Sie lächelt wieder!
Die Gioconda – man sprach nie anders von ihr, wie wenn man mit ihr geschlafen hätte – lächelt wieder. Noch in Italien, bald wieder in Paris, wo man sie nun noch häufiger als bisher fotografieren wird, weil sie früher da war und weil sie dann nicht mehr da war, und weil sie nun wieder da ist. Man berechne, was sie im Lauf der Zeit kostete: Telegramme prasseln, Illustrationen klatschen auf die Lithographiersteine, Schmöcke schwitzen, und wieder ist ein Verbrauch in Adjektiven wie in den alten Zeiten, da sie gestohlen wurde.
Sachte, sachte! – Es ist ja alles nicht wahr. Wer von euch hat denn je dieses Bild im Original gesehen? Und wer von euch, die es je gesehen haben, sah etwas anderes in ihm als das besternte Ding aus dem Baedeker? – Ihr wißt nichts von Malerei, am allerwenigsten von dieser alten Malerei, die Gegenstände nicht einmal kubusförmig sah.
Also geht die große Presse den Menschen voraus? – Sie turnt in der Luft, während jene, behaglich unten ihren Trab zottelnd, den merkwürdigen Evolutionen zusehen, die eigens für sie arrangiert werden. Würde eine Zeitung in der Form, im Stil und im Inhalt wirklich einmal nach dem Leserniveau gemacht, man würde staunen über diese Kindlichkeiten. Denn der Abonnent klaubt sich gewandt aus dem Bombast von Fachausdrücken, von Kulturanstrich, von Bildung schon das heraus, was er davon begreift, und das ist nicht allzuviel, sondern immer nur das Konkrete und das Bewußtsein, dass es ihn zwar gar nichts, andere aber schon sehr viel angehen müsse – denn sonst stände es doch nicht in der Zeitung. Also, da ist ein Bild gestohlen, und das ist sehr viel wert gewesen, und wir haben es auch schon mal in Reproduktionen gesehen, und nun ist es wieder da, und da haben wir ja auch ein Gutachten des Professors Wickelstroh, nun, der Mann wirds verstehen, das will ich meinen – so, und wie ist es denn mit dem Wehrbeitrag … ?
Begieße einen Pudel mit Wasser, er wird mehr Eindrücke haben als der Abonnent, der sich und sein Blatt schüttelt, weitergeht und zwischen Ein- und Beinbrüchen gnädig ad notam nimmt, dass jene wieder lächelt.
I.A.W.
März, 27.12.1913, Nr. 52, S. 938.