Polidoro Caldara, Polidoro da Caravaggio

Caldara, Polidoro, genannt Polidoro da Caravaggio, von seinem Geburtsort im Mailändischen, geb. um 1495, kam jung nach Rom und verrichtete daselbst Handlangerarbeiten bei den Freskomalereien der Schüler Raphael's im Vatikan. Dieser tägliche Umgang mit Künstlern reizte ihn, sich im Zeichnen zu üben und weckte sein natürliches Talent, das sich, nachdem Raphael es erkannt und unterstützt, so rasch entwickelte, dass Maturino aus Florenz, bei dem er es ausbildete und der bereits für einen Meister in der Kunst galt, ihm bald Gelegenheit bieten konnte, mit ihm selbst in gemeinsam ausgeführten Werken zu wetteifern, und Raphael ihn ebenfalls bei seinen Arbeiten in den Sälen des Vatikans mit Erfolg zu verwenden im Stande war. Gemeinschaftlich mit Maturino schmückte er nun zu Rom die Außenseiten einer großen Menge von Palästen mit Malereien allo sgraffito, d. h. mit ausgeführten Zeichnungen, die mit spitzen Eisen auf einem hellen, über einen dunkeln Grund gezogenen Übergusse so eingeritzt wurden, dass in den Strichen die dunklere Farbe wieder hervortrat. Sie bestanden meistens in Friesen mit Gegenständen aus der Mythe, für die er die gründlichsten Studien nach allen in Rom befindlichen antiken Bildwerken machte. Für Raphael malte er die Monochrome unter den Bildern der Schule von Athen, der Disputa und des Parnasses. Nach der Plünderung Roms, im Jahr 1527, zog er nach Neapel, wo ihn sein früherer Mitschüler, Andrea da Salerno, in sein Haus aufnahm und er viele Schüler um sich sammelte, unter denen man hauptsächlich Gian-Bernardo Lama und Marco Cardisco, genannt Calabrese, nennt. Er malte daselbst viele Wand- und Deckengemälde, auch einige Ölbilder, wandte sich aber später nach Messina, wo er eine neue und blühende Malerschule gründete, aus der u. A. Deodato Guidaccia, Jacopo Vignerio, Alfonso Lazzaro, Mariano Riccio und sein Sohn: Antonello, und Stefano Giordano hervorgingen. Seine dortige Tätigkeit war sehr umfassend und verschaffte ihm ebensoviel Ruhm und Lohn, allein eine unüberwindliche Sehnsucht trieb ihn nach Rom zurück. Er erhob deshalb sein Geld, das er bei der Bank stehen hatte. Dies erweckte die sträfliche Begierde eines seiner Schüler, des Tonno Calabrese, desselben, den er noch vordem in einem Bilde in S. Andrea abgemalt hatte, der ihn in der Nacht vor der beabsichtigten Abreise ermordete und beraubte. Dies geschah im Jahr 1543.

Caldara's Bilder allo sgraffito sind, mit Ausnahme einiger Reste am Pal. Ricci (gest. v. Vischer 1594), an der goldenen Maske zu Rom (letztere in Darstellungen aus der Fabel der Niobe bestehend und zu seinen ausgezeichnetsten Werken gehörend) u.s.w., beinahe sämtlich zu Grund gegangen, dagegen besitzen wir von ihnen durch den Kupferstich viele Nachbilder, in denen uns der Ruhm und das Verdienst seiner Kunst erhalten ist. In denselben erscheint er unter allen Meistern des 16. Jahrhunderts, selbst Giulio Romano nicht ausgenommen, als derjenige Meister, der am besten in den Geist eingegangen, mit welchem Raphael die Antike aufgefasst. Mit großartiger Freiheit wusste er das Studium derselben in einer Menge der geistreichsten Kompositionen auf die malerische Darstellung anzuwenden und in der dadurch genährten frischen Kraft sich frei zu erhalten von der Manier, welcher die Schule Raphael's später erlag. Die Zeichnung seiner Gestalten ist von großer Schönheit und in den Bewegungen ist er gleich wahr, frei und anmutig. Auch in einigen wenigen Staffeleibildern Polidoro's aus dieser Zeit, wie z.B. einer Szene aus dem Mythus der Psyche im Louvre zu Paris, erkennt man in den trefflichen Motiven und edlen Formen noch einen schönen Nachklang raphaelischen Geistes. Später erst, in seinen in Neapel und Messina ausgeführten Bildern, schlägt sein Stil in einen grellen und widrigen Naturalismus um, in welchem wir wohl die ursprüngliche, nur bisher durch edle Vorbilder zurückgedrängte Eigentümlichkeit des Künstlers zu erkennen haben. Aber selbst in der Darstellung der gemeinen Natur offenbart er Leben und Leidenschaft und jene zwingende Kraft, welche eine ganze Kunstrichtung bestimmen konnte. Sie bildete den Grundcharakter der späteren neapolitanischen Schule. Sein Hauptbild, die in Messina gemalte Kreuztragung Christi, eine höchst lebendige und trotz der durchaus unedlen Formen ergreifende Komposition, befindet sich jetzt, nebst einer Anzahl kleinerer Bilder aus der heil. Geschichte: einer Geburt Christi, einer Ausgiessung des heil. Geistes u. s.w., in den Studj zu Neapel. In seinen Ölgemälden, die sehr selten und fast nur in Neapel, woselbst man in S. Elmo ein Altargemälde, eines seiner besten Bilder, sieht und in Sizilien anzutreffen sind, herrscht ein schwerer brauner Ton und fast alle machen den Eindruck wie Gemälde in einer Farbe, in welcher Kunstweise er, wie erwähnt, früher zu Rom beinahe ausschließlich gearbeitet hatte. In Deutschland bewahrt von ihnen das Museum in Berlin: einen heil. Lucas in halber Figur; die Galerie zu Dresden: ein Eisenblechschild von runder Form, worauf ein Gefecht römischer Reiter grau in grau gemalt ist; Dr. Carové zu Frankfurt a. M.: eine Anbetung der Hirten, mit dem Porträt des Meisters und einem Mantel auf dem der Malteser-Orden hängt und die Inschrift steht: Eques Polidorus Caldara Caravacis pingebat; in der Gemäldegalerie des Belvedere zu Wien: Prokris zieht den tödlichen Wurfspieß aus der Brust, indessen Cephalus herzueilend seine Gattin erkennt (grau in grau gemalt). Im Palast Corsini zu Rom befindet sich eine schöne braun getuschte Frieszeichnung mit der Geschichte der Niobe. — Pietro Sandro Bartoli, Mantuano, Golzius, J. Sadeler, Cherub. Alberti, Giul. Bonasone, Gius. Niccola aus Vicenza, insbesondere aber Galestruzzi in seinen: Opere di Polidoro da Caravaggio disegnate et intagl. da Gio. Batt. Galestruzzi Roma 1653, haben nach seinen Gemälden gestochen.

 

Literatur. Vasari, Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister. — Kugler, Handbuch der Geschichte der Malerei.  


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