XIV.2. Roms Einrichtungen zu einem herrschenden Staats und Kriegsgebäude
Romulus zählte sein Volk und teilte es in Zünfte, Kurien und Zenturien; er überschlug die Äcker und verteilte sie dem Gottesdienst, dem Staat und dem Volke. Das Volk sonderte er in Edle und Bürger; aus jenen schuf er den Senat und verband mit den ersten Ämtern des Staats auch die Heiligkeit priesterlicher Gebräuche. Ein Trupp von Rittern wurde gewählt, die in den spätem Zeiten eine Art Mittelstandes zwischen dem Senat und Volk ausmachten, so wie auch diese beiden Hauptstände durch Patrone und Klienten näher miteinander verknüpft wurden. Von den Etruskern nahm Romulus die Liktors mit Stäben und Beil, ein furchtbares Zeichen der Obergewalt, welches künftig jede höchste Obrigkeit in ihrem Kreise von Geschäften, nicht ohne Unterschiede, mit sich führte. Er schloß fremde Götter aus, um Rom seinen eigenen Schutzgott zu sichern; er führte die Augurien und andere Wahrsagungen ein, die Religion des Volks mit den Geschäften des Krieges und Staats innig verwebend. Er bestimmte das Verhältnis des Weibes zum Manne, des Vaters zu seinen Kindern, richtete die Stadt ein, feierte Triumphe, wurde endlich erschlagen und als ein Gott angebetet. Siehe da die einfachen Punkte, um welche sich nachher das Rad der römischen Begebenheiten unaufhörlich wälzt. Denn wenn nun mit der Zeit die Klassen des Volts vermehrt, verändert oder einander entgegengesetzt werden; wenn bittre Streitigkeiten entstehen, was für die Klassen, oder Zünfte des Volks und für welche derselben es zuerst gehöre; wenn Unruhen über die wachsende Schuldenlast der Bürger und die Bedrückungen der Reichen sich erheben, also auch so manche Vorschläge zur Erleichterung des Volks durch Zunftmeister, Verteilung der Äcker oder die Rechtspflege durch einen mittlern, den Ritterstand, getan werden; wenn Streitigkeiten über die Grenzen des Senats, der Patrizier und Plebejer bald diese, bald jene Form annehmen, bis beide Stände sich untereinander verlieren: so sehen wir in alle diesem nichts als notwendige Zufälle einer roh zusammengesetzten, lebendigen Maschine wie der römische Staat innerhalb der Mauern einer Stadt sein mußte. Ein gleiches ist's mit den Vermehrungen obrigkeitlicher Würden, da die Zahl der Bürger, der Siege, der eroberten Länder lind die Bedürfnisse des Staats wuchsen; ein gleiches mit den Einschränkungen und Vermehrungen der Triumphe, der Spiele, des Aufwandes, der männlichen und väterlichen Gewalt, nach den verschiedenen Zeitaltern der Sitten und Denkart: lauter Schattierungen jener alten Stadteinrichtung, die Romulus zwar nicht erfand, sie aber mit so fester Hand hinstellte, daß sie bis unter die Gewalt der Kaiser, ja fast bis auf den heutigen Tag der Grund der römischen Verfassung bleiben konnte. Sie heißt: S. P. Q. R.237, vier Zauberworte, die die Welt unterjocht, zerstört und Rom zuletzt selbst durch einander unglücklich gemacht haben. Lasst uns einige Hauptmomente der römischen Verfassung bemerken, aus denen das Schicksal Roms, wie der Baum aus seinen Wurzeln, entsprossen zu sein scheint.
1. Der römische Senat wie das römische Volk waren von frühen Zeiten an Krieger; Rom von seinem höchsten bis im Notfall zum niedrigsten Gliede war ein Kriegsstaat. Der Senat ratschlagte, er gab aber auch in seinen Patriziern Feldherren und Gesandte; der wohlhabende Bürger von seinem siebzehnten bis zum sechsundvierzig- oder gar fünfzigsten Jahr mußte zu Felde dienen. Wer nicht zehn Kriegszüge getan hatte, war keiner obrigkeitlichen Stelle würdig. Daher also der Staatsgeist der Römer im Felde, ihr Kriegsgeist im Staat. Ihre Beratschlagungen waren über Sachen, die sie kannten, ihre Entschlüsse wurden Taten. Der römische Gesandte prägte Königen Ehrfurcht ein; denn er konnte zugleich Heere führen und im Senat sowohl als im Felde das Schicksal über Königreiche entscheiden. Das Volk der obern Zenturien war keine rohe Masse des Pöbels; es bestand aus kriegs-, länder-, geschäfterfahrnen, begüterten Männern. Die armem Zenturien galten mit ihren Stimmen auch minder und wurden in den bessern Zeiten Roms des Krieges nicht einmal fähig geachtet.
