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Aus großer Zeit

Die Psychose-Welle der Jahre 1914 bis 1918 hat die erschreckendsten Wirkungen auf die schreibenden Zeitgenossen hervorgebracht. Die gradezu unglaubliche Leichtfertigkeit, mit der die Gebildeten Deutschlands fast sämtlich die Heeresberichte aus Papier für bare Münze nahmen, hatte das Bild des Normaldeutschen völlig gewandelt: die gewohnte philologische Sorgfalt und die wenigstens von den anständigen Historikern stets angestrebte Objektivität war einer Verblendung gewichen, die sich am ehesten noch mit dem Seelenzustand durchgehender Pferde vergleichen läßt. Was in diesen Jahren von den ordentlichen Professoren jener Universitäten, die den Schlächtermeistern Ehrendoktorate verliehen, angerichtet worden ist, geht auf keine Kuhhaut. Sie tobten alle mit: Theologen, die die Schlachttiere segneten; Mediziner, die gar nicht genug Löcher zum Verbinden bekommen konnten; Philosophen, die nachwiesen, dass es immer schon so gewesen sei; und Juristen, die die Rechtsansprüche halb unzurechnungsfähiger Einbrecher mit dem ganzen corpus juris belegten. Daß die Tagesschreiber nur noch mit roten Farbbändern auf ihren Schreibmaschinen tippten, versteht sich von selbst. Nichts schlägt so hart wie eine Reklamiertenfaust.

Aus diesem Tohuwabohu sei eine kleine Auswahl erlaubt, die dartun soll, auf welche Stimmen Deutschland einmal gehört hat. Sie ist durchaus nicht voll besetzt. Unmöglich, auch nur den tausendsten Teil eines Irrsinns zu kompilieren, dem ein ganzes Volk in jenen Jahren verfallen war. Da sich, nach Schopenhauer, der Charakter eines Menschen niemals ändert, so ist lustig genug, zu sehen, wer heute noch – nach solchen Aussprüchen – gelesen wird, Ansehen genießt, Tantiemen bezieht.

Der feinsinnige Lyriker

Wenn wir den Becher greifen,
Dem jetzt im milden Herbstlicht überm Rhein
Im Golde strotzend edle Trauben reifen,
Soll deines Mantels letzter Purpurstreifen
In der Besiegten Blut gereinigt sein!

Rudolf Presber

Der Prophet

Amerika, laß ab von deinem Wahn,
Daß zeitig dein Gewissen noch erwache!
Siehst du ihn nicht mit grimmem Schritte nahn
Den großen Tag der fürchterlichen Rache?

Gustav Hochstetter, 1915

Appelschnut

… Und folgerichtig ist dieses Italien kein ehrenhafter Gegner wie andre, gegen die man Krieg führt; es ist eine heimtückische Bestie, die ihrem Wohltäter in die freigebige Hand beißt … Die rechtlichen Folgen dieses Feldzuges werden die einer Strafexpedition sein, man wird mit Italien keinen Friedensvertrag schließen, und niemand wird mit Italien jemals wieder Verträge schließen – sondern man wird über Ephialtes die Strafe des Verräters verhängen.

Otto Ernst, 1915

Der Mann mit dem Anstandsgefühl

Ein Volk, dessen gesammelte Kraft heute – wie oft zuvor – dem Seeraub, dem Diebstahl von Privateigentum und der Vergewaltigung am Krieg unbeteiligter Neutraler dient, kann kaum Männer von Ehrsinn und Anstandsgefühl haben! Nein! kein Engländer ist fair. Jeder kam als Grapscher und Täuscher auf die Welt.

Otto v. Gottberg

Ein Eisener

… folgende sittliche Grundgedanken: Wir wären wahrhaftig keine Räuber, die sich gar noch entschuldigen müßten, wenn wir unsres Reiches Land mehrten. Nicht rachsüchtige Vergeltung würde uns leiten, obgleich wir dazu volles Recht hätten … Wir tragen die Verantwortung, künftigen Friedensbruch an die denkbar schwersten Bedingungen zu binden … Ist hierzu Landerwerb nötig, so nehmen wir es mit einem reinen, guten Gewissen.

Gottfried Traub, 1915

Woher kommt Versailles?

Geht alle fort, die ihr von der Kultur unsrer Feinde redet, die ihr davon sprecht, dass man später ihre Gefühle schonen müßte und auf ihre Empfindungen Rücksicht nehmen soll.

Gottfried

Traub, 1917

Der Mensch ist gut

In den Schanzen, da liegt Engelland.
Aus den Gräben tönt gierig ihr Krämergezisch.
Fegt, Kugeln, dass ihnen zu eng das Land!
Das Meer braucht Futter für Vogel und Fisch!
Denn der Tag ist zu kurz, um die Arbeit zu tun,
dich auszulöschen vom Antlitz der Welt.
Kann doch die Mutter vor Scham nicht ruhn.
Hetz, hetz, ihr Kugeln! Der Jagdruf gellt!

