XII.2. Meder und Perser

 

Die Meder sind in der Geschichte der Welt durch Kriegstaten und Üppigkeit bekannt; durch Erfindungen oder eine bessere Einrichtung des Staats haben sie sich nie ausgezeichnet. Ein tapfres reitendes Bergvolk waren sie in einem nördlichen, großenteils rauhen Lande; als solches warfen sie das alte assyrische Reich um, dessen Sultane im Harem träge schlummerten; sie entzogen sich auch bald dem neuen assyrischen Reiche. Ebenso schnell aber gerieten sie durch ihren klugen Dejoces unter eine strenge, monarchische Herrschaft, die zuletzt an Pracht und Üppigkeit den Persern selbst vorging. Endlich wurden sie unter dem großen Cyrus mit jener ganzen Flut von Völkern vereinigt, die Persiens Monarchen zu Herren der Welt erhöhte.

Wenn bei einem Fürsten die Geschichte Dichtung zu werden scheint, ist es beim Stifter des persischen Reiches, Cyrus; man möge dies Götterkind, den Erobrer und Gesetzgeber der Völker, von den Hebräern oder Persern, von Herodot oder von Xenophon beschrieben lesen. Ohne Zweifel hat der letztgenannte, schöne Geschichtschreiber, der von seinem Lehrer bereits die Idee einer Cyropädie bekam, bei seinen Feldzügen in Asien wahre Nachrichten von ihm gesammelt, die aber, weil Cyrus lange tot war, nach asiatischer Weise von ihm nicht anders als in jenem hohen Ton des Lobes sprechen konnten, den man in allen Beschreibungen dieser Völker von ihren Königen und Helden gewohnt ist. Xenophon wurde also dasselbe gegen Cyrus, was Homer gegen Achill und Ulysses wurde, bei welchen dem Dichter auch wahre Nachrichten zum Grunde lagen. Für uns ist's indessen einerlei, ob einer oder der andere das Wahrere sage; gnug, Cyrus überwand Asien und stiftete ein Reich, das vom Mittelländischen Meer an bis zum Indus reichte. Hat Xenophon von den Sitten der alten Perser, unter denen Cyrus erzogen wurde, wahr geredet, so mag der Deutsche sich freuen, daß er mit diesem Volk wahrscheinlich eines verwandten Stammes ist, und jeder seiner Prinzen möge die Cyropädie lesen.

Aber, du großer und guter Cyrus, wenn meine Stimme zu deinem Grabmal in Pasagarda gelangen könnte, so würde sie deinen Staub fragen, warum du ein solcher Eroberer wurdest. Bedachtest du im jugendlichen Lauf deiner Siege, wozu dir und deinen Enkeln die unzähligen Völker, die unübersehlichen Länder, die du unter deinen Namen zwangst, nutzen sollten? Konnte dein Geist ihnen allen gegenwärtig sein? Konnte er auf alle folgenden Geschlechter fortlebend wirken? Und wenn dies nicht ist, welche Last legst du deinen Nachkommen auf, einen so zusammengestickten Königspurpur zu tragen? Seine Teile fallen auseinander oder drücken den Tragenden zugrunde. Dies war die Geschichte Persiens unter den Nachfolgern Cyrus'. Sein Eroberungsgeist hatte ihnen ein so hohes Ziel vorgesteckt, daß sie ihr Reich erweitern wollten, auch da es nicht mehr zu erweitern war; sie verwüsteten also und rannten allenthalben an, bis sie zuletzt durch die Ehrsucht eines beleidigten Feindes selbst ihr trauriges Ende fanden. Kaum zweihundert Jahr hat das persische Reich gewährt; und es ist zu verwundern, daß es so lange währte: denn seine Wurzel war so klein, seine Aste dagegen waren so groß, daß es notwendig zu Boden stürzen mußte.

Wenn je die Menschlichkeit im Reich der Menschheit Platz gewinnt, so wird man aus ihrer Geschichte zuerst dem tollen Eroberungsgeist entsagen lernen, der in wenigen Generationen notwendig sich selbst verderbt. Ihr treibt Menschen wie eine Herde, ihr bindet sie wie tote Massen zusammen und denkt nicht, daß dennoch ein lebender Geist in ihnen sei und daß vielleicht das letzte, äußerste Stück des Baues losreiße und euch zerschmettre. Das Reich eines Volks ist eine Familie, ein wohlgeordnetes Hauswesen; es ruht auf sich selbst; denn es ist von der Natur gegründet und steht und fällt nur mit den Zeiten. Ein zusammengezwungenes Reich von hundert Völkern und hundertzwanzig Provinzen ist ein Ungeheuer, kein Staatskörper.

Ein solches war Persiens Monarchie von Anfange an; sogleich nach Cyrus' Zeiten aber fiel sie als ein solches heller ins Auge. Sein ihm so ungleicher Sohn wollte weiter erobern als sein Vater: wie ein Unsinniger ging er auf Ägypten und Äthiopien los, so daß kaum der Hunger der Wüste ihn zurückzutreiben vermochte. Was hatte er und sein Reich davon? Was für Nutzen von ihm hatten die eroberten Länder? Er verwüstete Ägypten, zerstörte die prächtigen thebaischen Tempel und Kunstdenkmale: ein sinnloser Zerstörer! Ermordete Geschlechter ersetzen sich in andern Geschlechtern; dergleichen Werke aber ersetzen sich nie. Noch jetzt liegen sie in ihren Trümmern undurchsucht und beinah unverstanden; jeder Wanderer flucht dem Wahnsinn des Trunkenen, der uns diese Schätze der Alten Welt ohne Ursache und Zweck raubte.

Kaum hatte den Kambyses seine eigne Wut gestraft, so fuhr selbst der weisere Darius fort, wo jener es gelassen hatte. Er bekriegte die Scythen und Indier; er plünderte die Thrazier und Mazedonier; mit allem erbeutete er nichts, als daß er in Macedonien den Funken ausstreute, der einst dem letzten Könige seines Namens die Flamme übers Haupt wehen sollte. Unglücklich zog er gegen die Griechen, noch unglücklicher sein Nachfolger Xerxes; und wenn man nun in diesen despotischen Kriegszügen das Verzeichnis der Schiffe und Völker liest, die die ganze persische Welt dem tollen Erobrer zollen mußte; wenn man die Blutbäder betrachtet, die bei jeder Empörung ungerecht unterjochter Länder am Euphrat, am Nil, am Indus, am Araxes, am Halys angerichtet wurden, damit nur das, was einmal persisch hieß, auch persisch bliebe: nicht weibische Tränen, wie Xerxes vergoß, da er seine unschuldigen Schlachtschafe übersah, blutige Tränen des Unmuts wird man weinen, daß ein so unsinniges, völkerfeindliches Reich den Namen eines Cyrus an seiner Stirn trage. Hatte ein persischer Verwüster der Welt solche Reiche, Städte und Denkmale, als er zerstörte und zerstören wollte, Babylon, Thebe, Sidon, Griechenland, Athen, gegründet? Konnte er sie gründen?

 


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