September 1917
Ein deutsches Buch
»Der rote Kampfflieger« von Rittmeister Manfred Freiherrn v. Richthofen ist 1917 im Verlag Ullstein & Co., Berlin-Wien erschienen. Die folgenden Stellen seien daraus zitiert:
... Mein erster Gedanke war, den Popen hinter Schloß und Riegel zu setzen. So holten wir den vollkommen überraschten und höchst verdutzten Mann aus seinem Hause. Ich sperrte ihn zunächst mal auf dem Kirchturm ins Glockenhaus ein, nahm die Leiter weg und ließ ihn oben sitzen. Ich versicherte ihm, daß, wenn auch nur das geringste feindselige Verhalten der Bevölkerung sich bemerkbar machen sollte, er sofort ein Kind des Todes sein würde. Ein Posten hielt Ausschau vom Turm und beobachtete die Gegend.
... Auf jeder Station, auch da, wo wir nicht hielten, stand ein Meer von Menschen, die uns mit Hurra und Blumen überschütteten. Eine wilde Kriegsbegeisterung lag im deutschen Volk; das merkte man.
... Ich fühlte mich mit meiner Pistole in der Hand ganz kolossal sicher.
Die Einwohner hatten sich, wie ich später erfahren habe, sowohl einige Tage vorher gegen unsere Kavallerie als auch später gegen unsere Lazarette sehr aufrührerisch benommen, und man hatte eine ganze Menge dieser Herren an die Wand stellen müssen.
... Den Kriegsanfang möchte ich wieder mal mitmachen.
... Eigentlich hätte ich den Franktireur wie ein Stück Vieh ›runterknallen müssen.
... Es liegt wohl im Blute eines Germanen, den Gegner, wo man ihn auch trifft, über den Haufen zu rennen, besonders natürlich feindliche Kavallerie. Schon sah ich mich an der Spitze meines Häufleins eine feindliche Schwadron zusammenhauen und war ganz trunken vor freudiger Erwartung. Meinen Ulanen blitzten die Augen.
... Alles das spielte sich auf einem schmalen Waldweg ab, so daß man sich wohl die Schweinerei vorstellen kann, die sich nun ereignete.
... Er hatte uns wohl von Anfang an beobachtet und, wie es den Franzosen nun mal liegt, aus dem Hinterhalt seinen Feind zu überfallen, so hatte er es auch in diesem Fall wieder versucht.
... Die Mönche waren überaus liebenswürdig. Sie gaben uns zu essen und zu trinken, soviel wir haben wollten, und wir ließen es uns gut schmecken. Die Pferde wurden abgesattelt und waren auch ganz froh, wie sie nach drei Tagen und drei Nächten zum erstenmal ihre achtzig Kilo totes Gewicht von ihren Rücken loswurden. Mit anderen Worten, wir richteten uns so ein, als ob wir im Manöver bei einem lieben Gastfreund zu Abend wären. Nebenbei bemerkt, hingen drei Tage darauf mehrere von den Gastgebern an dem Laternenpfahl, da sie es sich nicht hatten verkneifen können, sich an dem Krieg zu beteiligen. Aber an dem Abend waren sie wirklich überaus liebenswürdig. Wir krochen in Nachthemden in unsere Betten, stellten einen Posten auf und ließen den lieben Herrgott einen guten Mann sein.
Aus dem Kapitel »Langeweile vor Verdun«:
Für einen so unruhigen Geist, wie ich einer bin, war meine Tätigkeit vor Verdun durchaus mit »langweilig« zu bezeichnen. Anfangs lag ich selbst im Schützengraben an einer Stelle, wo nichts los war; dann wurde ich Ordonnanzoffizier und glaubte, nun mehr zu erleben. Da hatte ich mich aber arg in die Finger geschnitten. Ich wurde vom Kämpfenden zum besseren Etappenschwein degradiert.
