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Unterhaltungsliteratur

Unterhaltungsliteratur ist in diesen bewegten Zeiten fast ein Schimpfwort geworden. Und dabei wäre es sehr heilsam, wenn recht oft bei uns jene Mittellinie gezogen würde zwischen den »Nur-Literatur«-Leuten und der englischen Bücherindustrie, die von Sherlock Doyie bis zu den Tauchnitz-Verlobungen doch immer ein gutes Milieu ohne Prätention wiedergibt und (aber das mag an der Sprache liegen) so schön knapp sein kann.

Wir haben das nicht. Wir haben nur Dreck und das ganz schwere Geschütz. Und ich glaube nicht, dass es eine Schande ist, wenn ein müder Mann abends bei der Lampe einfach nicht mehr fähig ist, Conrad Ferdinand Meyer in sich aufzunehmen. Was aber muß der Arme dann tun? Es gibt ja heute noch Leute, die, wie meine alte Tante, bei der Marlitt den süßen Schlaf finden können – wir andern sind auf die Woche angewiesen und auf die schlechten Romane, deren Autoren ihre eigenen langweiligen Probleme nur aus Zeitungsartikeln kennen.

Hans Olden hat soeben zwei Novellen bei Georg Müller in München erscheinen lassen, die so recht das Ideal dieser gewünschten Literatur sind. »Das Frühstück auf Blue Island« und »Ein ekelhafter Kerl«. Dort ist besonders in dem famos gelungenen Anfang das, was Kellermann mit seinem »Tunnel« versucht und nicht gekonnt hat: die Romantik der großen Betriebe. Es handelt sich um ein großes Restaurant, und es ist hübsch, wie Olden ohne jeden Überschwang so eine Organisation zeigt, mit der Freude am Tempo, am Allegro, am Klappen. Die Geschichte wird nachher ein bißchen weinerlich, aber man empfindet es kaum, denn alles ist gut, was über Deutsche in Amerika drinsteht, diskret, kurzweilig. Die zweite Novelle ist eine Schulangelegenheit. Bis auf die stilistische Gewandtheit könnte sie ein Junge geschrieben haben – so natürlich frisch ist sie, so ohne Psychologie, die ja nie da war in einer Zeit, wo wir alles klischeehaft empfanden, gottgewollt, felsenfest.

Seltener Fall: man liest, freut sich und schämt sich hinterher nicht, bei der Sache gewesen zu sein. Spannung ohne Katzenjammer.

Peter Panter
Die Schaubühne, 05.06.1913, Nr. 22, S. 619.