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Die Wand

(Mehr zum Vergnügen als für die Praxis:) So wie es Romane gibt, die auf dem Prinzip der trennenden Tür aufgebaut sind – sie können zusammen nicht kommen, sei es, weil das Wasser zu tief ist, oder weil eine alte Tante dagegen ist, oder die Moral, oder das Geld –, fiele die trennende Tür, wir wüßten nicht, wo das Buch bliebe –; so gibt es auch Badeverwaltungen, die ein richtiges Familienbad für einen – wie sagt man? – einen Pfuhl halten. An der Nordsee hat man beim Baden keine Zeit, auf schlechte Gedanken zu kommen: man übersieht das meiste, freut sich, wenn man einen Menschen mit einem schönen Körper sieht, und planscht im übrigen im Meer.

Mecklenburg (dessen Wappen man schon an der Stirn ansieht, mit wem man es zu tun hat) ist noch nicht soweit. Mühsam, und wohl auch nur, weil das zahlende Publikum es so gewollt hat, ist man zum Bau eines Familienbades geschritten. Das heißt: baden dürfen die (Pardon!) Geschlechter schon (Pardon!) zusammen – aber zum Trocknen werden sie – gesondert, nach Maßgabe ihrer Zugehörigkeit zum einen beziehungsweise zum anderen – In viereckig eingezäunte Sandplätze gelegt. Frauen und Männer, getrennt durch eine Bretterwand. Man muß es dem asthmatischen Rechnungsrat und dem mit Hämorrhoiden behafteten Badedirektor lassender Einfall ist grundlos, aber witzig genug. Kann sein, dass sie an die wirklich scheußlichen Frauenkörper gedacht haben, die man hier zu sehen bekommt, es ist nicht jeder Frau Sache, sich große Füße und einen übervollen Busen, einen ungepflegten Leib begaffen zu lassen – der Einfall ist witzig genug. Zeigt aber, dass es allemal die Mucker sind, die schon frühmorgens um 10 Uhr nicht mehr Herr ihrer Begierden sind.

Eine Wand ist die Mutter des Astlochs.

tu.
Vorwärts, 22.08.1912.