... Es war ganz spaßig, die Franzosen an manchen Stellen nur auf fünf Schritt vor sich zu haben. Man hörte den Kerl sprechen, man sah ihn Zigaretten rauchen, ab und zu warf er ein Stück Papier herüber. Man unterhielt sich mit ihnen, und trotzdem suchte man sich auf alle erdenklichen Arten anzuärgern (Handgranaten).
... Besonders eine Sau war interessant, sie kam jede Nacht durch den See geschwommen, brach an einer bestimmten Stelle in einen Kartoffelacker und schwamm dann wieder zurück. Es reizte mich natürlich besonders, dieses Tier näher kennenzulernen. So setzte ich mich denn an dem Ufer dieses Sees an. Wie verabredet, erschien die alte Tante um Mitternacht, um sich ihr Nachtmahl zu holen. Ich schoß, während sie noch im See schwamm, traf, und das Tier wäre mir beinahe versoffen, wenn ich nicht noch im letzten Moment hätte zugreifen können, um sie an einem Lauf festzuhalten.
... So hatte ich es schon einige Monate ausgehalten, da kam eines schönen Tages etwas Bewegung in unseren Laden. Wir beabsichtigten eine kleine Offensive an unserer Front. Ich freute mich mächtig ...
Nachdem in Rußland unsere Unternehmungen so sachte zum Stehen kamen, wurde ich plötzlich zu einem Großkampfflugzeug, zur B.A.O. nach Ostende versetzt (21. August 1915). Ich traf da einen alten Bekannten, Zeumer, und außerdem verlockte mich der Name »Großkampfflugzeug«.
Aus dem Kapitel »Ein Tropfen Blut fürs Vaterland«:
... Mein Großkampfflugzeug, das sich für das Bombenschleppen ganz gut eignete, hatte aber die dumme Eigenschaft, daß man von der abgeworfenen Bombe den Einschlag schlecht sehen konnte, denn das Flugzeug schob sich nach dem Abwurf über das Ziel weg und verdeckte es mit seinen Flächen vollkommen. Dieses ärgerte mich immer, denn man hatte so wenig Spaß davon. Wenn’s unten knallt und man die lieblich grau-weiße Wolke der Explosion sieht und sie auch in der Nähe des Zieles liegt, macht einem viel Freude.
... Ich verfolgte ihn mit den Augen und klopfte Osteroth auf den Kopf. Er fällt, er fallt, und tatsächlich fiel er in einen großen Sprengtrichter; man sah ihn darin auf den Kopfstehen, Schwanz nach oben. Auf der Karte stellte ich fest: fünf Kilometer hinter der jetzigen Front lag er. Wir hatten ihn also jenseits abgeschossen. In damaliger Zeit wurden aber Abschüsse jenseits der Front nicht bewertet, sonst hätte ich heute einen mehr auf meiner Liste. Ich aber war sehr stolz auf meinen Erfolg, und im übrigen ist es ja die Hauptsache, wenn der Kerl unten liegt, also nicht, daß er einem als Abschuß angerechnet wird.
... Ich nahm mir einen zweiten Piloten als Beobachter mit und schickte diesen abends zurück. Nachts setzte ich mich auf Sauen an und wurde am nächsten Morgen von diesem Piloten wieder abgeholt.
... Es ist aber nicht jedermanns Sache, auf Wetter gar keine Rücksicht zu nehmen, doch es gelang mir, einen Gesinnungstüchtigen zu finden.
Aus dem Kapitel »Bombenflüge in Rußland«:
... Man konnte das von oben sehr schön sehen; an jeder Ausweichstelle stand ein Transportzug. Also ein wirklich lohnendes Ziel für einen Bombenflug.
Man kann sich für alles begeistern. So hatte ich mich mal für eine Weile für dieses Bombenfliegen begeistert. Es machte mir einen unheimlichen Spaß, die Brüder da unten zu bepflastern. Oft zog ich an einem Tage zweimal los.