2. Dieser Bestimmung ging die römische Erziehung insonderheit in den edlen Geschlechtern entgegen. Man lernte ratschlagen, reden, seine Stimme geben oder das Volk lenken; man ging früh in den Krieg und bahnte sich den Weg zu Triumphen oder Ehrengeschenken und Staatsämtern. Daher der so eigne Charakter der römischen Geschichte und Beredsamkeit, selbst ihrer Rechtsgelehrsamkeit und Religion, Philosophie und Sprache; alle hauchen einen Staats- und Tatengeist, einen männlichen, kühnen Mut, mit Verschlagenheit und Bürgerurbanität verbunden. Es läßt sich beinah kein größerer Unterschied gedenken, als wenn man eine sinesisch- oder jüdische und römische Geschichte oder Beredsamkeit miteinander vergleicht. Auch vom Geiste der Griechen, Sparta selbst nicht ausgenommen, ist der römische Geist verschieden, weil er bei diesem Volk gleichsam auf einer hartem Natur, auf älterer Gewohnheit, auf festem Grundsätzen ruht. Der römische Senat starb nicht aus; seine Schlüsse, seine Maximen und der von Romulus hergeerbte Römercharakter war ewig.
3. Die römischen Feldherren waren oft Konsuls, deren Amt- und Feldherrnwürde gewöhnlich nur ein Jahr dauerte: sie mußten also eilen, um im Triumph zurückzukehren, und der Nachfolger eilte seines Vorfahren Götterehre nach. Daher der unglaubliche Fortgang und die Vervielfältigung der römischen Kriege; einer entstand aus dem andern, wie einer den andern trieb. Man sparte sich sogar Gelegenheiten auf, um künftige Feldzüge zu beginnen, wenn der jetzige vollendet wäre, und wucherte mit denselben wie mit einem Kapital der Beute, des Glücks und der Ehre. Daher das Interesse, das die Römer so gern an fremden Völkern nahmen, denen sie sich als Bundes- und Schutzverwandten oder als Schiedsrichter, gewiß nicht aus Menschenliebe, aufdrängten. Ihre Bundesfreundschaft wurde Vormundschaft, ihr Rat Befehl, ihre Entscheidung Krieg oder Herrschaft. Nie hat es einen kaltem Stolz und zuletzt eine schamlosere Kühnheit des befehlenden Aufdringens gegeben, als diese Römer bewiesen haben; sie glaubten, die Welt sei die ihre, und darum wurde sie's.
4. Auch der römische Soldat nahm an den Ehren und am Lohne des Feldherren teil. In den ersten Zeiten der Bürgertugend Roms diente man um keinen Sold, nachher wurde er sparsam erteilt; mit den Eroberungen aber und der Emporhebung des Volks durch seine Tribunen wuchsen Sold, Lohn und Beute. Oft wurden die Äcker der überwundenen unter die Soldaten verteilt, und es ist bekannt, daß die meisten und ältesten Streitigkeiten der römischen Republik über die Austeilung der Äcker unter das Volk entstanden. Späterhin bei auswärtigen Eroberungen nahm der Soldat teil an der Beute und durch Ehre sowohl als durch reiche Geschenke am Triumph seines Feldherren selbst teil. Es gab Bürger-, Mauer-, Schiffskronen, und L. Dentatus konnte sich rühmen, »daß, da er hundertundzwanzig Treffen beigewohnt, achtmal im Zweikampf gesiegt, vorn am Leibe fünfundvierzig Wunden und hinten keine erhalten, er dem Feinde fünfunddreißigmal die Waffen abgezogen und mit achtzehn unbeschlagenen Spießen, mit fünfundzwanzig Pferdezieraten, mit dreiundachtzig Ketten, hundertundsechzig Armringen, mit sechsund-zwanzig Kronen, nämlich vierzehn Bürger-, acht goldenen, drei Mauer- und einer Errettungskrone, außerdem mit barem Gelde, zehn Gefangenen und zwanzig Ochsen beschenkt sei« Weil überdies der Ehrenpunkt unserer stehenden Armeen, in denen niemand zurück dienet und nach dem Alter des Dienstes ein jeder fortrückt, in den längsten Zeiten des römischen Staats nicht stattfand, sondern der Feldherr sich seine Tribunen und diese ihre Unterbefehlshaber beim Anfange des Krieges selbst wählten, so wurde notwendig damit eine freiere Konkurrenz zu Ehrenstellen und Geschäften des Krieges eröffnet, auch ein engerer Zusammenhang zwischen dem Feldherrn, den Befehlshabern und der Armee errichtet. Das ganze Heer war ein zu diesem Feldzuge erlesener Körper, in dessen kleinstem Gliede der Feldherr durch die Vertreter seiner Stelle als Seele lebte. Je mehr mit der Zeitfolge in Rom die Mauer durchbrochen wurde, die im Anfange der Republik Patrizier und Volk schied, desto mehr wurde auch das Kriegsglück und die Tapferkeit im Kriege für alle Stände der Weg zu Ehrenstellen, Reichtümern und der Macht im Staate, so daß in den spätem Zeiten die ersten Allgewaltigen Roms, Marius und Sulla, aus dem Volk waren und zuletzt gar die schlechtsten Menschen zu den höchsten Würden stiegen. Ohnstreitig war dies das Verderben Roms, so wie im Anfange der Republik der Patrizierstolz seine Stütze gewesen war und nur allmählich der drückende Hochmut des vornehmen Standes die Ursach' aller folgenden innern Zerrüttungen wurde. Ein Gleichgewicht zwischen Senat und Volk, zwischen Patriziern und Plebejern zu treffen war der immerwährende Streitpunkt der Verfassung Roms, wo das Übergewicht, bald auf der einen, bald auf der andern Seite, endlich dem Freistaat ein Ende machte.