III. [Die Trennung der Gesamtpersönlichkeit von ihren einzelnen Leistungen und deren Folgen für die Leistungsäquivalente]
Wo die Arbeitsverfassung, bzw. das allgemeine soziale Verhältnis aus der personalen in die sachliche Form - und, parallel damit, aus der naturalwirtschaftlichen in die geldwirtschaftliche - übergeht, finden wir zunächst oder partiell eine Verschlechterung in der Stellung des Untergeordneten. Die Entlohnung des Arbeiters in Naturalien hat, gegenüber dem Geldlohn, neben all ihren Gefahren sicher manche Vorteile. Denn die Geldleistung bezahlt ihre größere äußere Bestimmtheit, sozusagen ihre logische Präzision, mit der größeren Unsicherheit ihres schließlichen Wertquantums. Brot und Wohnung haben für den Arbeiter einen, man möchte sagen, absoluten Wert, der als solcher zu allen Zeiten derselbe ist; die Wertschwankungen, denen nichts Empirisches sich entziehen kann, fallen hier dem Arbeitgeber zur Last, der sie dadurch für den Arbeiter ausgleicht. Der gleiche Geldlohn dagegen kann heute etwas völlig anderes bedeuten als vor einem Jahre, er verteilt die Chancen der Schwankungen zwischen Geber und Empfänger. Allein diese Unsicherheit und Ungleichmäßigkeit, die oft genug recht empfindlich sein mag, ist doch das unvermeidliche Korrelat der Freiheit. Die Art, auf die die Freiheit sich darstellt, ist Unregelmäßigkeit, Unberechenbarkeit, Asymmetrie; weshalb denn - wie später noch ausführlich zu erörtern ist - freiheitliche politische Verfassungen, wie die englische, durch ihre inneren Anomalien, ihren Mangel an Planmäßigkeit und systematischem Aufbau charakterisiert sind, während despotischer Zwang allenthalben auf symmetrische Strukturen, Gleichförmigkeit der Elemente, Vermeidung alles Rhapsodischen ausgeht. Die Schwankungen der Preise, unter denen der Geldlohn empfangende Arbeiter ganz anders als der in Naturalien entlohnte leidet, haben so einen tiefen Zusammenhang mit der Lebensform der Freiheit, die dem Geldlohn ebenso entspricht, wie die Naturalentlohnung der Lebensform der Gebundenheit. Gemäß der Regel, die weit über die Politik hinaus gilt: wo eine Freiheit ist, da ist auch eine Steuer - zahlt der Arbeiter in den Unsicherheiten des Geldlohnes die Steuer für die durch diesen bewirkte oder angebahnte Freiheit. - Ganz Entsprechendes nehmen wir wahr, wo umgekehrt die Leistungen des sozial Tieferstehenden aus der naturalen in die Geldform übergehen. Die Naturalleistung schafft ein gemütlicheres Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten. In dem Korn, dem Geflügel, dem Wein, die der Grundholde in den Herrenhof liefert, steckt unmittelbar seine Arbeitskraft, es sind gleichsam Stücke von ihm, die sich von seiner Vergangenheit und seinem Interesse noch nicht völlig gelöst haben; und entsprechend werden sie unmittelbar von dem Empfänger genossen, er hat ein Interesse an ihrer Qualität und sie gehen sozusagen ebenso in ihn persönlich ein, wie sie von jenem persönlich ausgehen. Es wird damit also eine viel engere Verbindung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem hergestellt, als durch die Geldleistung, in der die personalen Momente von beiden Seiten her verschwinden. Deshalb hören wir, daß im frühen mittelalterlichen Deutschland durchaus die Sitte herrschte, die Leistungen der Hörigen durch kleine Gefälligkeiten zu mildern; allenthalben erhielten sie bei der Entrichtung der Abgaben eine kleine Gegengabe, mindestens Speise und Trank. Diese wohlwollende, sozusagen anmutige Behandlung der Verpflichteten hat sich in dem Maße verloren, in dem an die Stelle der Naturalleistungen mehr und mehr Geldleistungen und an die Stelle der unter ihren Grundholden lebenden Grund- und Landesherren die härteren Beamten traten. Denn diese Einsetzung der Beamten bedeutete die Objektivierung des Betriebes: der Beamte leitete ihn nach den unpersönlichen Anforderungen der Technik, die ein möglichst großes objektives Erträgnis liefern sollte. Er stand mit derselben entpersonalisierenden Wirkung zwischen dem Hörigen und dem Herrn, wie sich das Geld zwischen die Leistung des einen und den Genuß des ändern schob, eine trennende Selbständigkeit der Mittelinstanz, die sich auch darin zeigte, daß die Verwandlung der Naturalfronen in Geldzinsung dem Gutsverwalter ganz neue Gelegenheiten zu Unredlichkeiten gegenüber dem fernen Herrn gab. So sehr der Bauer von dem Persönlichkeitscharakter des Verhältnisses profitiert und nach dieser Seite hin unter seiner Versachlichung und Zugeldesetzung zunächst leiden mag, so war dieses doch, wie ich oben auseinandersetzte, der unumgängliche Weg, der zur Aufhebung der Leistungen der Hörigen überhaupt führte.