II. [Unbedingte und bedingte Nachgiebigkeit des Geldbesitzes gegenüber dem Ich]
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Nach alledem ist die Ausdehnung des Ich, die der Geldbesitz bedeutet, eine sehr eigenartige - in gewissem Sinne die vollständigste, die uns von einem Objekt überhaupt kommen kann, in anderem gerade die beschränkteste, weil seine Nachgiebigkeit doch schließlich nur die eines absolut flüssigen Körpers ist, der freilich jegliche Form annimmt, keine aber sozusagen in sich selbst ausprägt, sondern jede Bestimmtheit derselben erst von dem umschließenden Körper erhält. Aus dieser Konstellation erklären sich psychologische Tatsachen des folgenden Typus. Jemand sagte mir, er hätte das Bedürfnis, alle Dinge, die ihm sehr gefallen, zu kaufen, wenn auch nicht für sich und um sie zu besitzen; es käme ihm nur darauf an, seinem Gefallen an den Dingen damit einen aktiven Ausdruck zu geben, sie durch sich durchgehen zu lassen und ihnen so irgendwie den Stempel seiner Persönlichkeit aufzudrücken. Hier ermöglicht also das Geld eine ganz eigenartige Expansion der Persönlichkeit, sie sucht sich nicht mit dem Besitz der Dinge selbst zu schmücken, die Herrschaft über diese ist ihr gleichgültig; es genügt ihr vielmehr jene momentane Macht über sie, und während es scheint, als ob dieses Sich-Fernhalten von jeder qualitativen Beziehung zu ihnen der Persönlichkeit gar keine Erweiterung und Befriedigung gewähren könne, wird doch gerade der Aktus des Kaufens als eine solche empfunden, weil die Dinge ihrer Geldseite nach sozusagen absolut gehorsam sind; wegen der Vollständigkeit, mit der das Geld und die Dinge als Geldwerte dem Impulse der Persönlichkeit gehorchen, wird diese schon durch ein Symbol derjenigen Herrschaft über sie befriedigt, die sonst nur in dem wirklichen Besitze liegt. Der Genuß dieser bloßen Symbolik des Genusses kann sich nahe an das Pathologische hin verirren, wie in dem folgenden Falle, den ein französischer Romancier offenbar der Wirklichkeit nacherzählt. Gewissen Pariser Boheme-Kreisen habe ein Engländer angehört, dessen Lebensgenuß darin bestand, daß er die tollsten Orgien mitmachte, nie aber selbst etwas genoß, sondern immer nur für alle bezahlte; er tauchte auf, sprach nichts, tat nichts, bezahlte alles und verschwand. Die eine Seite der fraglichen Vorgänge, das Bezahlen, muß für das Gefühl dieses Mannes zu ihrem Ganzen geworden sein. Es ist wohl anzunehmen, daß hier eine jener perversen Befriedigungen vorliegt, von denen neuerdings in der Sexual-Pathologie häufig die Rede ist; der gewöhnlichen Verschwendungssucht gegenüber, die auch an der Vorstufe des Besitzens und Genießens, dem bloßen Geldausgeben, haltmacht, ist das Verfahren jenes Mannes deshalb so besonders auffällig, weil die Genüsse, die hier durch ihr Äquivalent vertreten werden, ihm so sehr nahekommende und unmittelbar verführerische sind. Das Fernbleiben von dem positiven Haben und Ausschöpfen der Dinge einerseits, die Tatsache andrerseits, daß schon ihr bloßer Kauf als ein Verhältnis zwischen der Persönlichkeit und ihnen und als eine persönliche Befriedigung empfunden wird, erklärt sich aus der Expansion, die die bloße Funktion des Geldaufwandes der Persönlichkeit gewährt. Das Geld baut eine Brücke zwischen dem so empfindenden Menschen und den Dingen, über die hinschreitend die Seele den Reiz ihres Besitzes auch dann empfindet, wenn sie zu diesem selbst gar nicht gelangt.
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