... Ich schleppte manchmal einhundertfünfzig Kilogramm Bomben mit einem ganz normalen C-Flugzeug. Außerdem hatte ich noch einen schweren Beobachter mit, dem man die Fleischnot gar nicht ansah, ferner »für den Fall daß« noch zwei Maschinengewehre. Ich habe sie nie in Rußland ausprobieren können. Es ist sehr schade, daß in meiner Sammlung kein Russe vorhanden ist. An der Wand würde sich seine Kokarde gewiß ganz malerisch machen. So ein Flug mit einer dicken, schwerbeladenen Maschine, besonders in der russischen Mittagsglut, ist nicht von Pappe.
... Endlich ist man in einer ruhigeren Luftschicht und kommt allmählich zu dem Genuß des Bombenfluges. Es ist schön, geradeaus zu fliegen, ein bestimmtes Ziel zu haben und einen festen Auftrag. Man hat nach einem Bombenwurf das Gefühl: Du hast etwas geleistet, während man manchmal bei einem Jagdflug, wo man keinen abgeschossen hat, sich sagen muß: Du hättest es besser machen können. Ich habe sehr gern Bomben geworfen.
... Und so konnten wir noch manches erreichen. Mein Beobachter schoß feste mit dem Maschinengewehr unter die Brüder, und wir hatten einen wilden Spaß daran.
Aus dem Kapitel »Endlich«:
... Wir unterhielten uns mit den Kameraden, da erzählte einer: »Heute kommt der große Boelcke und will uns, oder vielmehr seinen Bruder, in Kowel besuchen.« ... Ich wagte nicht, ihn zu bitten, daß er mich mitnähme. Nicht aus dem Grunde heraus, daß es mir bei unserem Geschwader zu langweilig gewesen wäre — im Gegenteil, wir machten große und interessante Flüge, haben den Rußkis so manchen Bahnhof eingetöppert — aber der Gedanke, wieder an der Westfront zu kämpfen, reizte mich. Es gibt eben nichts Schöneres für einen jungen Kavallerieoffizier, als auf Jagd zu fliegen.
Aus dem Kapitel »Mein erster Engländer«:
... Was Boelcke uns sagte, war uns daher ein Evangelium. In den letzten Tagen hatte er, wie er sich ausdrückte, zum Frühstück schon mindestens einen, manchmal auch zwei Engländer abgeschossen.
... Er schien aber kein Anfänger zu sein, denn er wußte genau, daß in dem Moment sein letztes Stündlein geschlagen hatte, wo ich es erreichte, hinter ihn zu gelangen. Ich hatte damals noch nicht die Überzeugung, »der muß fallen«, wie ich sie jetzt voll habe, sondern ich war vielmehr gespannt, ob er wohl fallen würde, und das ist ein wesentlicher Unterschied. Liegt mal der erste oder gar der zweite oder dritte, dann geht einem ein Licht auf: »So mußt du’s machen«.
... Stolz meldete ich zum ersten Male: »Einen Engländer abgeschossen.« Sofort jubelte alles, denn ich war nicht der einzige; außer Boelcke, der, wie üblich, seinen Frühstückssieg hatte, war jeder von uns Anfängern zum ersten Male Sieger im Luftkampf geblieben.
Ich habe in meinem ganzen Leben kein schöneres Jagdgefilde kennen gelernt als in den Tagen der Somme- Schlacht. Morgens, wenn man aufgestanden, kamen schon die ersten Engländer, und die letzten verschwanden, nachdem schon lange die Sonne untergegangen war. »Ein Dorado für die Jagdflieger«, hat Boelcke einmal gesagt. Es ist damals die Zeit gewesen, wo Boelcke in zwei Monaten mit seinen Abschüssen von zwanzig auf vierzig gestiegen war. Wir Anfänger hatten damals noch nicht die Erfahrung wie unser Meister und waren ganz zufrieden, wenn wir nicht selbst Senge bezogen. Aber schön war es!
... Der Geist Boelckes lebt fort unter seinen tüchtigen Nachfolgern.
... Es war wieder das übliche Lied. Boelcke schießt einen ab, und ich kann zusehen.
Aus dem Kapitel »Der Achte«:
Acht war zu Boelckes Zeiten eine ganz anständige Zahl.
