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II. [Gelöstheit derselben vermittels des Geldbesitzes]

 

Darum hat auch erst die Geldwirtschaft die Herausbildung derjenigen Berufsklassen ermöglicht, deren Produktivität sich inhaltlich ganz jenseits jeder wirtschaftlichen Bewegung stellt - die der spezifisch geistigen Tätigkeiten, der Lehrer und Literaten, der Künstler und Ärzte, der Gelehrten und Regierungsbeamten. Solange Naturalwirtschaft herrscht, erlangen diese überhaupt nur geringen Umfang und nur auf der Basis des Großgrundbesitzes, weshalb denn auch im Mittelalter die Kirche und, nach manchen Seiten hin, das Rittertum das geistige Leben trugen. Die bezeichnete Kategorie von Menschen erhält ihren Rang durch die Strenge der Frage, von der der ganze Wert ihrer Persönlichkeiten abhängt: ob sie sich oder ob sie die Sache suchen. Wo die erwerbende Tätigkeit prinzipiell kein Motiv außerhalb des Erwerbes selbst einzusetzen hat, fällt dieses Kriterium ganz fort und wird höchstens durch die Alternative zwischen rücksichtslosem Egoismus und anständiger Gesinnung - die aber hier wesentlich prohibitiv wirkt - ersetzt. Das Eigentümliche ist, daß das Geld, obgleich, oder vielmehr weil es der sublimierteste Wirtschaftswert ist, uns von der wirtschaftlichen Seite der Dinge am vollständigsten erlösen kann - freilich um den Preis, uns den Betätigungen, die ihren Sinn nicht in ihrem wirtschaftlichen Erfolge haben, mit jener unerbittlichen Frage gegenüberzustellen. Wie aber die der höheren Entwicklung eigene Differenzierung der Lebenselemente allenthalben bewirkt, daß sie als verselbständigte dann wiederum neue Synthesen bilden, so zeigt sich schon hier das später Auszuführende, daß die geldmäßige Fremdheit zwischen dem Besitz und dem Kern der Persönlichkeit doch einer neuen Bedeutung des einen für das andere Raum gibt.

Denn das Wirken des Künstlers, des Beamten, des Predigers, des Lehrers, des Forschers mißt sich, seinem sachlichen Inhalt nach, zwar an einem objektiven Ideale und schafft nach der an diesem festgestellten Höhe die subjektive Befriedigung des Leistenden. Neben dem aber steht der wirtschaftliche Erfolg jener Tätigkeiten, der bekanntlich nicht immer eine stetige Funktion des sachlichen oder idealen ist. Und jener kann sich nicht nur, bei den niedrigsten Naturen, so in den Vordergrund drängen, daß er den anderen zu einem Mittel degradiert; sondern selbst für feinere und der Sache lebende Menschen kann in dem Gelingen der Leistung nach der ökonomischen Seite hin ein Trost, Ersatz, Rettung für die gefühlte Unzulänglichkeit nach der Seite des Haupterfolges hin liegen; zum mindesten etwas wie ein Ausruhen und eine momentane Verpflanzung des Interesses, die der Hauptsache schließlich gewachsene Kräfte zuführt. Viel schwieriger, klippenreicher ist das Los dessen, der mit seiner Leistung nicht zugleich Geld verdient, sondern diese ausschließlich an der Sache und ihren inneren Anforderungen messen darf. Ihm fehlt jene wohltätige Ableitung und Tröstung durch den Gedanken, wenigstens im wirtschaftlichen Sinne das Seinige getan und die Anerkennung dafür empfangen zu haben; er sieht sich ganz anders als jener vor ein: Alles oder Nichts - gestellt und muß über sich selbst nach einem Gesetzbuch richten, das keine mildernden Umstände kennt. So gleicht sich die Begünstigung derer aus, die darum beneidet werden, daß sie »nicht aufs Geld zu sehen brauchen«, nur der Sache leben können. Sie müssen das damit bezahlen, daß über den Wert ihres Tuns jetzt nur ein einziger Erfolg entscheidet, bei dessen Verfehlen sie nicht den wie auch geringen Trost haben, daß wenigstens ein greifbarer Nebenerfolg geglückt ist. Daß dieser gerade in der Form des verdienten Geldes auftritt, erleichtert ihm außerordentlich das Gewinnen solcher Bedeutung. Es wird darin erstens in der unzweideutigsten Form ausgewiesen, daß die Leistung, trotz ihres Zurückbleibens hinter dem eigenen oder dem sachlichen Endwerte, doch für andere Menschen etwas wert sein muß; ferner macht die Struktur des Geldes es so besonders geeignet, als relativ befriedigender Ersatz für einen ausgebliebenen idealen Haupterfolg zu funktionieren, weil es durch seine Greifbarkeit und nüchtern quantitative Bestimmtheit einen gewissen Halt und psychische Erlösung gegenüber dem Schwanken und Fließen qualitativer Lebenswerte gewährt, insbesondere wenn diese sich erst im Zustande des Erobertwerdens befinden; endlich wird durch die völlige innere Fremdheit des Geldes gegen die idealen Werte einer Verwirrung des Wertempfindens, die für feinere Naturen höchst beängstigend sein müßte, vorgebeugt, die beiden Erfolge bleiben in unbedingter Getrenntheit bestehen, der eine kann wohl einmal eine gewisse innere Bedeutung erlangen, wenn die des anderen versagt, aber sich doch nicht mit dieser mischen. So gelingt es dem Gelde, nachdem es durch die Scheidung von Haben und Sein die rein geistigen Berufe geschaffen hat, durch neue Synthese des Differenzierten, die Produktion rein geistiger Werte sozusagen nicht nur auf der absoluten, sondern auch auf den relativen Stufen - dort, wo man der Unbedingtheit jener Entscheidung nicht gewachsen ist - zu tragen.

 


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