XIV.3. Eroberungen der Römer

 

 Wohin sich von Karthago aus mein Blick wendet, sieht er Zerstörungen vor sich; denn allenthalben ließen diese Welteroberer gleiche Spuren. Wäre es den Römern Ernst gewesen, Befreier Griechenlandes zu sein, unter welchem großmütigen Namen sie sich dieser kindisch gewordnen Nation bei den Isthmischen Spielen ankündigen ließen: wie anders hätten sie gewaltet! Nun aber, wenn Paulus Ämilius siebenzig epirotische Städte plündern und hundertfunfzigtausend Menschen als Sklaven verkaufen läßt, um nur sein Heer zu belohnen; wenn Metellus und Silanus Macedonien, Mummius Korinth, Sulla Athen und Delphi verwüsten und plündern, wie kaum Städte in der Welt geplündert sind; wenn dieser Ruin sich forthin auch auf die griechischen Inseln erstreckt und Rhodus, Zypern, Kreta kein besseres Schicksal haben, als Griechenland hatte, nämlich eine Kasse des Tributs und ein Plünderungsort für die Triumphe der Römer zu werden; wenn der letzte König Macedoniens, mit seinen Söhnen im Triumph aufgeführt, im elendesten Kerker verschmachtet und sein dem Tode entronnener Sohn als ein kunstreicher Drechsler und Schreiber fernerhin in Rom lebt; wenn die letzten Glimmer der griechischen Freiheit, der Ätolische und Achäische Bund, zerstört und endlich alles, alles zur römischen Provinz oder zum Schlachtfelde wird, auf welchem sich die plündernden, verwüstenden Heere der Triumvirs zuletzt selbst erschlagen: o Griechenland, welchen Ausgang gewährt dir deine Beschützerin, deine Schülerin, die Welterzieherin Roma! Was uns von dir übriggeblieben ist, sind Trümmern, welche die Barbaren als Beute des Triumphs mit sich führten, damit auf ihrem eignen Aschenhaufen einst alles unterginge, was je die Menschheit Künstliches erfunden.

 Von Griechenland aus segeln wir zur asiatischen und afrikanischen Küste. Kleinasien, Syrien, Pontus, Armenien, Ägypten waren die Königreiche, in welche sich die Römer bald als Erben, bald als Vormünder, Schiedsrichter und Friedensstifter eindrängten, aus welchen sie aber auch zum Lohn ihrer Dienste das letzte Gift ihrer eignen Staatsverfassung geholet haben. Die großen Kriegstaten des asiatischen Scipio, des Marius, Sulla, Lucullus, Pompejus sind jedermann bekannt, welcher letzte allein in einem Triumph über fünfzehn eroberte Königreiche, achthundert eingenommene Städte und tausend bezwungene Festungen triumphieren konnte. Das Gold und Silber, das er im Gepränge zeigte, betrug zwanzigtausend Talente238); die Einkünfte des Staats vermehrte er auf den dritten Teil, zwölftausend Talente, und sein ganzes Heer war so bereichert, daß der geringste Soldat von ihm über zweihundert Taler Triumphgeschenk erhalten konnte, außer allem, was er schon als Beute mit sich führte: welch ein Räuber! Auf diesem Wege ging Crassus fort, der aus Jerusalem allein zehntausend Talente raubte; und wer fernerhin nach Orient zog, kam, wenn er wiederkam, mit Gold und Üppigkeit beladen wieder. Dagegen, was haben die Römer den Morgenländern gegeben? Weder Gesetze noch Frieden, weder Einrichtung noch Volk, noch Künste. Sie haben Länder verheert, Bibliotheken verbrannt, Altäre, Tempel, Städte verwüstet. Ein Teil der alexandrinischen Bibliothek ging schon durch Julius Cäsar in Flammen unter, und den größten Teil der pergamenischen hatte Antonius der Kleopatra geschenkt, damit einmal beide auf einer Stelle untergehen könnten. So machen die Römer, die der Welt Licht bringen wollen, allenthalben zuerst verwüstende Nacht; Schätze von Golde und Kunstwerken werden erpreßt; Weltteile und Äonen alter Gedanken sinken in den Abgrund; die Charaktere der Völker stehen ausgelöscht da, und die Provinzen unter einer Reihe der abscheulichsten Kaiser werden ausgesogen, beraubt, gemißhandelt.