... Als Immelmann seinen ersten abschoß, hatte er sogar das Glück, einen Gegner zu finden, der gar kein Maschinengewehr bei sich hatte. Solche Häschen findet man jetzt höchstens noch über Johannisthal.
... Ich flog quietschvergnügt eines schönen Tages wieder mal auf Jagd und beobachtete drei Engländer, die scheinbar auch nichts anderes vorhatten als zu jagen. Ich merkte, wie sie mit mir liebäugelten, und da ich gerade viel Lust zum Kampfe hatte, ließ ich mich darauf ein. Ich war tiefer als der Engländer, folglich mußte ich warten, bis der Bruder auf mich ’runterstieß. Es dauerte auch nicht lange, schon kam er angesegelt und wollte mich von hinten fassen. Nach den ersten fünf Schüssen mußte der Kunde schon wieder aufhören, denn ich lag bereits in einer scharfen Linkskurve.
... Dabei flogen meine ersten blauen Bohnen ihm um die Ohren, denn bis jetzt war keiner zu Schuß gekommen ... Sein Maschinengewehr rannte in die Erde und ziert jetzt den Eingang über meiner Haustür.
Aus dem Kapitel »Englische und französische Fliegerei«:
Zurzeit bin ich bemüht, der Jagdstaffel Boelcke Konkurrenz zu machen.
... Dem Engländer dagegen merkt man eben doch ab und zu noch etwas von seinem Germanenblut an. Auch liegt dem Sportsmann das Fliegen sehr, aber sie verlieren sich zu sehr in dem Sportlichen ... Dies macht wohl bei der Johannisthaler Sportswoche Eindruck, aber der Schützengraben ist nicht so dankbar wie dieses Publikum. Er verlangt mehr. Es soll immer englisches Pilotenblut regnen.
Aus dem Kapitel »Selbst abgeschossen«:
... So habe ich mal einen Engländer abgeschossen, dem ich den Todesschuß jenseits der feindlichen Linien gegeben habe, und ›runtergeplumpst ist er bei unseren Fesselballons, so weit hat ihn der Sturm noch ›rübergetrieben.
Aus dem Kapitel »Erste Dublette«:
... Das Wetter ist eigentlich sehr schlecht geworden, so daß wir nicht annehmen konnten, noch Weidmannsheil zu haben.
... Nach seiner Landung flog ich nochmals über ihn hinweg in zehn Metern Höhe, um festzustellen, ob ich ihn totgeschossen hatte oder nicht. Was macht der Kerl? Er nimmt sein Maschinengewehr und zerschießt mir die ganze Maschine.
Voß sagte nachher zu mir, wenn ihm das passiert wäre, hätte er ihn nachträglich noch auf dem Boden totgeschossen. Eigentlich hätte ich es auch machen müssen, denn er hatte sich eben noch nicht ergeben. Er war übrigens einer von den wenigen Glücklichen, die am Leben geblieben sind.
Sehr vergnügt flog ich nach Hause und konnte meinen Dreiunddreißigsten feiern.
... Ich kriegte meinen Gegner vor und konnte noch schnell sehen, wie mein Bruder und Wolff sich jeder einen dieser Burschen vorbanden.
Aus dem Kapitel »Der ›alte Herr‹ kommt uns besuchen«:
... Um halb Zehn ist er auf unserem Platz. Wir kommen gerade von einem Jagdflug nach Hause, und mein Bruder steigt zuerst aus seiner Kiste, begrüßt den alten Herrn: »Guten Tag, Papa, ich habe eben einen Engländer abgeschossen.« Darauf steige ich aus meiner Maschine: »Guten Tag, Papa, ich habe eben einen Engländer abgeschossen.« Der alte Herr war glücklich, es machte ihm viel Spaß, das sah man ihm an. Er ist nicht einer von den Vätern, die sich um ihre Söhne bangen, sondern am liebsten möchte er selbst sich in eine Maschine setzen und auch abschießen — glaube ich wenigstens. Wir frühstückten erst mit ihm, dann flogen wir wieder.
