Home  Impressum  Copyright

II. [Unbedingte und bedingte Nachgiebigkeit des Geldbesitzes gegenüber dem Ich]

 

Wir haben am Geld das formal nachgiebigste, aber, aus eben dem Grunde, der es dazu macht, nämlich durch seine völlige Leerheit, zugleich unnachgiebigste Objekt: indem das Geld, das wir besitzen, uns von vornherein und wie mit einem Schlage auch wirklich absolut und vorbehaltlos gehört, können wir ihm nun auch sozusagen nichts weiter entlocken. Im allgemeinen muß man sagen: nur indem ein Objekt etwas für sich ist, kann es etwas für uns sein; nur also, indem es unserer Freiheit eine Grenze setzt, gibt es ihr Raum. Diese logische Entgegengesetztheit, in deren Spannung sich dennoch die Einheit unseres Verhaltens zu den Dingen realisiert, erreicht am Gelde ihr Maximum: es ist mehr für uns, als irgendein Besitzstück, weil es uns ohne Reserve gehorcht - und es ist weniger für uns, als irgendeines, weil ihm jeglicher Inhalt fehlt, der über die bloße Form des Besitzes hinaus aneigenbar wäre. Wir haben es mehr als alles andere, aber wir haben weniger an ihm, als an allem ändern.

Jene Nachgiebigkeit des Geldes findet, wie so viele seiner Wesensfolgen überhaupt, ihren reinsten und gesteigertsten Ausdruck an der Börse, in der die Geldwirtschaft ebenso zu einem selbständigen Gebilde kristallisiert ist, wie die politische Organisation im Staate. Die Kursschwankungen nämlich zeigen vielfach subjektiv-psychologische Motivierungen, wie sie in dieser Kraßheit und dieser Unabhängigkeit von aller objektiven Begründung ganz unvergleichlich sind. Zwar wäre es oberflächlich, dafür anzuführen, daß den Kursbewegungen nur selten reale Veränderungen in der Güte des einzelnen, das Papier fundierenden Objektes genau entsprechen. Denn diese Güte, in ihrer Bedeutung für den Markt, besteht doch nicht bloß in den inneren Qualitäten des Staates oder der Brauerei, des Bergwerkes oder der Bank, sondern in dem Verhältnis derselben zu den gesamten sonstigen Inhalten des Marktes und ihrer Lage. Es entbehrt deshalb nicht der sachlichen Begründung, wenn z.B. große Insolvenzen in Argentinien den Kurs der chinesischen Rente drücken, obgleich die Sicherheit derselben sowenig durch jenes Ereignis, wie durch eines auf dem Monde alteriert wird. Denn die Wertbedeutung jener hängt, bei aller äußeren Ungeändertheit, doch von der Gesamtlage des Marktes ab, deren Erschütterung von irgendeinem Punkte her z.B. die Weiterverwertung jener Erträgnisse ungünstiger gestalten kann. Jenseits dieser, wenn auch die Synthese des Einzelobjekts mit anderen voraussetzenden, so doch objektiven Verursachung der Kursänderungen steht aber diejenige, die von der Spekulation selbst ausgeht: denn diese Wetten über den künftigen Kursstand eines Papiers haben auf diesen Kursstand selbst den erheblichsten Einfluß. Sobald z.B. eine mächtige Finanzgruppe aus Gründen, die mit der Qualität des Papiers gar nichts zu tun haben, sich in ihm engagiert, so treibt dies den Kurs desselben in die Höhe: umgekehrt ist auch die Baissepartei imstande, durch bloße Börsenmanöver den Kurs eines Papiers fast beliebig zu senken. Hier erscheint also der reale Wert des Objekts als der bloße, an sich irrelevante Untergrund, über dem sich die Bewegung des Marktwertes erhebt, weil sie sich doch an irgendeine Substanz, richtiger: an irgendeinen Namen knüpfen muß; die Proportion zwischen dem sachlichen und schließlichen Wert des Objekts und seiner Vertretung durch das Börsenpapier hat jede Stetigkeit verloren. Damit also zeigt sich die unbedingte Nachgiebigkeit der Wertform, die die Dinge mit dem Geld gewonnen haben und die sie von ihrer sachlichen Grundlage ganz gelöst hat; jetzt folgt der Wert relativ widerstandslos den psychologischen Impulsen der Laune, der Habsucht, der unbegründeten Meinungen, und zwar in um so auffälligerer Weise, als doch reale Verhältnisse da sind, welche durchaus treffende Maßstäbe der Bewertung bilden könnten. Aber seiner eigenen Wurzel und Substanz gegenüber hat der zu einem Geldgebilde gewordene Wert sich verselbständigt, um sich nun subjektiven Energien vorbehaltlos auszuliefern. Hier, wo die Wette selbst den Gegenstand der Wette in seinem Schicksal zu bestimmen vermag, und zwar in Unabhängigkeit von vorhandenen sachlichen Gründen, hat die Durchdringbarkeit und Bildsamkeit der Geldform der Werte durch die Subjektivität in ihrem engsten Sinne den triumphierendsten Ausdruck gefunden.

 


 © textlog.de 2004 • 25.11.2024 03:13:57 •
Seite zuletzt aktualisiert: 27.09.2004