 Fast noch bedaurender wende ich mich westwärts zu den verheerten Nationen in Spanien, Gallien und wohin weiter die Hände der Römer reichten. Dort waren die Länder, die sie unterjochten, meistens schon verblühte Blüten; hier wurden durch sie noch unreife, aber volle Knospen in ihrem ersten Jugendwuchse so beschädigt, daß von manchen kaum noch ihre Stammesart und Gattung erkennbar geblieben. Spanien war, ehe die Römer hinkamen, ein wohlgebautes, an den meisten Orten fruchtbares, reiches und glückliches Land. Der Handel desselben war beträchtlich und auch die Kultur einiger Nationen nicht verachtenswert, wie es nicht nur die Turdetanier am Bätis, die mit den Phöniciern und Karthagern am längsten bekannt waren, sondern auch die Keltiberier mitten im Lande beweisen. Das tapfre Numantia widerstand den Römern mehr als irgendein anderer Ort der Erde; zwanzig Jahre ertrug es den Krieg, schlug ein römisches Heer nach dem andern und wehrte sich zuletzt gegen die ganze Kriegskunst des Scipio mit einer Tapferkeit, bei deren traurigem Ausgang jeden Leser schaudert. Und was suchten die Verwüster hier im Innern Lande, bei Nationen, die sie nie gereizt, die kaum ihren Namen gehört hatten? Gold- und Silberbergwerke. Spanien war ihnen das, was den Spaniern jetzt Amerika sein muß, ein Ort zum Raube. So plünderten Lucullus, Galba u. f. gegen Treu und Glauben; der Senat selbst macht zwei Friedensschlüsse ungültig, die seine bedrängten Feldherrn mit den Numantinern geschlossen hatten. Grausam liefert er diesen die Feldherren selbst aus, wird aber auch an Edelmut gegen die ausgelieferten Unglücklichen von ihnen überwunden. Und jetzt tritt Scipio mit aller Macht vor Numantia, schließet sie ein, läßt vierhundert jungen Männern, den einzigen, die dieser Unrecht leidenden Stadt zu Hülfe kommen wollen, den rechten Arm abhauen, hört auf die rührende Bitte nicht, da mitten im Hunger ein bedrängtes Volk sein Erbarmen und seine Gerechtigkeit anfleht; er vollführt den Untergang dieser Unglücklichen als ein wahrer Römer. Als ein wahrer Römer handelte Tiberius Gracchus, wenn er in dem einzigen Lande der Keltiberier dreihundert Städte, wären es auch nur Flecken und Schlösser gewesen, verwüstete. Daher der unauslöschliche Haß der Spanier gegen die Römer; daher die tapfern Taten des Viriathus und des Sertorius, die beide auf unwürdige Art fielen und gewiß viele römische Feldherren an Klugheit und Kriegesmut übertrafen; daher jene fast nie bezwungenen Bergvölker der Pyrenäen, die, den Römern zum Trotz, ihre Wildheit beibehielten, solange sie konnten. Unglückliches Goldland Iberien, fast unbekannt bist du mit deiner Kultur und deinen Nationen ins Reich der Schatten gesunken, in welchem dich schon Homer unter dem Glanz der Abendsonne als ein Reich der Unterirdischen malt.

Von Gallien ist wenig zu sagen, da wir die Eroberung desselben nur nach den Kriegsnachrichten seines Überwinders selbst kennen. Zehn Jahre lang kostete es dem Cäsar unglaubliche Mühe und alle Kräfte seiner großen Seele. Wiewohl er edelmütiger war als irgendein Römer, so konnte er doch das Schicksal seiner römischen Bestimmung nicht ändern und sammelte das traurige Lob, »daß er außer den Bürgerkriegen in fünfzig öffnen Feldschlachten gestritten und elfhundert-zweiundneunzig Menschen in Treffen erschlagen habeü; die meisten darunter waren gallische Seelen. Wo sind die vielen, lebhaften und tapfern Völker dieses großen Landes? Wo war ihr Geist und Mut, ihre Anzahl und Stärke, da nach Jahrhunderten wilde Völker über sie fielen und sie wie römische Sklaven unter sich teilten? Selbst der Name dieses Hauptvolks der Erde, seine so eigne Religion, Kultur und Sprache ist in allem, was römische Provinz war, vertilget. Ihr großen edlen Seelen, Scipionen und Cäsar, was dachtet, was fühltet ihr, da ihr als abgeschiedene Geister von eurem Sternenhimmel auf Rom, die Räuberhöhle, und auf euer vollführtes Mörderhandwerk hinuntersaht? Wie unrein mußte euch eure Ehre, wie blutig euer Lorbeer, wie niedrig und menschenfeindlich eure Würgekunst dünken! Rom ist nicht mehr, und auch bei seinem Leben mußte es jedem edlen Mann seine Empfindung sagen, daß Fluch und Verderben sich mit allen diesen ungeheuren, ehrsüchtigen Siegen auf sein Vaterland häufte.

 


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