artikel nicht schließen, ohne die Frage berührt zu haben; ob die Alten die Perspek tiv in ihren Zeichnungen beobachtet haben oder nicht. Es ist bekannt, dass über diesen Punkt vielfältig gestritten worden. Vollkommen ausgemacht und unzweifelhaft ist es, sowohl aus dem wenigen, was Euclides über die Perspektive geschrieben als aus dem, was Vitruvius an zwei Stellen6 erwähnet, dass die Alten die Linienperspektiv als eine besondere Wissenschaft, die dem Maler nützlich sei, gekannt und dass sie gewußt haben, dass ohne dieselbe gewisse Dinge nicht natürlich genug können gezeichnet werden. Dass sie es aber in dieser Wissenschaft eben nicht weit gebracht haben, sieht man aus der schwachen Perspektive des sonst wahrhaftig großen Euclides deutlich genug; und dass die Maler, Bildhauer und Steinschneider sich an das wenige, was man von der Perspektive wußte, gar nicht oder doch höchst selten gekehrt haben, beweisen alle aus dem Altertum übrig gebliebenen Werke der zeichnenden Künste. Die vollständige Wissenschaft der Perspektive ist darum gänzlich als ein Werk der Neueren anzusehen. Die ersten, die den Grund dazu scheinen gelegt zu haben, sind Leonh. da Vinci und unser Albrecht Dürer. Wer aber zu wissen verlangt, wie die Perspektive von der Zeit dieser Männer allmählich zur Vollkommenheit gestiegen ist, der wird in der so eben herausgekommenen zweiten Auflage von Hrn. Lamberts freier Perspektive gleich im Anfange des zweiten Teiles, das nötige hiervon beisammen finden.
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1 Zürich 1759. 8.
2 Augepurg 1760. 810.
3 Indem ich diesen Artikel der Preß übergebe, erhalte ich eine zweite Ausgabe der freien Perspektiv, die in Zürich bei Orell, Geßner und Comp. unter der Jahrzahl 1774 gedruckt ist. Darin sind nicht nur beträchtliche Anmerkungen über seine Methode, sondern auch verschiedene sehr leichte Methoden angegeben, wie eine perspektivische Zeichnung, aus einem vorhandenen Grundriss zu machen sei.
4 S. Lamberts Perspektive II Teil S. 64.
5 S. Augenpunkt.
6 Lib. VII. proem. Lib. 1. c. 2.