... Das deutsche Flugzeug ist scheinbar angeschossen ... Wir stürzen hin und müssen mit Bedauern feststellen, daß der eine der Insassen, der Maschinengewehrschütze, gefallen ist. Dieser Anblick war meinem Vater etwas Neues und stimmte ihn offenbar sehr ernst.
... Diesmal hatte ich wieder Glück und hatte meinen zweiten Engländer an dem Tage abgeschossen. Die Stimmung des alten Herrn war wieder da.
... Wolff war mit seiner Gruppe während der Zeit am Feinde gewesen und hatte selbst einen erledigt. Auch Schäfer hatte sich einen zu Gemüte geführt.
... Da plötzlich bäumt sich das feindliche Flugzeug auf — ein sicheres Zeichen des Getroffenseins, gewiß hatte der Führer Kopfschuß oder so etwas — das Flugzeug stürzt, und die Flächen des feindlichen Apparates klappen auseinander. Die Trümmer fallen ganz in der Nähe meines Opfers. Ich fliege an meinen Bruder heran und gratuliere ihm, das heißt wir winkten uns gegenseitig zu. Wir waren befriedigt und flogen weiter. Es ist schön, wenn man mit seinem Bruder so zusammen fliegen kann.
... Wir schlossen uns eng zusammen, denn jeder wußte, daß man es mit Brüdern zu tun hatte, die dasselbe Metier verfolgen wie wir selbst ... aber es kommt eben nicht auf die Kiste an, sondern auf den, der drinnen sitzt; die Brüder waren laurig und hatten keinen Mumm.
... Aber wenn einem die Kundschaft nicht mehr gibt, muß man sie halt nehmen, wie sie kommt.
... Was unter mir ist, womöglich noch allein und auf unserem Gebiet, kann wohl als verloren gelten, besonders, wenn es ein Einsitzer ist, also ein Jagdflieger, der nicht nach hinten ’rausschießen kann.
... Jedesmal fiel mein Freund darauf ’rein. So hatte ich mich sachte an ihn herangeschossen. Nun bin ich ganz nahebei. Jetzt wird sauber gezielt, noch einen Augenblick gewartet, höchstens noch fünfzig Meter von ihm entfernt, drücke ich auf beide Maschinengewehrknöpfe. Erst ein leises Rauschen, das sichere Zeichen des getroffenen Benzintanks, dann eine helle Flamme, und mein Lord verschwindet in der Tiefe.
Dieser war der Vierte an diesem Tage. Mein Bruder hatte zwei. Dazu hatten wir den alten Herrn scheinbar eingeladen. Die Freude war ganz ungeheuer.
Weihnachten 1916
Der »alte Herr« (×) bei der Jagdstaffel Boelcke
... Sechs Engländer hatten die beiden Brüder also an einem Tage abgeschossen, das ist zusammen eine ganze Fliegerabteilung. Ich glaube, wir waren den Engländern unsympathisch.
Aus dem Kapitel »Mein Bruder«:
... Das täte uns leid, denn dadurch würde uns manche schöne Gelegenheit genommen, bei der wir die Engländer gut belapsen könnten.
Aus dem Kapitel »Lothar ein ›Schießer‹ und nicht ein Weidmann«:
Mein Vater macht einen Unterschied zwischen einem Jäger (Weidmann) und einem Schießer, dem es nur Spaß macht zu schießen. Wenn ich einen Engländer abgeschossen habe, so ist meine Jagdpassion für die nächste Viertelstunde beruhigt. Ich bringe es also nicht fertig, zwei Engländer unmittelbar hintereinander abzuschießen. Fällt der eine herunter, so habe ich das unbedingte Gefühl der Befriedigung. Erst sehr, sehr viel später habe ich mich dazu überwunden und mich zum Schießer ausgebildet. Bei meinem Bruder war es anders.