Rudolf Herzog, 1916

Gasangriff

»Dieu et mon droit«, das war die stolze Devise, unter der damals Albions Söhne für Recht und Freiheit stritten – das heutige offizielle England aber sollte sie schleunigst aus seinem Wappenschild streichen und durch den zeitgemäßen Wahlspruch ersetzen: »Feige und lumpig!«

H. v. d. Wense

Blutiges Überbrettl

(Aus einer Weihnachtsrede an seine Kompanie): … dass uns Deutschen die hohe Aufgabe zugefallen sei, auch die Weihnachtsverheißung des Christentums zur Wahrheit zu machen: Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Und wir legen uns das so aus: nur der Friede, den wir Deutschen der Welt und unsern Widersachern aufzwingen, kann ein dauernder sein, nur ein Sieg deutschen Geistes kann den Völkern ein Wohlgefallen verbürgen.

Ernst von Wolzogen,

1915

Der Ethnograph

Der Kern des französischen Volkes ist noch immer jenes ibero-keltische Galliertum, das in seiner ganzen Minderwertigkeit schon von Caesar erkannt ist … Dies Volk ist nur noch ein Ballast für die Weltgeschichte.

Fritz Bley

Hohe Ziele

Und wenn auch Monde darüber verfließen,

Auf Posten bleiben, bis dass es reicht,

Bis die Bande gründlich die Flagge streicht

Und den Räuberhalunkennacken neigt.

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Dann sollen uns Scharten und Wunden nicht schwächen,

Die Hundegemeinheiten werden wir rächen,

Und die Kerle soll'n blechen, die Kerle soll'n blechen!

Achim Stoltenberg

Aus dem Kaffeesatz

Es wird eben der Friede erst kommen, wenn die Zeit erfüllet ist. Diese Zeit ist erfüllet, wenn die Feinde um Frieden bitten und sich unterlegen bekennen. Bis dahin geht der Krieg.

Gottfried Traub, 1917

Die Klausel

Und falls es uns glückt, England niederzuzwingen, dann meine ich, wir sollten in den Friedensvertrag eine Klausel setzen, wonach William Shakespeare auch formell an Deutschland abzutreten ist.

Ludwig Fulda, 1916

Reklamiert läßt grüßen!

Da kam der Krieg, der grimme Würger,
Und seht das Wunder – seht, wir lieben ihn.
Ja, wir lieben diesen Krieg,
Der die neue Zeit beginnt,
Der uns heut im Kampf und Sieg
Zeigt, wie groß und stark wir sind.

Gustav

Hochstetter, 1915

Die Sorgen des lieben Gottes

Zum Herrgott und Hindenburg wollen wir flehen,
Daß wir bleiben in Flandern stehen!
Daß wir nimmermehr weichen vom Meer,
Unsrer schimmernden Zukunftswehr!
Zum Herrgott und Hindenburg wollen wir rufen,
Daß wir behalten die ehernen Stufen,
Die sie uns schlugen ins Lothringer Land:
Für Erz und Kohlen ein Unterpfand!
Wozu habt ihr beide denn Kurland genommen?
Bei euch heißt ›gewonnen‹ doch nicht ›zerronnen‹?
Da lachte der Herrgott und Hindenburg:
Beruhigt euch nur, wir kommen schon durch!

Arthur Dinter, 1917

Les affaires c'est l'argent des autres

Der Kampf wird geführt zwischen Roheit und Gesittung, zwischen Unbildung und Bildung, zwischen gemeinster Geldgier und einer Lebensauffassung, in welcher Goldeswert nur dient und an sich gar kein Ansehen genießt … Es handelt sich in neuer Form um den alten Kampf zwischen Tag und Nacht, zwischen Ormuzd und Ahriman, für den Christus den Ausdruck geprägt hat: »Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen.«

H. S. Chamberlain, 1915

Das Reine

Feinde ringsum!
Wir kämpfen allein.
Das Reine und Redliche steht geschieden
Von allem Ekel und jedem Schwein.

Ludwig Ganghofer, 1914

Der Christ

Menschen verbluten, Menschen sterben. Aber die Zeit ist so, dass man sich freuen muß, weil es Feinde waren.

Ludwig Ganghofer, 1915

Das Unbegreifliche

Wer deutsch fühlt und denkt, kann von einem Franzosen, selbst wenn er sich die Mühe gäbe, uns kennen zu lernen, nie verstanden werden; und den an Hysterie grenzenden Nationalstolz und Nationalhaß der Franzosen werden wir nie begreifen.

Paul Oskar Höcker, 1917

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 03.08.1922, Nr. 31, S. 111.