II. [Unbedingte und bedingte Nachgiebigkeit des Geldbesitzes gegenüber dem Ich]
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Dieses Verhältnis bildet ferner eine Seite der sehr komplexen und oben schon wichtig gewordenen Erscheinung des Geizes. Indem der Geizige in dem Besitz des Geldes seine Seligkeit findet, ohne zum Erwerb und Genuß einzelner Gegenstände vorzuschreiten, muß sein Machtgefühl tiefer und wertvoller sein, als alle Herrschaft über bestimmt qualifizierte Dinge ihm sein könnte. Denn jeder Besitz eines solchen, so sahen wir, hat seine Schranke in sich. Die begierige Seele, die restlose Befriedigung trinken und das Letzte, Innerste, Absolute der Dinge mit sich durchdringen will, erfährt von ihnen schmerzlichste, Zurückweisungen, sie sind und bleiben etwas für sich, was ihrer völligen Einschmelzung in die Sphäre des Ich Widerstand leistet und so gerade den leidenschaftlichsten Besitz in Unbefriedigung ausklingen läßt. Der Besitz des Geldes ist von diesem geheimen Widerspruch alles sonstigen Habens frei. Um den Preis, an die Dinge selbst nicht heranzukommen und auf alle spezifischen, an Einzelnes geknüpften Freuden zu verzichten, kann das Geld ein Herrschaftsgefühl gewähren, das aber weit genug von den eigentlich empfindbaren Objekten absteht, um sich an den Schranken des Besitzens ihrer nicht zu stoßen. Das Geld allein besitzen wir ganz und ohne Reserve, es allein geht völlig in der Funktion auf, die wir mit ihm vornehmen. So müssen die Freuden des Geizigen den ästhetischen ähnlich sein. Denn auch diese stellen sich jenseits der undurchdringlichen Realität der Welt und halten sich an ihren Schein und Schimmer, der dem Geiste völlig durchdringlich ist, wie er ohne Rückstand in ihn eingeht. Indes sind auch hier die an das Geld geknüpften Erscheinungen nur die reinsten und durchsichtigsten Stufen einer Reihe, die das gleiche Prinzip auch an anderen Inhalten verwirklicht. Ich lernte einen Mann kennen, der, nicht mehr ganz jung, Familienvater, in guten Verhältnissen, seine gesamte Zeit damit ausfüllte, alle möglichen Dinge zu lernen. Sprachen, ohne sie je praktisch anzuwenden, vollendet tanzen, ohne es auszuüben, Fertigkeiten jeder Art, ohne einen Gebrauch von ihnen zu machen oder auch nur machen zu wollen. Dies ist vollkommen der Typus des Geizhalses: die Befriedigung an der voll besessenen Potenzialität, die niemals an ihre Aktualisierung denkt. Aber auch hier muß deshalb der dem Ästhetischen verwandte Reiz vorhanden sein: die Beherrschung gleichsam der reinen Form und Idee der Dinge oder des Handelns, der gegenüber jedes Vorschreiten zur Wirklichkeit durch deren unvermeidliche Hindernisse, Rückstöße, Unzulänglichkeiten nur ein Herabsteigen sein könnte, und das Gefühl, die Objekte durch das Können absolut zu beherrschen, einschränken müßte. Die ästhetische Betrachtung - die als bloße Funktion jeglichem Gegenstande gegenüber möglich und dem »Schönen« gegenüber nur besonders leicht ist - beseitigt am gründlichsten die Schranke zwischen dem Ich und den Objekten; sie läßt die Vorstellung der letzteren so leicht, mühelos, harmonisch abrollen, als ob sie von den Wesensgesetzen des ersteren allein bestimmt wären. Daher das Gefühl der Befreiung, das die ästhetische Stimmung mit sich führt, die Erlösung von dem dumpfen Druck der Dinge, die Expansion des Ich mit all seiner Freude und Freiheit in die Dinge hinein, von deren Realität es sonst vergewaltigt wurde. Das muß die psychologische Färbung der Freude am bloßen Geldbesitz sein. Die eigentümliche