... Zu Hause fragte er mich stolz: »Wieviel hast du abgeschossen?« Ich sagte ganz bescheiden: »Einen.« Er dreht mir den Rücken und sagt: »Ich habe zwei«, worauf ich ihn zur Nachsuche nach vorn schickte. Er mußte feststellen, wie seine Kerle hießen u.s.w. Am späten Nachmittag kommt er zurück und hat nur einen gefunden. Die Nachsuche war also schlecht, wie überhaupt bei solchen Schießern. Erst am Tage darauf meldete die Truppe, wo der andere lag. Daß er ’runtergefallen war, hatten wir ja alle gesehen.
Aus dem Kapitel »Der Auerochs«:
Der Fürst Pleß hatte mir gelegentlich eines Besuches im Hauptquartier erlaubt, bei ihm auf seiner Jagd ein Wisent abzuschießen. Der Wisent ist das, was im Volksmund mit Auerochse bezeichnet wird. Auerochsen sind ausgestorben. Der Wisent ist auf dem besten Wege, das gleiche zu tun. Auf der ganzen Erde gibt es nur noch zwei Stellen, und das ist in Pleß und beim Revier des ehemaligen Zaren im Bialowiczer Forst. Der Bialowiczer Forst hat natürlich durch den Krieg kolossal gelitten. So manchem braven Wisent, den sonst nur hohe Fürstlichkeiten und der Zar abgeschossen hätten, hat sich ein Musketier zu Gemüte geführt. Mir war also durch die Güte seiner Durchlaucht der Abschuß eines so seltenen Tieres erlaubt worden. In etwa einem Menschenalter gibt es diese Tiere nicht mehr, da sind sie ausgerottet.
... Ich stand auf der Kanzel, auf der, wie mir der Oberwildmeister berichtete, bereits mehrmals Majestät gestanden hat, um so manchen Wisent von da aus zur Strecke zu bringen.
... Auf zweihundertfünfzig Schritt verhoffte er noch einen Augenblick. Es war mir zu weit, um zu schießen. Getroffen hätte man ja vielleicht das Ungetüm, weil man eben an so einem Riesending überhaupt nicht vorbeischießen kann.
... Schlecht zum Schießen. Da verschwand er hinter einer Gruppe von dichten Fichten. Ich hörte ihn noch schnaufen und stampfen. Sehen konnte ich ihn nicht mehr. Ob er Wind von mir bekommen hatte oder nicht, weiß ich nicht.
... War es der ungewohnte Anblick eines solchen Tieres oder wer weiß was — jedenfalls hatte ich in dem Augenblick, wo der Stier herankam, dasselbe Gefühl, dasselbe Jagdfieber, das mich ergreift, wenn ich im Flugzeug sitze, einen Engländer sehe und ihn noch etwa fünf Minuten lang anfliegen muß, um an ihn heranzukommen. Nur mit dem einen Unterschied, daß sich der Engländer wehrt. Hätte ich nicht auf einer so hohen Kanzel gestanden, wer weiß, ob da nicht noch andere moralische Gefühle mitgespielt hätten?
... Hindenburg hatte mir einen Monat vorher gesagt: »Nehmen Sie sich recht viel Patronen mit. Ich habe auf meinen ein halbes Dutzend verbraucht, denn so ein Kerl stirbt ja nicht. Das Herz sitzt ihm so tief, daß man meistenteils vorbeischießt.« Und es stimmte. Das Herz, trotzdem ich ja genau wußte, wo es saß, hatte ich nicht getroffen. Ich repetierte. Der zweite Schuß, der dritte, da bleibt er stehen, schwerkrank. Vielleicht auf fünfzig Schritt vor mir. Fünf Minuten später war das Ungetüm verendet. Die Jagd wurde abgebrochen und »Hirsch tot« geblasen. Alle drei Kugeln saßen ihm dicht überm Herzen, sehr gut Blatt.
... Man ist noch lange nicht am Ende der Erfindungen. Wer weiß, was wir in einem Jahr verwenden werden, um uns in den blauen Äther zu bohren!
Aus einer faksimilierten Beilage:
Rittm. Freih. von Richthofen.
Jagdstaffel Richthofen ...
Gott sei ferner mit Ihnen. — —
Vgl.: Die Fackel, Nr. 462-471, XIX. Jahr
Wien, 9. Oktober 1917.