Der Papagei
Ein rechtsstehendes Blatt bringt eine schlechte Satire auf die Beschlüsse der Budgetkommission, die über die Wehrvorlage beraten hat. Das »Zukunftsbild«, das da entrollt wird, enthält einen Punkt 2, der mit erfreulicher Offenheit zeigt, dass es sich beim Militär weniger um Nützlichkeitsstandpunkte handelt als um Propaganda eines Systems, das sich nicht mehr anders zu helfen weiß. Also Punkt 2: »Die Armee muß dem Volke gründlich verleidet werden. Aus Ersparniskeitsrücksichten ist daher eine einheitliche, graue, unansehnliche Uniform ohne jeden Schmuck, ohne jedes Abzeichen einzuführen. Dem gemeinen Mann muß der Stolz auf des Königs Rock gründlich ausgetrieben werden.«
Hier ist es klar gesagt. Unsere Soldaten laufen wie die Papageien herum, ein alter General hat alle Farben des Regenbogens auf dem Leib, und er würde im Gelände, wie längst die Praktiker wissen, sofort niedergeknallt werden, weil man ihn in Hamburg sieht, wenn er in Lübeck angewackelt kommt. Aber dafür glotzen ihn die biedern Deutschen auf der Straße an, und worüber sie bei einem Negerhäuptling grinsen, darüber strahlen sie bei dem General: die Ausstattung ist es, die den Mann macht. Den Leuten wird eine Eitelkeit künstlich anerzogen, die Augen werden daran gewöhnt, dass diese häßliche Uniform »schön« sei – und in den Augen eines Kuhknechtes, der beim Stallausmisten nicht gerade in einer feinen Litewka arbeitet, mag sie das ja auch sein. Für einen Menschen, dessen Augen wirklich gebildet sind, ist sie scheußlich. Aber darauf kommt es ja gar nicht an: man will die Leute beduseln. Der bunte Rock!
Wie sagt jener? »Des Königs Rock.« Haben Sie schon einmal eine Einkleidung der neuen Rekruten mitgemacht? Nun, da kommen die Röcke der alten Mannschaften, deren Schweiß und Schmutz ausgekocht, aber nicht vergessen worden ist, aus der staubigen Kammer und sind gar kein Symbol von des Königs Herrlichkeit, sondern nur widerlich. Des Königs Rock!
Der Stolz auf des Königs Rock! Gewiß: auf den Rock. Oder werden etwa die Röcke angespuckt, getreten, geschlagen? Der gemeine Mann, der Kerl wird es.
Wie gesagt: Stolz. Und Bewunderung. Denn er umhüllt gleichmäßig Gerechte und Unteroffiziere.
tu.
Vorwärts, 01.06.1913, Nr. 134, S. 1.