Verdichtung, Abstraktion, Antizipation des Sachbesitzes, die er bedeutet, läßt dem Bewußtsein eben jenen freien Spielraum, jenes ahnungsvolle Sicherstrecken durch ein widerstandsloses Medium hindurch, jenes In-Sich-Einziehen aller Möglichkeiten, ohne Vergewaltigungen und Dementierungen durch die Wirklichkeit - wie es alles dem ästhetischen Genießen eigen ist. Und wenn man die Schönheit als une promesse de bonheur definiert hat, so weist auch dies auf die psychologische Formgleichheit zwischen dem ästhetischen Reiz und dem des Geldes hin; denn worin anders kann dieser letztere bestehen als in dem Versprechen der Freuden, die uns das Geld vermitteln soll? - Es gibt übrigens Versuche, jenen Reiz des noch ungeformten Wertes mit dem Reiz der Formung zu vereinigen: das ist eine der Bedeutungen des Schmuckes und der Pretiosen. Der Besitzer davon erscheint als Repräsentant und Herr einer, unter Umständen sehr hohen. Wertsumme, die gleichsam eine verdichtete Macht in seiner Hand darstellt, während andrerseits die absolute Flüssigkeit und bloße Potenzialität, die diese Bedeutung sonst bedingt, doch zu einer gewissen Formbestimmtheit und spezifischen Qualität geronnen ist. Besonders schlagend tritt dieser Vereinigungsversuch im folgenden hervor: in Indien war es lange üblich, Geld in Form von Schmucksachen aufzubewahren, bzw. zu sparen: d.h., man ließ die Rupien einschmelzen, zu Schmuck verarbeiten (was nur einen sehr geringen Wertverlust erzeugte) und thesaurierte diesen, um ihn im Notfall wieder als Silber auszugeben. Offenbar wirkt der Wert so zugleich kondensierter und qualitätenreicher. Diese Vereinigung läßt ihn, indem er so selbst eigenartiger und seine atomistische Struktur aufgehoben ist, gewissermaßen der Persönlichkeit enger zugehörig erscheinen; so sehr ist dies der Fall, daß die fürstlichen Thesaurierungen von Edelmetallen in Gerätform seit Salomons Zeiten von dem trügerischen Glauben getragen wurden, in dieser Form sei der Schatz am engsten der Familie verbunden und vor den Griffen der Feinde am gesichertsten. Die unmittelbare Verwendung der Münzen als Schmuck hat vielfach den Sinn, daß man das Vermögen fortwährend an sich, also unter Aufsicht, haben will. Der Schmuck, der eine Bestrahlung der Persönlichkeit ist, wirkt als eine Ausstrahlung derselben, und darum ist es wesentlich, daß er etwas Wertvolles ist: der ideale, wie jener praktische Sinn seiner erheben sich auf seiner engen Zugehörigkeit zum Ich. Für den Orient ist hervorgehoben, die Bedingung alles Reichtums sei, daß man ihn flüchten könne, sozusagen also ihn dem Besitzer und seinen Schicksalen absolut folgsam mache. Andrerseits aber enthält auch schon die Freude am Geldbesitz zweifellos ein idealistisches Moment, dessen Hervorhebung nur deshalb paradox erscheint, weil einerseits die Mittel, zu ihm zu gelangen, an solchen Momenten meistens Mangel leiden, und weil andrerseits diese Freude in dem Augenblick, wo sie als Äußerung aus dem Subjekt heraustritt, dies gleichfalls in ganz anderer als idealistischer Form zu tun pflegt; das darf aber nicht die Tatsache verdecken, daß die Freude am Geldbesitz bloß als solchem eine der abstraktesten, von aller sinnlichen Unmittelbarkeit entferntesten, am ausschließlichsten durch einen Prozeß des Denkens und der Phantasie vermittelten ist. So gleicht sie der Freude am Siege, die bei manchen Naturen so stark ist, daß sie gar nicht danach fragen, was sie denn eigentlich durch den Sieg gewinnen.
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